Prüfen von PV-Anlagen

Klassische Aufdachanlagen auf Privathäusern
Die klassischen Aufdachanlagen für Privathäuser stufen wir, das VDE-Institut, als Kleinanlagen ein. Hier liegt die Grenze bei den Anforderungen der VDE 0126-1-1, nämlich bei 30 kW.
Aufdachanlagen auf Gewerbeimmobilien
Aufdachanlagen auf Gewerbeimmobilien sind Anlagen auf Dächern von landwirtschaftlichen Betrieben, kleineren Firmen und öffentlichen Gebäuden, wie Rathäusern, Kindergärten und Schulen. Hier legen wir die Grenze bei ca. 100 kW.
Aufdach- und Freilandanlagen zur industriellen Stromerzeugung
Anlagen zur industriellen Stromerzeugung beginnen ab 100 kW, unabhängig davon, ob sie auf Gebäuden oder Freiflächen installiert sind.
Für Anlagen auf Privathäusern und Gewerbeimmobilien ist die klassische Vorgehensweise üblich:
- Eigenfinanzierung bzw. Fremdfinanzierung durch ein Kreditinstitut,
- Beauftragung eines Fachhandwerkbetriebes (in der Regel Elektro-, Installations- oder Dachdeckerhandwerk),
- Abnahme der Anlage durch diesen Handwerksbetrieb, am besten nach den Regeln des RAL-Gütezeichens (Bild 1) oder des Anlagenpasses des BSW/ZVEH.
Basis für den Bau von Anlagen sind die VDE-Bestimmungen und die DIN-Normen. Je nach Anlagengröße, Standort und Lage sowie nach gewähltem Schutzkonzept müssen die hierfür einschlägigen Regeln der Technik berücksichtigt und eingehalten werden.
Einige Stichworte sollen die Bandbreite der gewählten Schutzkonzepte darstellen:
Aufdachanlagen: berührbar, nicht berührbar, in reiner Schutzklasse II oder mit Potentialausgleich oder Funktionserdung, Einbeziehung in das Hauserdungskonzept, Blitzschutz wegen prädestinierter Lage, kommt die Anlage durch die Aufständerung in prädestinierte Lage usw.,
Freiflächenanlagen: berührbar, nicht berührbar, abgetrennt als abgeschlossene elektrische Betriebsstätten, im Niederspannungsbereich oder schon im Mittelspannungsbereich, Erdungskonzept usw.
Zu verwendende Komponenten
Besonderes Augenmerk sollte auf die verwendeten Komponenten einer Anlage gelegt werden. Alle Komponenten sollten von einem unabhängigen und akkreditierten Prüfinstitut geprüft worden sein.
Aber hier ist Vorsicht geboten. Es sind Firmen auf dem Markt, von deren Seriosität man sich erst überzeugen sollte. So sind Zertifizierungen von PV-Modulen nach der EMV- oder der RHoS-Richtlinie (die beide auf Module nicht anwendbar sind) oder das Versprechen, die Modulprüfungen und die anschließende Zertifizierung in einem Zeitraum von max. 2 Monaten durchzuführen (die rein physikalische Prüfung nach Norm dauert 14 Wochen!), ebenso abwegig wie die Prüfung von Wechselrichtern nach IEC 61950. Das ist die Norm für IT-Geräte, und manche Prüfhäuser haben diese als Grundlage genommen, weil an den meisten Wechselrichtern auch eine IT-Schnittstelle vorhanden ist.
PV-Module
Derzeit werden Photovoltaikmodule überwiegend nach den „Qualitätsstandards“ EN/IEC 61215 (kristalline Module) bzw. EN/IEC 61646 (Dünnfilm-Module) getestet und bewertet. In diesen Normen sind der Aufbau der Testanlagen, der Ablauf der Tests und die Kriterien der Bewertung, nach denen dann ein Zertifikat von einem dafür akkreditierten Institut vergeben wird, festgelegt. So müssen die Module u. a. folgenden Belastungen standhalten:
- 1000 Stunden bei 85 °C und 85 % rel. Feuchte in der Klimakammer,
- 200 Zyklen zwischen – 40 °C und + 85 °C,
- Beschuss mit Hagelkörnern,
- mechanische Belastung von 2400 bzw. 5400 Pa.
Diese Standards stehen allerdings in keiner Beziehung zu den bestehenden europäischen Richtlinien (z. B. zur Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG) und sind somit für die Ableitung einer sicherheitstechnischen Aussage (Vermutungsprinzip) und zur Anbringung der CE-Kennzeichnung nicht geeignet.
- Zur Abdeckung der sicherheitstechnischen Anforderungen sind
- die beiden Normen EN/IEC 61730-1 und 61730-2 erarbeitet worden.
In ihnen sind Anforderungen festgelegt wie
- die Entflammbarkeit von Rückseitenfolien,
- die Isolationsfestigkeit der verwendeten Materialien,
- die Größe der Anschlussdose sowie
- der Querschnitt von Leitern.
Diese beiden Normen sind verbindliche (gelistete) Normen mit Bezug zur EU-Richtlinie. Die Erfüllung der Anforderungen dieser Normen ist die Voraussetzung für die Konformitätserklärung und die Anbringung der CE-Kennzeichnung auf dem Produkt. Diese Kennzeichnung ist mit Inkraftsetzung dieser Normen verpflichtend. Die reine Prüfung nach Schutzklasse II ist seit 1. Juni 2006 nicht mehr ausreichend für die CE-Kennzeichnung!
Wechselrichter
Die Prüfung der Wechselrichter muss nach DIN EN 50178 (VDE 0160), IEC 62103 in Verbindung mit E IEC 62109 erfolgen. Die Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) und die Beurteilung der Netzrückwirkung erfolgen nach EN 61000-6-2 und EN 61000-6-3.
Hierin sind Anforderungen festgelegt wie
- Festlegung der Überspannungskategorie,
- Schutz bei direktem Berühren,
- Schutz bei indirektem Berühren,
- Ableitströme,
- Isolierung,
- Luft- und Kriechstrecken,
- Umgebungsanforderungen und -bedingungen,
- Brandschutz,
- Aufschriften, Kennzeichnung und Unterlagen.
Befestigungssysteme
Aufbau und Statik
Aufbau und Auslegung sowie die Standsicherheit der Konstruktion müssen DIN 1055-4, DIN 1055-5, DIN 1055-100 und EC1 T.2-4 entsprechen.
Die Einsatzbereiche (Modulabmessungen, Dachkonstruktion, Dachneigung) sowie die Grenzbelastung und die Flächengewichte müssen angegeben sein.
Für die verschiedenen Dacharten müssen Dimensionierungstabellen mit Angabe der zu wählenden Einzelkomponenten vorhanden sein.
Der Hersteller muss geeignete statische Berechnungen (als Kopien oder als EDV-Programm) bzw. Zulassungen zur Verfügung stellen. Die Berechnungen werden entsprechend dem „Stand der Technik“ des Bauingenieurwesens beurteilt.
Wetter- und Korrosionsbeständigkeit
Die Wetter- und Korrosionsbeständigkeit muss mindestens 20 Jahre lang einen Schutz gegen korrosionsbedingtes Bauteilversagen garantieren. Diese Aspekte werden mit folgenden Prüfverfahren ermittelt:
- DIN ISO 6988 (Schwefeldioxid/24 h),
- DIN EN 60068-2-11 (Mischgas oder Salznebel/10 Tage).
Handhabbarkeit
Die sichere und verletzungsfreie Handhabbarkeit muss gewährleistet sein.
Es dürfen keine scharfen Ecken und Kanten vorhanden sein, eine gute Modulaustauschbarkeit muss gewährleistet sein.
Kabel und Steckverbinder
- IEC 61984:2001
- Sicherheitsanforderungen für elektrische, mechanische, materialspezifische, temperaturabhängige Eigenschaften
- Gebrauchstauglichkeit für Spannungen zwischen 50 und 1000 V und Stromstärken pro Kontakt bis 125 A
- Haltbarkeit des Steckeraufdrucks
Schutzarten für Gehäuse - DIN EN 60529 Ed. 2.1 - Sicherheitsanforderungen für den Schutz vor dem Eindringen von Feuchtigkeit und Staub, z. B. bei Wechselrichtern IP54 oder IP65 (IP5X = staubgeschützt, IP6X = staubdicht, IPX4 = Spritzwasserschutz, IPX5 = Strahlwasserschutz)
Stromzähler
- DIN EN 62052-11-2003
- Typprüfungen für Elektrizitätszähler für 50- oder 60-Hz-Netze bis 600 V
- Anforderungen an Gehäuse, Zählerlaufschritte, Anzeige der Werte
Potentialausgleich
- Montagesysteme müssen durch geeignete, im System vorhandene Bauteile in einen vorhandenen Potentialausgleich bzw. in ein Blitzschutzsystem einbezogen werden können und deren Wirksamkeit nachweisen.
- Dies muss durch geeignete Materialwahl im Gestell und in allen Verbindungen durchgehend gewährleistet sein.
Blitzschutz
- VDE 0185-305-1,-2,-3,-4
- DIN EN 62305-1,-2,-3,-4
- Regelwerk zur Absicherung von inneren und äußeren Blitzschäden
- Teil 2 betrifft die Risikoabschätzung für Gebäude
- Teil 3 befasst sich mit den Schutzmöglichkeiten
Bau und Inbetriebnahme
Die Überprüfung erfolgt anhand der Forderungen in der Norm VDE 0100 Teil 712. Sie ist eine „Rechtsnorm“ mit Festlegungen bez. Schutzmaßnahmen, Betriebsbedingungen und Erdungsanlagen. Dies betrifft ebenfalls Betriebsstätten, Räume und Anlagen.
Haftung und Verantwortung
Jeder Hersteller bzw. Importeur eines Produktes haftet in Europa für Schäden an Menschen, Tieren und Sachen, die durch sein Produkt entstehen. Das Produkt „Photovoltaikanlage bzw. Solarkraftwerk“ entsteht durch den Zusammenbau verschiedener Komponenten.
Deshalb hat letztlich der Installateur zu gewährleisten, dass die installierten Produkte und Anlagen dem derzeitigen Stand der Technik entsprechen und die Installation die Anforderungen der Netzbetreiber und der VDE-Bestimmungen einhält.
Dies geht aus der Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG hervor, in Deutschland umgesetzt in das am 1. Mai 2004 in Kraft getretene „Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG)“. Durch die Ausweitung der Haftung auf alle „Inverkehrbringer“ werden der Hersteller, der Händler und der Installateur in die Produkthaftungskette einbezogen. (Nach dem alten GSG war nur der „erstmalige Inverkehrbringer“, in der Regel der Hersteller eines Produktes bzw. der Komponente, haftbar.)
Beurteilung einer Installation
Wie eingangs ausgeführt, erachten wir, das VDE-Institut in Offenbach am Main, für Anlagen auf Privathäusern und Gewerbeimmobilien die Abnahme der Anlage durch den installierenden Handwerksbetrieb, am besten nach den Regeln des RAL-Gütezeichens oder des Anlagenpasses des BSW/ZVEH, für ausreichend.
Allerdings sollten bei diesen Abnahmen dann auch interdisziplinäre Fachleute vorhanden sein. So schneiden nach unserer Erfahrung Installationen durch Elektrofachbetriebe bez. der Ausführung der elektrischen Installation naturgemäß am besten ab, dagegen lässt die Beachtung der statischen Vorschriften (z. B. Anzahl der Dachhaken) häufig zu wünschen übrig. Hier liegt z. B. das Dachdeckerhandwerk eindeutig an der Spitze.
Bei der Abnahme von Anlagen zur industriellen Stromerzeugung stehen andere Gesichtspunkte mehr im Fokus. Hier fordern in letzter Zeit die Kreditinstitute und die Versicherer teilweise umfangreiche Tätigkeiten zur Sicherung der Qualität, die in der Regel von Fachleuten aus unabhängigen Instituten durchgeführt werden. Diese umfassen die Zertifizierung der Hersteller nach ISO 9001 sowie die Inspizierung des Produktionsunternehmens bis hin zur Überwachung der Produktion der für ein bestimmtes Projekt gefertigten Komponenten und anschließende „pre-shipment control“ im absendenden und ankommenden Hafen.
Eine weitere Anforderung ist die Begutachtung der installierten Anlage. Hier kontrolliert z. B. das VDE-Institut in Offenbach im Rahmen der Bewertung der Gesamtanlage auf Einhaltung des aktuellen Standes der Technik (elektrische Sicherheit, Brandschutz und Statik) folgende Aspekte:
- Unterkonstruktion und Befestigungssystem,
- Blitzschutz und Erdung, Potentialausgleich (sofern erforderlich),
- Leitungsführung und Dimensionierung, Steckverbindungen,
- Schalt- und Schutzeinrichtungen,
- Verteiler- und Anschlusskasten,
- Wechselrichter (Dimensionierung, Unterbringung und Anordnung),
- Transformator, Schaltanlage, Messeinrichtung und Übergabestation,
- Messung des Isolationswiderstandes an ausgewählten Strängen,
- stichprobenartige Messung der Ströme und Spannungen der Stränge des Generators,
- Messung des Erdungswiderstandes an sicherheitsrelevanten Stellen der Anlage.
Hierbei festgestellte Mängel müssen anschließend beseitigt werden.
Es folgen Beispiele für typische Mängel, z. B. werden völlig verrostete Erdungs-/Potentialausgleichsklemmen verwendet (Bild 2). Bei Leitungsdimensionierungen wird auf Grund des Fehlens entsprechender Leitungen improvisiert (Bild 3). Leitungsführungen werden schlecht geplant, wodurch ein erhebliches Beschädigungspotential an den Leitungen entstehen kann (Bild 4). Nicht richtig verlegte und befestigte Verbindungsleitungen können dazu führen, dass die Feuchtigkeit immer die Steckverbinder belastet (Bild 5). In Verteilerkästen befindet sich Feuchtigkeit, weil sie bei feuchten Außenbedingungen (frühmorgens oder bei Nebel) verschlossen wurden (Bild 6). Es werden falsche Komponenten (z. B. Anschlussklemmen) verwendet (Bild 7).
Wie an den Beispielen zu sehen ist, kann man nicht davon ausgehen, dass allein die Verwendung zertifizierter Komponenten ausreichend ist, um daraus eine Anlage zu bauen, die dem „Stand der Technik“ entspricht. Gerade bei größeren Anlagen (für kleinere gilt allerdings das Gleiche) ist der Ertrag und damit die Rentabilität entscheidend davon abhängig, wie die Anlage installiert wurde. Wer bedenkt, dass die Gewährleistungspflicht gegenüber dem Erbauer der Anlage nach 2 Jahren erlischt, sollte sich durch eine neutrale und unabhängige Abnahme der Anlage absichern, dass er sein Geld nicht in den Sand gesetzt hat. Wir vom VDE-Institut empfehlen deshalb eine weitere Begutachtung der Anlage kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist.