Teil 1 - Querschnittsermittlung nach unterschiedlichen Kriterien
Für die Querschnittsermittlung bei Leitungen und Kabeln sind mehrere Faktoren maßgebend. Der Anwender muss zunächst die für ihn gültigen Bedingungen ermitteln und danach gegebenenfalls mehrere Querschnittsberechnungen nach unterschiedlichen Kriterien und Regelwerken durchführen. Der größte der bei den Berechnungen ermittelten Querschnitte ist dann letztendlich auszuwählen.
Querschnittsermittlung | ||||
nach der |
nach dem |
nach der gewählter Schutzmaßnahme zur automatischen Abschaltung bei indirektem Berühren |
nach der |
nach dem |
DIN VDE 0100-520 |
DIN 18015-1 DIN VDE 0100-520 DIN VDE 0100 DIN VDE 0100-520 Beiblatt 2 TAB und AVBeltV |
DIN VDE 0100 DIN VDE 0100-410 |
DIN VDE 0100-520 Beiblatt 2 DIN VDE 0298-4 DIN VDE 0276-603 DIN VDE 0276-1000 |
DIN VDE 0100 DIN VDE 0100-430 |
Aus mechanischen Gründen dürfen die in DIN VDE 0100-520 festgelegten Mindestquerschnitte nicht unterschritten werden.
Anwendung |
Werkstoff |
Mindestquerschnitt |
Kabel, Mantelleitungen und Aderleitungen fest verlegt |
Cu |
1,5 mm2 |
Blanke Leiter als Leistungsstromkreis |
Cu |
10 mm2 |
Kabel, Mantelleitungen und Aderleitungen fest verlegt für Melde- und Steuerstromkreise |
Cu |
0,5 mm2 *1 |
Bewegliche Verbindung mit isolierten Leitern allgemein |
Cu |
0,75 mm2 |
Bewegliche Verbindung für Schutz und Funktionskleinspannung |
Cu |
0,75 mm2 |
*1In Melde- und Steuerstromkreisen für elektronische Betriebsmittel ist ein Mindestquerschnitt von 0,1 mm zulässig. |
Für die Ausrüstung von Industriemaschinen gelten nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) andere Mindestquerschnitte.
Für den zulässigen Spannungsfall werden in den unterschiedlichen Regelwerken verschiedene Werte genannt. In den "Allgemeinen Versorgungsbedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBeltV) ist der Spannungsfall für die Leitungen zwischen Übergabestelle des VNB (meist Hausanschlusskasten) und Messeinrichtung (meist Zählerverteiler) mit 0,5 % festgelegt. Diese 0,5 % werden in der DIN 18015-1 bestätigt. In den "Technischen Anschlussbedingungen (TAB 2000)" werden für größere Anschlussleistungen höhere Werte, z. B. 1,5 % bei einer Leistung von über 400 kVA, als zulässig angesehen.
Für Leitungen von der Messeinrichtung zum Verbraucher nennt die DIN 18015-1 einen zulässigen Spannungsfall von 3 %.
Die DIN VDE 0100-520 legt dagegen 4 % für den gesamten Spannungsfall zwischen der Übergabestelle des VNB bis zum Verbraucher fest.
Mit nachstehenden Formeln kann unter Berücksichtigung des Spannungsfalls der Querschnitt berechnet werden:
Über den Strom berechnet: |
Über die Leistung berechnet: | ||
Leitungen betrieben mit | |||
Wechselstrom |
Drehstrom |
Wechselstrom |
Drehstrom |
|
|
|
|
Leiternennquerschnitt in mm2 |
Bemessungsstrom |
Spannungsfall Du in % | ||||
3 |
4 |
5 |
8 |
10 | ||
Zulässige Länge lmax in m | ||||||
1,5 |
6 |
95 |
127 |
159 |
254 |
318 |
1,5 |
10 |
57 |
76 |
95 |
152 |
190 |
1,5 |
16 |
35 |
47 |
59 |
95 |
119 |
Zum Schutz gegen indirektes Berühren (Schutz im Fehlerfall) durch automatisches Abschalten mittels Überstromschutzeinrichtungen in TN- oder TT-Systemen müssen die nachstehenden Abschaltzeiten sichergestellt werden:
Um diese Zeiten einzuhalten, dürfen die Schleifenimpedanzen (Schleifenwiderstände) in Abhängigkeit von der gewählten Schutzeinrichtung bestimmte Maximalwerte nicht überschreiten. Bei Schutz durch automatische Abschaltung mittels Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen ist eine Querschnittsermittlung auf Grundlage der Schutzmaßnahme nicht notwendig! Folgende Bedingung ist zu erfüllen:

ZSchl bzw. RSchl = Schleifenimpedanz bzw. Schleifenwiderstand U0 = Außenleiterspannung gegen Erde IA = Abschaltstrom der vor geschalteten Überstromschutzeinrichtung
Die genauen Abschaltströme können der DIN VDE 0100-610 entnommen werden. Für die Praxis kann in ausreichender Genauigkeit mit nachstehenden Faktoren gerechnet werden:
Überstrom-Schutzeinrichtungen |
zulässige Abschaltzeit tA | |
£ 0,4 s |
£ 5 s | |
Schmelzsicherungen Typ gG |
£50 A = 8 x IN |
£ 40 A = 5 x IN |
Schmelzsicherungen Typ gG |
50 A = 10 x IN |
40 A = 6 x IN |
Leitungsschutzschalter Typ B |
5 x IN |
5 x IN |
Leitungsschutzschalter Typ C |
10 x IN |
10 x IN |
Da bei der Schleifenimpedanz nicht nur der Leitungswiderstand auf der Verbraucherseite, sondern auch der Netzwiderstand zu berücksichtigen ist, muss dieser vor der Querschnittsberechnung ermittelt werden. Dies kann durch eine Messung der Schleifenimpedanz an einem vorhandenen oder benachbarten Zählerverteiler oder durch Befragung des Versorgungsnetzbetreibers (VNB) erfolgen.
Beispiel: Eine Schutzkontaktsteckdose soll in 40 m Entfernung vom Zählerverteiler installiert werden und mit einem Leitungsschutzschalter Type C 16 A geschützt werden. Die Netzimpedanz wurde am Zählerverteiler mit 0,7 W festgestellt. Welcher Querschnitt ist zu wählen, damit die Abschaltbedingungen erfüllt sind?

Alternativ können die maximal zulässigen Längen dem Beiblatt 5 zu DIN VDE 0100 oder dem Beiblatt 2 zu DIN VDE 0100-520 entnommen werden.
Die Strombelastbarkeit von Leitungen und Kabeln ist abhängig von der
Die Basistabellen beziehen sich nach DIN VDE 0298-4 auf eine Umgebungstemperatur von 30 °C bei einer Verlegung in Luft bzw. 20 °C bei einer Verlegung in Erde. Die maximal zulässige Betriebstemperatur am Leiter beträgt z. B. für:
Die nachfolgenden Tabellen enthalten Werte für die Strombelastbarkeit von Leitungen und Kabeln in Abhängigkeit von der Verlegeart für eine Umgebungstemperatur von 30 °C und für eine Betriebstemperatur von 70 °C am Leiter. Generell unterscheidet sich die Strombelastbarkeit nach der Anzahl der belasteten Adern und der unterschiedlichen Wärmeabgabe bei den verschiedenen Verlegearten.
Referenzverlegeart |
A1 |
A2 |
B1 |
B2 | ||||
Beschreibung |
Aderleitungen im Elektro-Installationsrohr in einer wärmegedämmten Wand |
Mehradriges Kabel oder mehradrige ummantelte Installationsleitung in einem Elektro- Installationsrohr ineiner wärmegedämmten Wand |
Aderleitungen im Elektro- Installationsrohr auf einer Wand |
Mehradriges Kabel oder mehradrige ummantelte Installationsleitung in einem Elektro- Installationsrohr auf einer Wand | ||||
Anzahl der belasteten Adern |
2 |
3 |
2 |
3 |
2 |
3 |
2 |
3 |
Nennquerschnitt, Kupferleitung in mm2 |
Belastbarkeit in A | |||||||
1,5 |
15,5 |
13,5 |
15,5 |
13 |
17,5 |
15,5 |
16,5 |
15 |
2,5 |
19,5 |
18 |
18,5 |
17,5 |
24 |
21 |
23 |
20 |
4 |
26 |
24 |
25 |
23 |
32 |
28 |
30 |
27 |
Referenzverlegeart |
C |
E |
F |
G | ||||||
Beschreibung |
Ein- oder mehr-adriges Kabel oder ein- oder mehradrige ummantelte Installationsleitung auf der Wand oder unter Putz |
Mehradriges Kabel mit Abstand von mindestens 0,3 x Durchmesser zur Wand |
Einadrige Kabel mit Abstand von mindestens 1 x Durchmesser (D) zur Wand | |||||||
mit Berührung |
mit Abstand D zu einander | |||||||||
Anzahl der belasteten Adern |
2 |
3 |
2 |
3 |
2 |
3 | ||||
Nennquerschnitt, Kupferleiter in mm2 |
Belastbarkeit in A | |||||||||
25 |
112 |
96 |
119 |
101 |
131 |
114 |
110 |
146 |
130 | |
35 |
138 |
119 |
148 |
126 |
162 |
143 |
137 |
181 |
162 | |
50 |
168 |
144 |
180 |
153 |
196 |
174 |
167 |
219 |
197 |
Beispiel: Wie hoch darf eine Drehstromleitung vom Typ NYM 5 x 1,5 mm² belastet werden?
a) Bei Verlegung in wärmedämmender Wand, Verlegeart A2; 3 belastete Adern = 13 A
b) Bei Verlegung in einem Elektroinstallationskanal, Verlegeart B2; 3 belastete Adern = 15 A
Bei erhöhten Umgebungstemperaturen (über 30 °C) würde bei andauerndem Volllastbetrieb eine Leitertemperatur erreicht werden, die auf Dauer für die Isolation schädlich ist. Deshalb muss bei erhöhten Umgebungstemperaturen die Strombelastung gesenkt oder der Querschnitt entsprechend erhöht werden. Bei niedrigeren Temperaturen verbessert sich die Wärmeabfuhr und so können die Leitungen und Kabel höher belastet werden, z. B. PVC-isolierte Leitungen bei 25 °C um 6 % (Faktor 1,06).
Isolierwerkstoff |
NR/SR |
PVC |
zulässige Betriebstemperatur |
60 °C |
70 °C |
Umgebungstemperatur in °C |
Umrechnungsfaktoren | |
25 |
1,08 |
1,06 |
30 |
1,00 |
1,00 |
35 |
0,91 |
0,94 |
40 |
0,82 |
0,87 |
Werden mehrere Leitungen oder Kabel zusammen verlegt, so ergibt sich eine gegenseitige Erwärmung. Um Isolationsschäden oder gar Brände zu vermeiden, muss mit Reduktionsfaktoren die Belastung gesenkt oder der Querschnitt entsprechend erhöht werden. Wenn bei Leitungen und Kabeln die tatsächliche Belastung kleiner ist als 30 %, z. B. in Steuerstromkreisen, brauchen diese bei der Häufung nicht berücksichtigt werden.
Anordnung |
Anzahl der Stromkreise aus einadrigen Leitungen oder Anzahl der mehradrigen Leitungen | |||||||||
|
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 | ||||
Gebündelt direkt auf der Wand, dem Fußboden, im Elektroinstallationsrohr oder |
|
|
|
|
1,00 |
0,80 |
0,70 |
0,65 |
0,60 |
0,57 |
Beispiel: In einem Elektroinstallationskanal liegen 5 Leitungen NYM 5 x 1,5 mm2. Die Umgebungstemperatur beträgt 40 °C. Mit welchem Strom dürfen die Leitungen belastet werden?
