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Energetische Selektivität in Niederspannungsnetzen - Teil 2

Veröffentlicht: 23. September 2011 Kategorie: Fachartikel

Techniken der Kurzschlussselektivität

Energetische Selektivität in Niederspannungsnetzen - Teil 2
Techniken der Kurzschlussselektivität
Mehrere Techniken ermöglichen das Erreichen des Ziels der Selektivität zwischen zwei Schaltgeräten: - Stromselektivität,
- Zeitselektivität,
- "SELLIM"-Selektivität,
- Logische Selektivität
- Energieselektivität

Stromselektivität
Die Stromselektivität ergibt sich aus der Abweichung zwischen den Schwellwerten der Schnellauslöser oder Auslöser mit kurzer Verzögerung aufeinander folgender Leistungsschalter. Sie wird vor allem in der Endverteilung angewendet und erfordert schnelle Leistungsschalter ohne Abschaltverzögerung. Sie wird für Kurzschlüsse angewendet und bewirkt in der Regel eine Teilselektivität. Sie ist desto wirksamer, je verschiedener die Fehlerströme wegen des nicht vernachlässigbaren Widerstandes der Leitungen mit kleinem Querschnitt sind, je nachdem, wo sie im Netz auftreten, (siehe Abb. 4).

Der Selektivitätsbereich ist desto größer, je größer der Abstand zwischen den Schwellwerten der Schnellauslöser von D1 und von D2 ist, und je weiter die Fehlerstelle von D2 entfernt ist (Icc niedrig < Iins von D1 ). Das minimale Verhältnis zwischen Iins1 und Iins2 beträgt 1,5, um die Genauigkeit der Schwellwerte zu berücksichtigen.



Zeitselektivität
Um eine vollständige Selektivität gewährleisten zu können, dürfen sich die Auslösekennlinien der beiden Leistungsschalter unabhängig vom Wert des prospektiven Kurzschlussstroms an keiner Stelle überdecken. Für hohe Fehlerströme ist die vollständige Selektivität gewährleistet, wenn sich die beiden horizontalen Teile der Kennlinien rechts von Iins1 voneinander unterscheiden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden mehrere Lösungen angewendet:
  • Die klassische Lösung besteht darin, Selektiv-Leistungsschalter zu wählen, die mit einer Verzögerungseinrichtung versehen sind.
  • Die zweite Lösung ist nur in der letzten Ebene einer Verteilung anwendbar und besteht darin, einen strombegrenzenden Leistungsschalter zu verwenden.
Anwendung von Selektiv-Leistungsschaltern
Der Begriff «Selektiv» hat zwei Bedeutungen:
  1. Der Auslöser des Leistungsschalters ist mit einer festen oder einstellbaren Verzögerungseinrichtung ausgerüstet.
  2. Die Anlage und der Leistungsschalter sind in der Lage, den Kurzschlussstrom während der Dauer der Verzögerungszeit auszuhalten (thermisches und elektrodynamisches Verhalten).
Einem Selektiv-Leistungsschalter wird normalerweise ein anderer Selektiv- Leistungsschalter vorgeschaltet, dessen Verzögerung größer ist. Die Anwendung dieser Art von Leistungsschaltern, die der Zeitselektivität entspricht, führt beim Auftreten eines Kurzschlussstroms zu Gesamt-Ausschaltzeiten von über 20 ms (eine Periode), wobei einige hundert Millisekunden erreicht werden können (siehe Abb. 5). Wenn die Anlage (und eventuell der Leistungsschalter) nicht in der Lage ist, während der Verzögerungszeit einen hohen Icc auszuhalten, muss der Leistungsschalter D1 mit einem Schnellauslöser mit hohem Schwellwert (DIN) ausgerüstet werden. In diesem Fall beschränkt sich der Selektivitätsbereich auf den Schwellwert der DIN des vorgeordneten Leistungsschalters (siehe Abb. 5).

Verwendung von strombegrenzenden Leistungsschaltern und «Pseudo- Zeitselektivität
Diese Leistungsschalter sind gekennzeichnet durch:
  • die Tatsache, dass sie den Kurzschlussstrom dank ihrer schnellen Kontaktöffnung und hohen Lichtbogenspannung
  • die Tatsache, dass sie desto schneller abschalten, je größer der prospektive Kurzschlussstrom ist.
Somit ermöglicht die Wahl eines vorgeschalteten strombegrenzenden Leistungsschalters eine «Pseudo-Zeitselektivität » zwischen zwei Schutzebenen. Diese Lösung gestattet überdies wegen ihrer Strombegrenzung und Schnelligkeit der Abschaltung des Fehlers eine Begrenzung der thermischen und elektrodynamischen Beanspruchungen der Anlage (siehe Abb. 6).



«SELLIM»-Selektivität
Das «SELLIM»-System bietet mehrere Vorteile:
  • Selektivität
  • Kaskadenschaltung
  • Reduktion der Beanspruchungen der Anlage
Es besteht darin, einem schnellen Leistungsschalter D2 einen ultrastrombegrenzenden Leistungsschalter D1 vorzuschalten, der mit einem speziellen Auslöser ausgerüstet ist, der die Besonderheit hat, während der ersten Halbwelle des Fehlerstoms nicht anzusprechen (siehe Abb. 7) Ein bei B anstehender Fehler wird von beiden Leistungsschaltern erfasst. Der mit einem Schnellauslöser ausgerüstete D2 öffnet sich, sobald der Kurzschlussstrom größer als seine Auslöseschwelle ist, und schaltet den Fehler in weniger als einer Halbperiode ab. D1 stellt nur eine Stromwelle fest und spricht nicht an. Der Kurzschlussstrom bewirkt jedoch das Abheben der Kontakte, was den Strom und die daraus entstehenden Beanspruchungen begrenzt. Diese Kurzschlussstrombegrenzung gestattet nachgeordnete Leistungsschalter, deren Ausschaltvermögen niedriger ist als der prospektive Kurzschlussstrom. Ein Fehler bei A bewirkt ein Abheben der Kontakte des strombegrenzenden Leistungsschalters, was eine Begrenzung der Beanspruchungen durch den Kurzschlussstrom und das Öffnen von D1 nach der zweiten Halbwelle des begrenzten Stroms zur Folge hat.



Logische Selektivität
Die logische Selektivität erfordert eine Informationsübermittlung zwischen den Auslösern der Leistungsschalter der einzelnen Ebenen der strahlenförmigen Verteilung. Das Prinzip ist einfach (siehe Abb. 8):
  • Alle Auslöser, die einen Strom feststellen, der höher ist als ihr Auslöse- Abb. 9: Beispiel für die Anwendung der verschiedenen Selektivitätsarten. Schwellwert, senden an den unmittelbar vorgeordneten Auslöser einen logischen Wartebefehl.
  • Der Auslöser des unmittelbar vor dem Kurzschluss angeordneten Leistungsschalters erhält keinen Wartebefehl und spricht sofort an.
Somit bleiben auf allen Ebenen der Verteilung die Zeiten für die Abschaltung eines Fehlers kurz. Die logische Selektivität kann für NSSelektiv- Leistungsschalter für hohe Ströme angewendet werden und gelangt insbesondere in industriellen HSNetzen zum Einsatz. Für weitere Einzelheiten siehe Technisches Heft Nr. 2 «Protection des réseaux par le système de sélectivité logique».



Anwendung der verschiedenen Selektivitätsarten
Die oben vorgestellten verschiedenen Selektivitätsarten werden gewöhnlich miteinander kombiniert, um die beste Verfügbarkeit der elektrischen Energie zu erhalten. Ein Beispiel ist in der Abbildung 9 dargestellt. Selektivitätsuntersuchungen werden heute mit Hilfe von Tabellen durchgeführt, die von den Herstellern geliefert werden. Diese zeigen für jede Leistungsschalterkombination und für jeden ihrer Auslöser die Selektivitätsgrenzen. Die sich aus einer eventuell fehlenden Selektivität und der Gerätewahl ergebenden Kosten werden berücksichtigt. Die im folgenden Kapitel vorgestellte Energieselektivität ist eine Neuerung, welche die Projektierung von NS-Verteilungen wesentlich vereinfacht und die Möglichkeit bietet, mit den niedrigsten Kosten über mehrere Ebenen eine vollständige Selektivität zu erhalten.