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Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien
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Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien

Der Studie des Büros für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH (BET Aachen) zufolge kann der produzierte Strom aus regenerativen Kraftwerken momentan problemlos ins System integriert werden. Ab dem Jahr 2020 käme es jedoch zu ersten Überschüssen Erneuerbarer Energien, die entweder durch Lastmanagement verlagert, gespeichert oder abgeregelt werden müssten.

Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Studie im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie Auftraggeber: Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. Auftragnehmer: BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH Alfonsstraße 44 52070 Aachen www.bet-aachen.de Autoren: Dr.-Ing. Norbert Krzikalla, Siggi Achner, Stefan Brühl, BET

2 Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH BET ist ein führendes Beratungsunternehmen für die Energie- und Wasserwirtschaft. Das Unternehmen wurde 1988 von Dr. Wolfgang Zander und Dr. Michael Ritzau in Aachen gegründet, die auch bis heute als Geschäftsführer tätig sind. Gesellschafter sind aus- schließlich die beiden Geschäftsführer sowie weitere leitende Mitarbeiter. Zu den BET-Kunden gehören kommunale, regionale und private Energieversorger, Energiehändler, Kraft- werksbetreiber, Unternehmenskooperationen, Indus- trie- und Gewerbe-betriebe, Finanzinvestoren, Kom- munen und Ministerien, nationale und internationale Aufsichtsbehörden, Wissenschafts- und Forschungs- einrichtungen sowie politische Entscheidungsträger. Der Kernmarkt der BET ist Deutschland. Zunehmend werden Beratungsleistungen im europäischen Aus- land erbracht. Das Beratungsgeschäft von BET ist auf die Ge- schäftsbereiche Netzberatung, Marktberatung und Managementberatung verteilt. Das erfahrene Exper- tenteam aus mehr als 100 Ingenieuren, Wirtschafts- ingenieuren und Ökonomen leistet hoch qualifizierte Beratung über die gesamte Wertschöpfungskette der Energie- und Wasserwirtschaft: Von der Gewinnung bzw. Erzeugung über den regulierten Netzzugang bis zum Handel und Vertrieb. Die Projektteams werden in aller Regel interdisziplinär und geschäftsbereichsü- bergreifend besetzt, so dass für die Kunden eine enge Verzahnung von Beratungskompetenz garantiert ist. BET hat in seiner Entwicklung die Liberalisierung und Regulierung des Energiemarktes entscheidend mit- geprägt. Eine interdisziplinäre technische, wirtschaft- liche und energiewirtschaftliche Analyse steht dabei im Vordergrund des Beratungsansatzes. Aufbauend auf einer langjährigen Erfahrung im Rahmen der Re- kommunalisierung der Strom- und Gasversorgung, der technischen Planung von Anlagen und Netzen so- wie der Entwicklung von Energieversorgungskonzep- Vorstellung der Projektpartner ten hat BET sein Tätigkeitsfeld kontinuierlich erweitert. Meilensteine in der Entwicklung der BET waren die Entwicklung einer Netzzugangsverordnung im Jahr 1995, die Beurteilung der Wettbewerbsentwicklung für das Bundesministerium für Wirtschaft und die Ent- wicklung des heutigen deutschen Gasnetzzugangs- modells in 2003. Aufgrund der ausgewiesenen energiewirtschaft- lichen Expertise von BET hat sich darüber hinaus in den vergangenen Jahren die Transaktionsberatung, die Bewertung von Unternehmen und einzelnen As- sets und die Gestaltung von Organisationen als Be- ratungsschwerpunkt herausgebildet. Von operativen Unterstützungsleistungen bis hin zur strategisch-wirt- schaftlichen Unternehmensberatung ist BET in allen Wertschöpfungsstufen und Sparten tätig. BET agiert unabhängig. Die Beratung erfolgt frei von persönlichen oder politischen Interessen . Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche bündelt der BEE die Interessen von 25 Verbänden und Organisationen mit 30.000 Einzelmitgliedern, da- runter mehr als 5.000 Unternehmen. Ziel des BEE ist die vollständige Umstellung der En- ergieversorgung auf Erneuerbare Energien in den Bereichen Strom, Wärme und Kälte sowie Mobilität. Hierzu setzt sich der Verband insbesondere für die Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien ein. Lichtblick LichtBlick ist der größte konzernunabhängige Ener- gieanbieter Deutschlands, der konsequent auf grüne Energie setzt. Mit über 600.000 Kunden ist LichtBlick Marktführer für Ökostrom und Ökogas. Das Unterneh-

3 men setzt auf intelligente Energie: Mit SchwarmStrom hat LichtBlick eine innovative Lösung für die dezen- trale und erneuerbare Energie der Zukunft entwickelt. Seit 2011 setzt LichtBlick zudem Blockheizkraftwerke (ZuhauseKraftwerke) ein, vernetzt und steuert diese flexibel nach den Bedürfnissen des Strommarktes. Der SchwarmStrom wird dann erzeugt, wenn bei Flaute oder Bewölkung nicht ausreichend Wind- und Sonnenstrom ins Netz fließt. SchwarmStrom ergänzt ideal die wetterbedingt schwankende Stromproduk- tion der erneuerbaren Energien. In Zukunft sollen die ZuhauseKraftwerke darüber hinaus in Verbindung mit Speichern einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Enercon Mit der Unternehmensgründung 1984 begann Di- plomingenieur Aloys Wobben die ökonomisch- ökologische Erfolgsgeschichte von ENERCON. Ein kleines Team von Ingenieuren entwickelte die erste E-15/16 mit 55 kW Nennleistung. Waren die ersten Anlagengenerationen noch mit Getriebe ausgestat- tet, folgte 1992 mit der ENERCON E-40/500 kW der konsequente Umstieg auf die getriebelose Anlagen- technik. Das innovative Antriebssystem aus wenigen drehenden Bauteilen ermöglicht einen nahezu rei- bungslosen Energiefluss. Leistung und Zuverlässig- keit dieses Systems sind vorbildlich. Die mechanische Belastung, die Betriebskosten und der Wartungsauf- wand werden reduziert, die Lebensdauer der Anlagen wird erhöht. Das bewährte Anlagenkonzept ist heute kennzeich- nend für alle ENERCON Windenergieanlagen. Neue Anlagengenerationen entstehen durch die stetige Weiterentwicklung aller Komponenten und bieten dem Kunden ein technologisch ausgereiftes Produkt. Beispielhaft für die neueste technologische Innovati- on ist die im Jahr 2004 eingeführte neue Rotorblatt- geometrie, die die Ertragswerte signifikant erhöht, die Schallemission verringert und die auf die Windener- gieanlage einwirkenden Lasten reduziert. Alle ENERCON Windenergieanlagen verfügen über ein Netzeinspeisesystem, das die neuesten Netzan- schlussbedingungen erfüllt und somit problemlos in alle Versorgungs- und Verteilerstrukturen integriert werden kann. Das ENERCON Konzept weist Mög- lichkeiten sowohl für kritische Situationen durch Netzkurzschlüsse oder Engpässe als auch für den Normalbetrieb wie Blindleistungsmanagement und Spannungsregelung auf. Mit seinen technologischen Innovationen setzt ENER- CON seit nun mehr als 25 Jahren neue Maßstäbe. Als eines der weltweit führenden Unternehmen im Be- reich Windenergie mit langjähriger Marktführerschaft in Deutschland beschäftigt ENERCON weltweit direkt und indirekt mittlerweile mehr als 13.000 Menschen. Mit mehr als 20.000 installierten Windenergieanlagen in über 30 Ländern zählt ENERCON auch internati- onal zu den führenden Herstellern. Forschung und Entwicklung, Produktion und Vertrieb werden konti- nuierlich ausgebaut. Für das Jahr 2013 rechnet das Unternehmen mit einem Exportanteil von über 60 % und einer sukzessiven Steigerung in den kommenden Jahren.

4 Vorstellung der Projektpartner ............................................................................................................ 2 Ergebniszusammenfassung .............................................................................................................. 8 1 Aufgabenstellung ....................................................................................................................... 11 2 Ermittlung des Bedarfs an Ausgleichsmaßnahmen ................................................................... 13 2.1 Vorgehensweise .................................................................................................................. 13 2.2 Residuallastanalyse.............................................................................................................. 15 2.3 Analyse der Gradienten der Residuallast ............................................................................. 21 3 Relevante Technologien und Maßnahmen ................................................................................. 27 3.1 Lastmanagement ................................................................................................................. 28 3.1.1 Flexibilisierung der Nachfrage in der Industrie .......................................................... 28 3.1.2 Flexibilisierung der Nachfrage in Haushalten und Kleinverbrauch ............................. 31 3.1.3 Überschussstrom zu Wärme .................................................................................... 36 3.2 Bedarfsgerechtere EE-Stromerzeugung .............................................................................. 37 3.2.1 Einspeisemanagement Wind & PV ........................................................................... 37 3.2.2 Strombedarfsgerechte Fahrweise von Laufwasserkraftanlagen ................................ 39 3.2.3 Strombedarfsgerechte Fahrweise Biomasse ............................................................. 41 3.2.4 Verbesserte Auslegung von Wind- und PV-Anlagen .................................................. 44 3.3 konventionelle Kraftwerke (inkl. KWK) .................................................................................. 47 3.3.1 Bestehende Kraftwerke ........................................................................................... 47 3.3.2 Retrofit bestehender Kraftwerke .............................................................................. 49 3.3.3 Neubau hochflexibler thermischer Kraftwerke .......................................................... 51 3.3.4 Stromgeführte Fahrweise KWK (in Verbindung mit Wärmespeichern) ....................... 53 3.3.5 Nutzung von Netzersatzanlagen ............................................................................... 57 3.4 Stromspeicher .................................................................................................................... 59 3.4.1 Pumpspeicher in Deutschland ................................................................................. 59 3.4.2 Pumpspeicher im Ausland ....................................................................................... 62 3.4.3 Batterien .................................................................................................................. 63 3.4.3.1 Blei-Säure-Akkumulator .............................................................................. 64 3.4.3.2 Lithium-Ionen-Akkumulator ......................................................................... 66 3.4.3.3 Redox-Flow-Batterien ................................................................................. 67 3.4.3.4 Zusammenfassende Bewertung Batteriespeicher ....................................... 68 3.4.4 Druckluftspeicher ...................................................................................................... 68 3.4.5 Power to Gas ........................................................................................................... 70 3.5 Zusammenfassung Speicher ............................................................................................... 77 4 Interdependenzen mit anderen Modulen ................................................................................... 81 5 Zusammenfassung und Fazit ..................................................................................................... 84 6 Literatur ...................................................................................................................................... 92 Außerdem verwendete Literatur .................................................................................................. 93 Inhaltsverzeichnis

5 Abbildung 29: Flexibilität von Kraftwerken [15] ................................................................................ 48 Abbildung 30: „Sterbelinie“ bestehender Kraftwerke; Quelle: BET-Kraftwerksdatenbank .............. 49 Abbildung 31: Flexibilisierungsoptionen KWK-Anlage ..................................................................... 53 Abbildung 32: Engpassleistung und Stromerzeugung AGFW-„eigener“ KWK-Anlagen .................. 55 Abbildung 33: KWK-Stromerzeugung in Deutschland 2011; Quelle: BDEW ................................... 55 Abbildung 34: Kosten von Fernwärmespeichern; Quelle: Mauch, W., FfE, 2012 [20] ...................... 57 Abbildung 35: Einsatzbereiche verschiedener Speichertechnologien [23] ..................................... 60 Abbildung 36: Prozessschritte Power to Gas [34] ............................................................................ 70 Abbildung 37: Eigenschaften und Kosten von Stromspeichertechnologien .................................... 78 Abbildung 38: Kosten kurzfristiger Stromspeicherung..................................................................... 78 Abbildung 39: Kosten langfristiger Stromspeicherung..................................................................... 79 Abbildung 40: Übersicht der Module und Querschnittsfragen [Quelle: BEE] ................................... 81 Abbildung 41: Einsatz der Flexibilitätsoptionen auf der Zeitschiene nach den Kriterien Bedarf und Kosteneffizienz (ohne Berücksichtigung von Netzrestriktionen) ............................ 86 Abbildung 42: Systemrelevanz der Ausgleichsoptionen; Bewertungskriterien: Kostenef- fizienz, Potenzial, technische Reife ........................................................................................... 87 Tabelle 1: Übersicht der Flexibilitätsoptionen .................................................................................... 9 Tabelle 2: BEE-Ausbauszenario Erneuerbare Energien .................................................................... 15 Tabelle 3: Vergleich der Reaktortypen zur katalytischen Methanisierung [37] ................................. 72 Tabelle 4: Überblick CO2-Quellen und Potenziale für Methanisierung [36] ..................................... 75 Tabelle 6: Investitionskostenübersicht Elektrolyseure nach Smolinka 2011 [35] ............................. 75

6 Abbildung 1: Einsatz der Flexibilitätsoptionen auf der Zeitschiene nach den Kriterien Bedarf und Kosteneffizienz (ohne Berücksichtigung von Netzrestriktionen) ............................ 10 Abbildung 2: Übersicht der Module und Querschnittsfragen [Quelle: BEE] ..................................... 11 Abbildung 3: BEE-Ausbauszenario Erneuerbare Energien - Stromerzeugung................................. 14 Abbildung 4: BEE-Ausbauszenario Erneuerbare Energien – installierte elektrische Leistung ......... 14 Abbildung 5: EE-Erzeugung, Last und Residuallast 2012 ................................................................ 16 Abbildung 6: EE-Erzeugung, Last und Residuallast 2020 ................................................................ 16 Abbildung 7: EE-Erzeugung, Last und Residuallast 2030 ................................................................ 17 Abbildung 8: Geordnete Jahresdauerlinien der Residuallast ........................................................... 17 Abbildung 9: Maximale und minimale residuale Last ....................................................................... 18 Abbildung 10: Häufigkeit zusammenhängender Perioden mit negativer Residuallast 2020 – Stunden ......................................................................................................................... 19 Abbildung 11: Häufigkeit zusammenhängender Perioden mit negativer Residuallast 2020 – Strommenge .................................................................................................................. 19 Abbildung 12: Häufigkeit zusammenhängender Perioden mit negativer Residuallast 2030 – Stunden ......................................................................................................................... 20 Abbildung 13: Häufigkeit zusammenhängender Perioden mit negativer Residuallast 2030 – Strommenge .................................................................................................................. 20 Abbildung 14: PV-Einspeisung und Gradient an einem sonnigen Sommertag in 2020 .................. 21 Abbildung 15: Maximale Gradienten der Residuallast in GW/h ....................................................... 22 Abbildung 16: Maximale Gradienten der Residuallast in GW/4h ..................................................... 23 Abbildung 17: Häufigkeiten der Gradienten der Residuallast in GW/h ............................................ 24 Abbildung 18: Einfluss von Wind und PV auf den maximalen Gradienten der Residual- last in GW/h für das Jahr 2020 ................................................................................................. 24 Abbildung 19: Einfluss von Wind und PV auf den maximalen Gradienten der Residual- last in GW/h für das Jahr 2030 ................................................................................................. 25 Abbildung 21: Abfall der Windenergieeinspeisung beim Extremereignis Kyrill am 18.01.2007; Quelle: Ernst, B., Amprion GmbH, Windprognoseverfahren, 2009 [1] .................. 26 Abbildung 20: Beispieltag mit hohem Windgradient bei gleichzeitig hoher PV-Einspei- sung an einem Winter-Sonntag im Jahr 2020 ........................................................................... 26 Abbildung 22: Abschaltbare Lasten in der Industrie [3] ................................................................... 30 Abbildung 23: Potenzial für DSM in Haushalten [6] ......................................................................... 33 Abbildung 24: Abregeln versus Speichern ....................................................................................... 40 Abbildung 25: Flexibilisierung einer bestehenden Biogasanlage ..................................................... 42 Abbildung 26: Funktionsschema Biomethaneinspeisung ins Erdgasnetz ....................................... 42 Abbildung 27: Einfluss der Leistungsbegrenzung auf Arbeitsverlust und Vollbenutzungsstunden . 46 Abbildung 28: PV-Einspeiseprofile in Abhängigkeit von der Ausrichtung ........................................ 47 Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen

7 Die BEE Plattform Systemtransformation begleitet den anstehenden Umbau unserer Energieversorgung hin zu 100 Prozent Erneuerbare Energie. Die bishe- rigen Arbeiten und Diskussionen der Plattform haben im Kern zwei Ergebnisse: Für ein zukunftsfähiges Sys- tem- und Marktdesign ist es erstens entscheidend, dass die fluktuierenden Erneuerbaren Energien ins Zentrum der Überlegungen rücken. Zweitens muss die essenzielle Frage beantwortet werden, wie die schwankende Einspeisung aus diesen Quellen aus- geglichen werden kann. Deswegen haben wir uns bei der Studienvergabe zunächst diesen Fragen gewid- met. Nachdem mit der Kompassstudie Leitplanken für ein künftiges Marktdesign definiert wurden, setzen wir mit der vorliegenden Studie den Auftakt für die Betrach- tung der Ausgleichsmöglichkeiten. Für den Ausgleich fluktuierender Einspeisung steht ein bunter Strauß an Flexibilitätsoptionen zur Verfügung, mit denen wir ein sicheres, umweltverträgliches und bezahlbares Ener- giesystem schaffen können. Der BEE hat gemeinsam mit seinen Projektpartnern bewusst einen ganzheitlichen Ansatz gewählt und entsprechend beauftragt. Wir wollen zu Beginn der sachlichen Diskussion nicht bereits eine Option ge- gen andere ausspielen, sondern die Potenziale und Chancen, aber auch die Risiken und Hemmnisse der unterschiedlichen Optionen neutral aufführen. Wir freuen uns, dass wir mit dem Büro für Energiewirt- schaft und technische Planung GmbH (BET Aachen) einen Gutachter beauftragen konnten, der unsere Fragen zu diesem äußerst wichtigen Aspekt eines zukunftsfähigen Energiesystems mit großer Sorg- falt und breitem Sachverstand beantworten konnte. Wir möchten uns an dieser Stelle bei Herrn Dr. Kr- zikalla und seinem Team für ihre hervorragende Ar- beit bedanken. Unser Dank gilt zudem den beiden Hauptsponsoren, die Enercon GmbH und Lichtblick SE, sowie den Mitgliedsverbänden des BEE und al- len weiteren beteiligten Unternehmen für die einge- brachte Expertise und ihre Unterstützung für dieses Projekt. Nur dank der vielfältigen Beteiligung konnten wir diesen weiteren wichtigen Baustein erarbeiten. Wir möchten Sie herzlich einladen, mit uns in die Dis- kussion einzutreten und wünschen eine spannende Lektüre. Dietmar Schütz Präsident des BEE Vorwort

8 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Ergebniszusammenfassung In dieser Studie wurden die Möglichkeiten zum Aus- gleich der zunehmenden fluktuierenden Stromerzeu- gung aus Erneuerbaren Energien (EE) dargestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung und zeitlichen Einord- nung im Rahmen der Umsetzung der Energiewende bewertet. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das BEE-Szena- rio umsetzbar ist und auch bei sehr hohen Anteilen Erneuerbarer Energien ausreichende Flexibilitäten mobilisiert werden können, um die Systemstabilität zu gewährleisten. Bei der Ermittlung der Zeitpunkte, in denen die ein- zelnen Technologien zum Einsatz kommen sollen, wurde das EE-Ausbauszenario des BEE zugrunde gelegt. Vereinfachend wurde davon ausgegangen, dass das Stromnetz keine Restriktion darstellt, son- dern nach den Erfordernissen der EE-Erzeugung weitgehend ausgebaut wird. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Netzausbau aufgrund langer Genehmigungs- und Bauzeiten sowie aufgrund von Akzeptanzproblemen bei der Bevölkerung nicht über- all rechtzeitig im erforderlichen Umfang erfolgen wird. In diesen Fällen ist der Einsatz von einigen der im Folgenden dargestellten Ausgleichsmöglichkeiten im Zeitverlauf auch deutlich früher sinnvoll. Ausgleichs- effekte durch Stromaustausch mit dem Ausland wur- den hier nicht betrachtet. Es steht eine Reihe von Technologien für die Bereit- stellung von Flexibilität zur Verfügung, wobei die Bei- träge zur Flexibilisierung sehr unterschiedlich sind. Einige Techniken können Leistung für kurze oder län- gere Zeiträume zur Verfügung stellen, andere können negative Leistung liefern, indem Stromüberschüsse genutzt oder gespeichert werden, einige sind schnell, andere weniger schnell regelbar und eignen sich so- mit unterschiedlich gut zum Nachfahren von steilen Gradienten der Residuallast. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die Flexibilitätsop- tionen mit ihren wesentlichen Eigenschaften und einer Abschätzung des Potenzials. In Abbildung 1 ist dar- gestellt, wann die betrachteten Technologien im Zeit- verlauf sinnvollerweise zum Einsatz kommen sollten. Hierbei wurden sowohl der Bedarf an Flexibilität als auch die Kosteneffizienz berücksichtigt. Sofern keine Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden, kommt es, abgesehen von lokalen Netzeng- pässen, ab 2020 gelegentlich zu geringen Überschüs- sen Erneuerbarer Energien, die dann bis 2030 immer häufiger und über längere Zeiträume auftreten. Einige Maßnahmen sollten aber wegen der zum Teil langen Umsetzungsdauern bereits heute in die Wege geleitet werden, insbesondere solche, die mit geringen Ko- sten realisierbar sind. Ein Problem bei der Einführung der benötigten Tech- nologien sind die fehlenden wirtschaftlichen Anreize im derzeitigen Marktdesign und bei den derzeitigen Preisen für Strom am day ahead und am Regelener- giemarkt. Zur Beseitigung oder Abschwächung der Hemmnisse sollten durch die Politik die folgenden Maßnahmen kurzfristig umgesetzt werden: • Die stromgeführte Fahrweise von KWK-Anla- gen und Biomasseanlagen sollte stärker geför- dert werden, so dass die erforderlichen Zusat- zinvestitionen refinanziert werden können, z. B. durch die Erhöhung der Flexibilitätsprämie oder durch eine strombörsenpreisabhängig differen- zierte KWK- bzw. EEG-Förderung • Die Erschließung der Lastmanagementpoten- ziale in der Industrie sollte unterstützt werden, damit diese im Bedarfsfall bei entsprechenden Preissignalen schnell einsetzbar sind. • Beim Smart Meter Rollout sollten neben Haus- halten mit hohem Stromverbrauch auch Haus- halte mit elektrischen Wärmepumpen einbezo- gen werden. • Wegen der langen Vorlaufzeiten bei Planung und Errichtung von Kraftwerken und Strom- speichern sollte möglichst bald ein Konzept entwickelt werden, durch das mit dem entspre-

9 Geschätztes Potenzial 1) Dauer Schnellig- keit in % / min. Bemerkungen Demand Side Management (DSM) DSM Industrie +2 / -0,7 GW [DENA]; +0,5 / -4,4 GW [VDE]; kurzfristig 1 bis 4 Stunden 20-100% kurzfristig und kostengünstig nutzbares Potenzial; höheres Potenzial für Abschaltun- gen im Minutenbereich bzw. zu hohen Kosten DSM Haushalte ca. +0,6 GW / -2,3 GW bis 2030 einige Stunden 100% (ohne Wärmepumpen) DSM Haushalte – elektrische Wärmepumpen max. +0,45 GW (Winter) / -2,2 GW (Sommer) bis 2030 ca. 2 Stunden 100% Quelle: ecofys, prognos, 2011; Dauer mit Wärmespeicher auch länger Überschussstrom zu Wärme mehr als -10 GW; kurzfristig unbegrenzt 20-100% nur negative Leistung, abh. vom Wärmebedarf Erneuerbare Energien Einspeisemanagement Wind & PV „unbegrenzt“ unbegrenzt 100% nur negative Leistung; bei gedrosselter Fahrweise auch positive Regelleistung möglich Strombedarfsorientier- ter Einsatz Biogas und feste Biomasse max. +/ - 16 GW bis 2030 4 bis 12 Stunden 5-20% Strombedarfsorientier- ter Einsatz Biomethan Wochen bis Monate bei Einspeisung ins Erdgasnetz Kraftwerke und KWK Stromgeführter Einsatz KWK max. +/ - 25 GW bis 2020 4 bis 12 Stunden 5-20% auf Basis 20%-Ziel der Bundesregierung; davon ca. +9/-4,5 GW bereits flexibel eingesetzt Nutzung bestehender Kraftwerke heute ca. 80 GW unbegrenzt 1-2% Leistung abnehmend gemäß „Sterbelinie“ Retrofit bestehender Kraftwerke ca. +3 GW Delta zw. Pmin und Pmax bis 2020 unbegrenzt 4-8% Entscheidung für Retrofit nur wenn wirtschaftlich Neubau flexibler Kraftwerke unbegrenzt unbegrenzt 4-10% abh. von Technik, Gasturbinen auch schneller Nutzung Netzersatzanlagen geschätzt 5-8 GW bis 2020 einige Stunden 20-100% nur positive Leistung Stromspeicher Pumpspeicher (Deutschland) ca. 10 GW und 78 GWh bis 2020; langfristig bis zu 2 TWh Stunden bis Tage 50-100% geringe Energiedichte, einzige bewährte und kostengünstige Speichertechnologie , technisch auch als Langzeitspeicher geeignet, aber kein ausreichendes Potenzial Druckluftspeicher („CAES“) beliebig groß, ca. 0,8 – 2,5 TWh Bis 2030 Stunden bis Tage 20% adiabate CAES (Wirkungsgrad ca. 60-70%) noch in der Entwicklungsphase, rel. kostengünstig, weniger effizient und teurer als Pumpspeicher Batteriespeicher unbegrenzt Stunden bis Tage 100% teure Option, hohes Entwicklungs- und Kostensenkungspotenzial Power to Gas unbegrenzt Wochen bis Monate Nicht relevant aus heutiger Sicht einzige Langfristspeicher- option mit ausreichendem Potenzial, niedriger Wirkungsgrad (Strom zu Strom 30-45%), früherer Einsatz für Gaserzeugung für Verkehr Tabelle 1: Übersicht der Flexibilitätsoptionen 1) Potenzial positiv = Bereitstellung zusätzlicher Erzeugungsleistung bzw. Abschaltung von Lasten Potenzial negativ = Abschalten von Erzeugungsleistung bzw. Zuschaltung von Lasten

10 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien chenden zeitlichen Vorlauf Investitionsanreize für die Bereitstellung von Leistung entstehen. • Die Umweltauflagen in den wasserrechtlichen Vorschriften sollten im Hinblick auf die Nutzung der vorhandenen Wasserkraftpotenziale und die tatsächlichen ökologischen Folgen eingeschränkt wechselnder Wasserstände überprüft werden. • Regelungen, die in besonderem Maße die Um- setzung der Maßnahmen behindern, sollten hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit überprüft wer- den. Dies sind z. B.: • Befreiung von Netzentgelten bei hohem Ver- brauch und hohen Vollbenutzungsstunden (NetzentgeltVO §19) • Belastung von Stromverbrauchern, die Überschussstrom nutzen oder speichern, mit Netzentgelten und Umlagen • Mangelnde Zugangsmöglichkeiten für Er- neuerbare Energien und Lastmanagement- maßnahmen zum Regelenergiemarkt (um Must run Leistung zu reduzieren) • Forschung und Entwicklung im Bereich der Speichertechnologien sollten intensiv gefördert werden. Abbildung 1: Einsatz der Flexibilitätsoptionen auf der Zeitschiene nach den Kriterien Bedarf und Kosteneffizienz (ohne Berücksichtigung von Netzrestriktionen) 1 2010 2020 2030 2040 2050 DSM Industrie Überschussstrom zu Wärme DSM Haushalte, Gewerbe Pumpspeicher Einspeisemanagement Wind & PV Strombedarfsorientierter Einsatz Biogas und feste Biomasse Nutzung bestehender Kraftwerke Neue flexible Kraftwerke Nutzung Netzersatzanlagen Druckluftspeicher (?) Power to Gas (H 2 ) Batteriespeicher Flexibilitätssteigerung bestehender Kraftwerk e durch Retrofit Power to Gas (CH 4 ) EE-Erzeugung 1) 22% 47% 79% ca. 100% ca. 120% 1) % des Verbrauchs; die nutzbare EE-Erzeugung ist kleiner wegen Speicherverlusten. Strombedarfsorientierter Einsatz Biomethan (Einspeisung ins Erdgasnetz) Stromgeführte KWK 1. Die Reihenfolge der genannten Technologien stellt keine Wertung dar.

11 1 Aufgabenstellung Der Umbau der Energieversorgung hin zu einem Sys- tem mit hohem Anteil Erneuerbarer Energien (EE) stellt das Gesamtsystem vor neue Herausforderungen. Ins- besondere wird die Flexibilität des Systems, d. h. die Fähigkeiten, auf Erzeugungsschwankungen der Er- neuerbaren Energien zu reagieren, zunehmend erfor- derlich. In der „alten Welt“ wurden konventionelle Kraftwerke gemäß den nachfrageseitigen Anforderungen ge- fahren (Lastfolgebetrieb). Es gab Grund-, Mittel- und Spitzenlastkraftwerke. Dieses System funktioniert so- lange die EE einen relativ geringen Anteil an der Stro- merzeugung haben. Bei zunehmenden EE-Anteilen erhöhen sich die Schwankungen der Residuallast, die von den konventionellen Kraftwerken oder durch an- dere Maßnahmen auszugleichen sind. Spätestens in einem System mit 100 % EE stehen keine konventio- nellen Kraftwerke mehr zur Verfügung und muss der gesamte Ausgleich über Speicher, steuerbare EE und Lastmanagement erfolgen. Für diesen Ausgleich stehen diverse Optionen zur Verfügung, die sich hinsichtlich ihrer Merkmale deut- lich unterscheiden. Zu nennen sind z. B. technische Eigenschaften und Reife, Kosten, Potenziale, Verfüg- barkeit und ökologische Auswirkungen. Im Rahmen dieser Studie sind die Möglichkeiten für entsprechende Ausgleichsmaßnahmen aufzuzeigen und zu systematisieren. Die Eigenschaften der Fle- xibilitätsoptionen sind darzustellen und es ist eine Abschätzung vorzunehmen, wann die einzelnen Op- tionen in welchem Umfang sinnvollerweise genutzt werden. Die Untersuchung ist Bestandteil der BEE Plattform Systemtransformation, in der die gesamte Umset- zung der Energiewende mit ihren Wechselwirkungen betrachtet werden. Die Einordnung des Moduls „Aus- gleich“ in das Gesamtprojekt ist in Abbildung 2 dar- gestellt. Abbildung 2: Übersicht der Module und Querschnittsfragen [Quelle: BEE] Stand: 06.03.2013 I IN ARBEIT BEE  Pla'orm  Systemtransforma2on   Ziele,  Module  und  Planung   1 1 Übersicht  der  Module  und  Querschni2sfragen   Wärme   Speicher   Power-­‐to-­‐Gas   (Netz  Gas)   Mobilität   Nutzungspfade   BiokraEstoffe   Ausbau     E-­‐Mobilität   EE-­‐Prognose  2030   Potenziale   Marktdesign   Bedarfsdeckung?   Netzstabilität?   Kosten?   Interdependenzen?   Regionalität?   Akzeptanz?   Ausbau  EE-­‐Wärme   Gebäudeeffizienz   Preisbildung   bedarfsgerechte     EE-­‐Stromerzeugung   Börse   OTC   Rechtsrahmen   Zwischenwirken  /     Überschneidungen   Umweltbilanzen   Umbau   Förderstruktur   Kapazitäts   markt   Ausgleich   Flexibilitätsreserven  aus     dem  Wärmemarkt     Bedarf     konv  KW   EE-­‐Alloka[on   Lastmgt.   europäische  Ebene   fluktuierende/steuerbare  EE   Legende: grün = Querschnittsfragen , blau = modulare Fragenkomplexe , grau = Teilmodule bzw. Denkanstösse Übergang   Regionale  Verteilung   DSM   Eigentümerstruktur   Netzinfrastruktur   Um-­‐  und  Ausbau   Netz-­‐  /  Systemdienstleistungen   Flexibilitätsreserven  aus     dem  Mobilitätsbereich     1

12 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Die zu betrachtenden Flexibilitätsoptionen können wie folgt grob klassifiziert werden: • Lastmanagement • Bedarfsgerechte EE-Stromerzeugung • konventionelle Kraftwerke (inkl. KWK) • Speicher • Netzseitige Maßnahmen (Netzausbau, -verstär- kung) • Stromaustausch im EU-Verbund Die letzten beiden Maßnahmen werden hier nur am Rande betrachtet, da sie im Modul „Netzinfrastruktur“ der BEE Plattform Systemtransfor- mation detailliert behandelt werden. Ferner ist der Be- darf an Ausgleichsoptionen im Zeitverlauf zu eruieren, um in angemessenem Umfang auf die Systemverän- derungen vorbereitet zu sein. Schlussendlich ist zu analysieren, ob die derzeitigen Rahmenbedingungen ausreichende Anreize für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen bieten bzw. aufzuzeigen, welche Änderungen der Rahmen- bedingungen hierfür notwendig sind. 1

13 2 Ermittlung des Bedarfs an Ausgleichsmaßnahmen Der Ausgleich der fluktuierenden Erzeugung aus Er- neuerbaren Energien umfasst unterschiedliche Anfor- derungen an das Gesamtsystem: 1. Bereitstellung ausreichender Leistung bzw. Re- duktion der Verbrauchslast für Wetterlagen mit wenig Wind und Sonne 2. Bereitstellung dieser Leistung über definierte Zeitspannen (Extremfall: mehrwöchige Windf- laute) 3. Nutzung von EE-Überschüssen 4. Schnelle Regelfähigkeit zum Ausgleich hoher Gradienten der Residuallast Der Bedarf an Ausgleichsmaßnahmen wird künftig mit steigenden Anteilen der Stromerzeugung aus Er- neuerbaren Energien zunehmen. Bisher erfolgt dieser Ausgleich fast ausschließlich durch konventionelle Kraftwerke und Pumpspeicher, die sich in ihrer Be- triebsweise den Schwankungen der Erneuerbaren Energien anpassen. Dies geschieht zum Teil bereits durch die day ahead Strompreise an der EEX, deren Preissignale entsprechende Anreize für den Betrieb oder den Stillstand eines Kraftwerks setzen. Kurzfri- stige Schwankungen, die vor allem durch Prognose- fehler der Erneuerbaren Energien verursacht werden, werden durch den Intra-Day-Markt und den Regele- nergiemarkt mit seinen unterschiedlichen Produkten Primär-, Sekundärregelenergie und Minutenreserve ausgeglichen. Diese Produkte werden ebenfalls durch den bestehenden Kraftwerkspark, in geringem Um- fang auch durch regelbare Lasten bereitgestellt. Je mehr Erneuerbare Energien die konventionellen Kraft- werke ersetzen, umso höher wird auf der einen Seite der Bedarf an Ausgleichsmaßnahmen und umso klei- ner wird auf der anderen Seite das Angebot dieser Dienstleistungen. Auch sind ältere Kraftwerke zum Teil nicht mehr in der Lage, die Anforderungen an schnelle Regelbarkeit zu erfüllen, da diese Anlagen auf Grund- lastbetrieb ausgelegt wurden. D. h. sie wurden opti- miert auf möglichst hohen Wirkungsgrad bei Volllast, weisen aber in der Regel ein träges Laständerungs- verhalten auf. In diesem Arbeitsschritt wird der künftige Bedarf an Flexibilität ermittelt, der durch unterschiedliche Opti- onen gedeckt werden kann. Hierbei wird das BEE- Szenario für die künftige Entwicklung der Erneuer- baren Energien zugrunde gelegt (vgl. Abbildung 3 und Abbildung 4 sowie Tabelle 2). Der Anteil Erneuerbarer Energien am gesamten Strombedarf beträgt im BEE- Szenario 46,6 % in 2020 und 79,3 % in 2030. Das Szenario übertrifft damit die Zielsetzung der Bundes- regierung erheblich. 2.1 Vorgehensweise Die hier prognostizierten Leistungen und Strommen- gen werden mit typischen Erzeugungsprofilen der jeweiligen Energiearten, die im BET-Energiemarktmo- dell hinterlegt sind, zu Jahreslastgängen skaliert. Für die Modellierung der Windenergieeinspeisung wurden historische Zeitreihen von 80 verschiedenen Standorten (Quelle: MC Wetter) klassifiziert und in ein- zelne Regionen aufgeteilt. Für die einzelnen Standorte der Windgeschwindigkeitszeitreihen erfolgte in einem ersten Schritt eine Anpassung der Daten auf Naben- höhe. Anschließend wurde hieraus anhand von Wind- power-Transformationskurven, die aus der Tradewind Studie „Integrating Wind“, 2009, abgeleitet wurden, die Einspeisung berechnet. Für die Modellierung der PV-Einspeisung wurden Da- ten zur Globalstrahlung aus http://www.satel-light. com ausgewertet. Es wurden regionale Cluster gebil- det und je Cluster eine Mittelung der sich im jewei- ligen Cluster befindlichen Standorte (10-20 pro Regi- on) durchgeführt. Die Globalstrahlung wurde in eine Einspeisungszeitreihe transformiert. Die Daten für die Verbraucherlast wurden aus UCTE- Veröffentlichungen entnommen und auf die jeweilige Jahreslast skaliert. 2

14 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Abbildung 3: BEE-Ausbauszenario Erneuerbare Energien - Stromerzeugung Abbildung 4: BEE-Ausbauszenario Erneuerbare Energien – installierte elektrische Leistung 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 20 10 20 11 20 12 20 13 20 14 20 15 20 16 20 17 20 18 20 19 20 20 20 21 20 22 20 23 20 24 20 25 20 26 20 27 20 28 20 29 20 30 TWh Biomasse Geothermie Photovoltaik Windenergie  offshore Windenergie  onshore Wasserkraft 0 50 100 150 200 250 20 10 20 11 20 12 20 13 20 14 20 15 20 16 20 17 20 18 20 19 20 20 20 21 20 22 20 23 20 24 20 25 20 26 20 27 20 28 20 29 20 30 GW Biomasse Geothermie Photovoltaik Windenergie  offshore Windenergie  onshore Wasserkraft 2

15 Die Verbraucherlast minus der Erzeugung aus Erneu- erbaren Energien ergibt die Residuallast, die durch andere Technologien abgedeckt werden muss. Der Verlauf der Residuallast wird hinsichtlich der oben genannten Kriterien maximale Leistung, erforderliche Bereitstellungsdauer und Gradient analysiert. Die re- siduale Last wird unter der Annahme ermittelt, dass weder Maßnahmen zur Flexibilisierung der Einspei- sung aus Erneuerbaren Energien wie die am Strom- bedarf orientierte Fahrweise von Biomasseanlagen oder Schwellbetrieb von Wasserkraftanlagen noch Maßnahmen zur verbrauchsseitigen Lastverlagerung ergriffen werden. Dieses Vorgehen wird damit begrün- det, dass das Ergebnis zeigen soll, welcher Bedarf an Flexibilität künftig vorhanden ist, wenn noch keine Maßnahmen ergriffen wurden. Die Studie soll die un- terschiedlichen Möglichkeiten zum Ausgleich verglei- chend bewerten. Wärmegeführte KWK wird nicht berücksichtigt. Somit wird implizit angenommen, dass KWK-Anlagen be- reits stromgeführt eingesetzt werden und nicht mehr Tabelle 2: BEE-Ausbauszenario Erneuerbare Energien zu negativen Residuallasten beitragen. Ebenso wird hier zunächst kein „Must run-Betrieb“ konventioneller Kraftwerke zur Sicherstellung der Systemstabilität be- rücksichtigt. 2.2 Residuallastanalyse Abbildung 5, Abbildung 6 und Abbildung 7 zeigen den Verlauf der Erzeugung aus Erneuerbaren Ener- gien, der Last und der Residuallast für die Jahre 2012, 2020 und 2030 im betrachteten Ausbauszenario. Es wird deutlich, dass in 2012 noch jederzeit die ge- samte EE-Erzeugung im System aufgenommen wer- den kann (vorausgesetzt es gibt keine Netzengpäs- se). In 2020 kommt es bereits in einigen Stunden zu Überschüssen Erneuerbarer Energien, die entweder durch Lastmanagement verlagert, gespeichert oder abgeregelt werden müssen. In 2030 treten diese Situ- ationen bereits häufig auf. Die Überschussleistungen steigen auf Werte von bis zu -84 GW. Abbildung 8 2

16 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Abbildung 5: EE-Erzeugung, Last und Residuallast 2012 Abbildung 6: EE-Erzeugung, Last und Residuallast 2020  (80)  (40)  -­‐  40  80  120  160 1 3 52 703 10 54 14 05 17 56 21 07 24 58 28 09 31 60 35 11 38 62 42 13 45 64 49 15 52 66 56 17 59 68 63 19 66 70 70 21 73 72 77 23 8 07 4 8 42 5 GW 2012 Last EE-­‐Erzeugung Residuallast  (80)  (40)  -­‐  40  80  120  160 1 3 52 703 10 54 14 05 17 56 21 07 24 58 28 09 3 16 0 35 11 3 86 2 42 13 4 56 4 49 15 5 26 6 56 17 5 96 8 6 31 9 66 70 70 21 73 72 77 23 80 74 84 25 GW Szenario  2020 Last EE-­‐Erzeugung Residuallast 2

17 Abbildung 7: EE-Erzeugung, Last und Residuallast 2030 Abbildung 8: Geordnete Jahresdauerlinien der Residuallast  (80)  (40)  -­‐  40  80  120  160 1 3 52 703 10 54 14 05 17 56 21 07 24 58 28 09 3 16 0 35 11 3 86 2 42 13 4 56 4 49 15 5 26 6 56 17 5 96 8 6 31 9 66 70 70 21 73 72 77 23 80 74 84 25 GW Szenario  2030 Last EE-­‐Erzeugung Residuallast -­‐80 -­‐60 -­‐40 -­‐20 0 20 40 60 80 100 1 1001 2001 3001 4001 5001 6001 7001 8001 GW Residuallast  BEE-­‐Szenario 2012 2020 2030 2

18 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien zeigt die Residuallasten für die Jahre 2012, 2020 und 2030 als geordnete Jahresdauerlinien. Abbildung 9 zeigt die maximale und minimale Resi- duallast für 2012 und die Stützjahre 2020 und 2030. Hierbei wird deutlich, dass die maximale Last nur ge- ringfügig, die minimale Last dagegen stark abnimmt. Die Erneuerbaren Energien tragen somit nur geringfü- gig zur Absenkung der residualen Höchstlast bei. Das bedeutet, dass die Erneuerbaren Energien nur einen sehr kleinen Beitrag zur Deckung der Höchstlast lei- sten. Es treten aber zunehmend Situationen mit Ener- gieüberschüssen aus Erneuerbaren Energien auf. Zur Deckung der maximalen Residuallast müssen entsprechende Kapazitäten an konventionellen Kraft- werken oder in Form von Speichern oder Maßnahmen zum Lastmanagement vorhanden sein. Bei negativen Residuallasten müssen Speicher mit entsprechender Ladekapazität bereitstehen oder es müssen Verbrau- cherlasten in diese Zeiten verlagert werden oder zu- sätzliche Verbraucherlasten geschaffen werden (z. B. Überschussstrom zu Wärme). Eine weitere Möglich- keit ist der Export der Überschüsse in angrenzende Staaten, der hier jedoch nicht weiter betrachtet wird. Beim Auftreten von Stromüberschüssen ist nicht nur die Leistung von Bedeutung, sondern insbesonde- re auch die Dauer, über die Überschüsse auftreten bzw. die Strommengen, die gespeichert oder verla- gert werden müssen. Hierzu wurde die Residuallast hinsichtlich der zusammenhängenden Zeitintervalle mit negativer Residuallast analysiert. Im Gegensatz zu den Abbildungen 3 bis 6 wurde hier eine Must run Leistung konventioneller Kraftwerke unterstellt, die für 2020 mit 10 GW, für 2030 mit 5 GW abgeschätzt wurde. Des Weiteren wurde hier unterstellt, dass Bi- omasseanlagen nur noch strombedarfsgerecht be- trieben werden und somit nicht mehr zu negativen Residuallasten beitragen, da diese Maßnahme wie später gezeigt wird relativ einfach und kostengünstig umsetzbar ist. Abbildung 10 zeigt für das Jahr 2020, mit welcher Häufigkeit Situationen auftreten, in denen die Residuallast über mehrere zusammenhängende Stunden negativ ist. In Abbildung 11 ist dargestellt, welche Strommengen jeweils in diesen Zeitabschnit- ten anfallen. Es handelt sich hier allerdings insofern 85,9 75,0 71,0 15,2 -­‐25,7 -­‐84,0 -­‐100 -­‐80 -­‐60 -­‐40 -­‐20 0 20 40 60 80 100 2012 2020 2030 GW Maximale  und  minimale  residuale  Last Maximum Minimum Abbildung 9: Maximale und minimale residuale Last 2

19 Abbildung 10: Häufigkeit zusammenhängender Perioden mit negativer Residuallast 2020 – Stunden Abbildung 11: Häufigkeit zusammenhängender Perioden mit negativer Residuallast 2020 – Strommenge  -­‐  2  4  6  8  10  12  14  16 Hä ufi g k ei t   pr o   Ja hr zusammenhängende  Stunden  mit  negativer  Residuallast Stunden  2020      -­‐  1  2  3  4  5  6  7 Hä ufi g k ei t   pr o   Ja hr zu  speichernde  bzw.  zu  verlagernde  Strommenge  [GWh] Strommenge  2020 insgesamt  zu  speichernde  Strommenge:   2,3  TWh  bzw.  0,9%  der  EE-­‐Erzeugung 2

20 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Abbildung 12: Häufigkeit zusammenhängender Perioden mit negativer Residuallast 2030 – Stunden Abbildung 13: Häufigkeit zusammenhängender Perioden mit negativer Residuallast 2030 – Strommenge  -­‐  5  10  15  20  25  30  35  40 Häufigk eit   pr o   Jah r zusammenhängende  Stunden  mit  negativer  Residuallast Stunden  2030  -­‐  10  20  30  40  50  60  70  80 Hä ufi g k ei t   pr o   Ja hr zu  speichernde  bzw.  zu  verlagernde  Strommenge  [GWh] Strommenge  2030 insgesamt  zu  speichernde  Strommenge:   34,5  TWh  bzw.  7,7%  der  EE-­‐Erzeugung 2

21 um eine Minimalabschätzung des Speicherbedarfs, als auch Situationen auftreten, in denen zwischen zwei Perioden mit negativer Residuallast nur kurzzei- tig positive Werte auftreten und die Speicher somit nicht vollständig entladen werden können. Abbildung 12 und Abbildung 13 zeigen dieselben Zusammenhänge für das Jahr 2030. Hierbei wird deutlich, dass die Stromüberschüsse aus Erneuer- baren Energien in der Zeit zwischen 2020 und 2030 stark zunehmen. In 2020 betragen sie erst 0,9 % der gesamten EE-Erzeugung, in 2030 bereits 7,7 %. In 2020 ist die längste Periode mit durchgängig nega- tiver Residuallast 15 Stunden lang, in 2030 beträgt sie 55 Stunden. Die maximale in einer durchgängigen Pe- riode mit negativer Residuallast erzeugte überschüs- sige Strommenge liegt in 2020 bei 210 GWh, in 2030 bei 1.300 GWh. 2.3 Analyse der Gradienten der Residuallast Schnelle Änderungen der Einspeisungen aus Winde- nergie und PV führen zu hohen Gradienten der Resi- duallast, insbesondere wenn der Verlauf der Einspei- seganglinie und der Verbrauchsganglinie gegenläufig sind. Die PV weist einen regelmäßigen hohen Last- gradient aufgrund des täglichen Verlaufs des Sonnen- stands auf (vgl. Abbildung 14). Dieser Gradient kann bei besonderen Wetterlagen noch höher ausfallen, z. B. wenn bei zuvor strahlend blauem Himmel schnell großflächig Wolken aufziehen (schnell aufziehende Warmfront) oder umgekehrt um die Mittagszeit eine Kaltfront abzieht und sich danach schnell Rückseiten- wetter mit viel Sonne einstellt. Deutschlandweit sind diese Effekte jedoch stark ge- dämpft, da sich der Durchzug einer Schlechtwetter- front über ganz Deutschland über viele Stunden hin- weg zieht. Bei einer (meist) aus Westen kommenden Abbildung 14: PV-Einspeisung und Gradient an einem sonnigen Sommertag in 2020 -­‐15 -­‐10 -­‐5 0 5 10 15  -­‐  10  20  30  40  50  60 0 5 10 15 20 GW/h GW Stunde PV-­‐Einspeisung  und  PV-­‐Gradient  2020 PV-­‐Erzeugung  sonniger  Sommertag  in  GW Gradient  in  GW/h 2

22 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Front bleiben die weiter östlich gelegenen PV-Anlagen zunächst unverschattet. Wenn die Front diese erreicht, werden die Anlagen im Westen Deutschlands mögli- cherweise schon wieder von der Sonne beschienen. Hier können eher Probleme in den Verteilnetzen ent- stehen, in denen lokal erheblich höhere relative Gradi- enten auftreten können als im Höchstspannungsnetz. Die PV hat zum Teil auch einen ausgleichenden Ein- fluss auf die Residuallast, insbesondere am Vormittag, wo der Anstieg der PV-Erzeugung mit dem Anstieg der Last zusammenfällt. Der geografische Ausgleichseffekt betrifft ebenso die Windkraftanlagen. Kleinräumig kann es auch hier zu sehr schnellen Laständerungen kommen. Deutsch- landweit ist der Gradient abgeschwächt. Dennoch können auch bei der Windenergie hohe Gradienten entstehen, die umso stärker ins Gewicht fallen, je mehr Anlagen installiert sind. Abbildung 15 zeigt die maximal auftretenden positiven und negativen Gradienten der Residuallast für die drei Stützjahre 2012, 2020 und 2030 des BEE-Szenarios in GW pro Stunde. In Abbildung 16 sind die entspre- chenden Gradienten über einen Zeitraum von vier Stunden dargestellt. Der höchste positive Gradient nimmt von 2012 bis 2020 sogar leicht ab, steigt dann aber bis 2030 von 13,4 auf 22,1 stark an. Der Grund für den leicht abnehmenden positiven Gradienten bis 2020 ist die im BEE-Szenario leicht abnehmende Last im Zeitraum 2012 bis 2020. Der maximale positive Gradient ist bis 2020 durch einen starken Anstieg der Verbraucherlast zwischen 5 und 6 Uhr morgens bei einem schwachen negativen Gradienten der Erneuer- baren Energien verursacht. In 2030 ist die PV für die höchsten Gradienten verantwortlich. Bei Betrachtung des Vierstundenzeitraums wird der Anstieg im Zeit- raum 2020 bis 2030 noch stärker. Gleiches gilt für die maximalen negativen Gradienten. 14,0       13,4       22,1       -­‐7,7       -­‐10,0       -­‐19,0       -­‐25 -­‐20 -­‐15 -­‐10 -­‐5 0 5 10 15 20 25 BEE  2012 BEE  2020 BEE  2030 GW/h Maximale  Gradienten  der  Residuallast max  positiv max  negativ Abbildung 15: Maximale Gradienten der Residuallast in GW/h 2

23 Abbildung 17 zeigt, mit welcher Häufigkeit die Gradi- enten in den Jahren 2020 und 2030 auftreten. In Abbildung 18 ist der Einfluss von Wind und PV auf die maximalen Gradienten der Residuallast für das Jahr 2020 dargestellt. Zunächst ist festzustellen, dass der Gradient der Verbraucherlast bereits bei +12,7 und -7 GW/h liegt. Der Gradient der Residuallast ohne Wind wird vor allem durch die PV beeinflusst. Der positive Gradient verändert sich kaum, der nega- tive verändert sich von -7 auf -9,6 GW/h. Der posi- tive Gradient der Residuallast ohne PV ist gleich dem der Residuallast. Das bedeutet, dass die PV auf die maximalen positiven Gradienten keinen Einfluss hat. Die Erhöhung des maximalen positiven Gradienten ist im Wesentlichen auf die Windkraft zurück zu führen. Der maximale negative Gradient wird demgegenüber mehr durch die PV verursacht. Bis zum Jahr 2030 wachsen die Gradienten der Residuallast stark an, was dann vor allem durch die PV verursacht wird (vgl. Abbildung 19). Die verwendeten Typlastgänge bilden die meisten üblicherweise auftretenden Wettersituationen ab. Grundsätzlich sind jedoch Extrem-Wetterlagen denk- bar, die zu höheren Gradienten führen könnten. Daher wurden beispielhaft mehrere (einzeln bereits selten auftretende) Effekte kombiniert betrachtet, so z. B. ein starker Windgradient, der parallel zum PV-Gradienten verläuft, jeweils für einen Winter-Werktag, Winter- Sonntag, Sommer-Werktag und Sommer-Sonntag im Jahr 2020, wobei die maximal mögliche PV-Ein- speisung für die betrachtete Jahreszeit angenommen wurde. In der Regel werden an Tagen mit viel Sonne nicht gleichzeitig die höchsten Windgradienten auftre- ten, so dass es sich hier eher um einen theoretischen Extremfall handelt. Die höchsten Gradienten traten für den Winter-Sonntag auf. Dieser Fall ist in Abbildung 20 dargestellt. Die maximalen Gradienten der Resi- duallast liegen hier bei 16 GW/h bzw. -12,5 GW/h. In allen anderen Fällen lagen die ermittelten Gradienten nicht oder unwesentlich über den maximalen aus dem betrachteten Szenario. Somit scheint das betrachtete 32,8       41,7       77,4       -­‐26,5       -­‐32,8       -­‐62,5       -­‐80 -­‐60 -­‐40 -­‐20 0 20 40 60 80 100 BEE  2012 BEE  2020 BEE  2030 GW/4h Maximale  Gradienten  der  Residuallast max  positiv max  negativ Abbildung 16: Maximale Gradienten der Residuallast in GW/4h 2

24 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Abbildung 17: Häufigkeiten der Gradienten der Residuallast in GW/h Abbildung 18: Einfluss von Wind und PV auf den maximalen Gradienten der Residuallast in GW/h für das Jahr 2020  -­‐  200  400  600  800  1.000  1.200 -­‐22 -­‐19 -­‐16 -­‐13 -­‐10 -­‐7 -­‐4 -­‐1 2 5 8 11 14 17 20 Hä ufi g k ei t   pr o   Ja hr Gradient  [GW/h] Häufigkeit  Gradient  der  Residuallast 2030 2020 13,36 13,36 12,81 12,68 -­‐9,96 -­‐8,10 -­‐9,64 -­‐6,99 -­‐15 -­‐10 -­‐5 0 5 10 15 Gradient Residuallast Gradient Residuallast ohne  PV Gradient Residuallast ohne  Wind Gradient  Last GW/h max  positiv max  negativ 2

25 Szenario auch Extremsituationen weitgehend abzu- decken. Besonders kritisch im Hinblick auf schnelle Lastände- rungen ist der Fall der Schnellabschaltung von Wind- kraftanlagen bei Sturm, wenn die maximal zulässige Windgeschwindigkeit von i. d. R. 25 m/s bzw. 90 km/h überschritten wird. Eine der extremsten Wetterlagen, die es diesbezüg- lich bisher gegeben hat, war das Orkantief „Kyrill“ am 18. und 19. Januar 2007. In ganz Deutschland lagen die maximalen Windgeschwindigkeiten meist deut- lich über 100 km/h. An einigen Orten wurden Wind- geschwindigkeiten bis zu 200 km/h gemessen. Der Verlauf der Windstromeinspeisung an diesem Tag ist in Abbildung 21 dargestellt. Im Zeitraum zwischen 15 und 23 Uhr sank die Windstromeinspeisung aufgrund von Anlagenabschaltungen von 16 auf 9 GW bei einer insgesamt installierten Leistung von 20,6 GW. Bemer- kenswert ist, dass trotz der hohen Windgeschwindig- keiten zu jedem Zeitpunkt noch mindestens 44 % der Maximalleistung eingespeist wurde, also viele Anlagen noch am Netz waren. Offensichtlich waren die Windgeschwindigkeiten nicht gleichzeitig überall zu hoch. Auch erstreckte sich die Abschaltung von Leistung über Deutschland verteilt über einen relativ langen Zeitraum von 8 Stunden. Die Windgradienten waren zwar hoch, lagen aber im Rahmen der sonst auch maximal auftretenden Gradienten. Abbildung 19: Einfluss von Wind und PV auf den maximalen Gradienten der Residuallast in GW/h für das Jahr 2030 22,13 15,85 21,73 12,87 -­‐18,96 -­‐10,46 -­‐18,22 -­‐7,10 -­‐25 -­‐20 -­‐15 -­‐10 -­‐5 0 5 10 15 20 25 Gradient Residuallast Gradient Residuallast ohne  PV Gradient Residuallast ohne  Wind Gradient  Last GW/h max  positiv max  negativ 2

26 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Abbildung 20: Beispieltag mit hohem Windgradient bei gleichzeitig hoher PV- Einspeisung an einem Winter-Sonntag im Jahr 2020 Abbildung 21: Abfall der Windenergieeinspeisung beim Extremereignis Kyrill am 18.01.2007; Quelle: Ernst, B., Amprion GmbH, Windprognoseverfahren, 2009 [1] 0 10 20 30 40 50 60 70 80 GW Stunde Winter-­‐Sonntag,  hoher  Windgradient   parallel  zu  PV,  hohe  PV-­‐Einspeisung Last Wind PV Residuallast 2

27 3 Relevante Technologien und Maßnahmen In diesem Kapitel werden die unterschiedlichen Tech- nologien und Maßnahmen für den Ausgleich der schwankenden Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien beschrieben und bewertet. Dabei werden die folgenden Aspekte betrachtet: • Entwicklungsstand der Technik • Heute vorhandene installierte Leistung • Potenziale für künftig nutzbare Leistung • Maximale Bereitstellungsdauer (Minuten, Stun- den, Tage, Wochen) • Laständerungsgeschwindigkeit ( %/min.) • Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand • Laständerungspotenzial (GW/h) • Kosten und Wirtschaftlichkeit • Einordnung im Zeitverlauf und Systemrelevanz • Umsetzungshemmnisse • Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Neben den genannten Kriterien sollten auch ökolo- gische Aspekte in die Bewertung der einzelnen Flexi- bilitätsoptionen einfließen. Insbesondere sind hier der Ressourcenverbrauch (Energie, Wasser, Rohstoffe…), die Recyclebarkeit, der (oberirdische bzw. unterir- dische) Flächenverbrauch und die mit dem Eingriff in die Umwelt verbundenen Risiken zu nennen. Die ein- zelnen Flexibilitätsoptionen unterscheiden sich hierbei erheblich. Die Vor- und Nachteile werden jeweils bei den einzelnen Technologien diskutiert, wobei eine ab- schließende Bewertung aus mehreren, nachfolgend genannten Gründen schwierig ist. Die Definition einer eindeutigen „ökologischen Rang- folge“ ist unmöglich, da die tatsächlichen ökolo- gischen Auswirkungen der Technologien von zahl- reichen Einflussfaktoren abhängen, wie im Folgenden näher erläutert wird. Hinzu kommt, dass es sich bei den meisten der betrachteten Optionen um Zukunfts- technologien handelt, für deren Weiterentwicklung nur mehr oder weniger gute Annahmen getroffen werden können. Wie bei vielen anderen Dingen ist z.B. auch bei der Recyclingquote noch ein erhebliches Entwick- lungspotenzial zu erwarten, da der Zeithorizont der Studie sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt. Quantifizierbare Bewertungskriterien, die Basis für die Ermittlung einer „ökologischen Rangfolge“ sein könnten, wie bspw. die Berechnung des spezifischen Energieeinsatzes oder CO 2 -Ausstoßes pro MW bzw. MWh Lastverlagerung/Speicherung, sind zur Bewer- tung der verschiedenen Flexibilitätsoptionen nicht geeignet, da sich bestenfalls die Maßnahmen selber noch in Grenzen bewerten lassen (wobei Pilotanlagen im Prototypstadium nur bedingt als Maßstab für eine Hochrechnung herangezogen werden können). Hinzu kommen jedoch die Einflüsse der unterschiedlich um- fangreichen Vorketten, wie z. B. der Aufwand zur Er- richtung einer notwendigen Infrastruktur beim Smart Metering oder die (ggf. zum Teil vorzeitig erfolgende) Neuausstattung mit DSM-fähigen Haushaltsgeräten. Diese Effekte sind im Rahmen der vorliegenden Studie nicht zu quantifizieren. Darüber hinaus hat auch die Reihenfolge, nach der die einzelnen Flexibilitätsmaßnahmen (voraussichtlich) zum Einsatz kommen werden, einen Einfluss auf das Ausmaß der ökologischen Auswirkungen jeder Ein- zelmaßnahme, da sich u. a. auch der Strommix über den Betrachtungszeitraum maßgeblich verändert. Z. B. wird die ökologische Bewertung einer Gastur- bine deutlich positiver ausfallen, wenn statt Erdgas überwiegend nur noch Windgas verstromt wird. An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass sich die Be- wertung der Einzelmaßnahmen (unabhängig von der Reihenfolge ihres Einsatzes) über den Betrachtungs- zeitraum hinweg ständig verändern wird, denn auch das Aufwand-zu-Nutzen-Verhältnis verschiebt sich je nach Zeitpunkt der Anwendung, abhängig u. a. da- von, wie hoch der Bedarf an flexiblen Kapazitäten zum Bewertungszeitpunkt gerade ist. Letztlich ist jede Technologie mit unterschiedlich starken Umweltauswirkungen verbunden, allerdings sollte bei (technisch) gleichwertigen Optionen diejeni- ge mit der geringsten ökologischen Beeinträchtigung 3

28 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien den Vorrang 2 haben. Vor diesem Hintergrund emp- fiehlt sich vor allem die Nutzung vorhandener Opti- onen (z. B. Regelmöglichkeiten von KWK-Anlagen, Lastmanagement, Bestandspumpspeicher im In- und Ausland, Batteriekapazitäten, die sich im Rahmen der fortschreitenden Elektromobilität mit vergleichsweise geringem Zusatzaufwand erschließen lassen, sowie zukünftig auch die Nutzung des bestehenden Erd- gasnetzes als zusätzlichem Energiespeicher). Diese Optionen haben den weiteren Vorteil eines kalkulier- baren Risikos hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen und sollten zuerst genutzt werden. Darüber hinaus ist es aber unerlässlich, während der nächsten Jahre und Jahrzehnte die Entwicklung und hierbei insbesondere auch die sich konkret abzeich- nenden ökologischen Auswirkungen der einzelnen Technologien kritisch im Auge zu behalten und als zu- sätzliches Kriterium in die Bewertung der Sinnhaftig- keit dieser Flexibilitätsoption einzubeziehen. Folgende Flexibilitätsoptionen wurden im Rahmen dieser Studie betrachtet: • Lastmanagement • Flexibilisierung der Nachfrage in der Indus- trie • Flexibilisierung der Nachfrage in Haushalten und Kleinverbrauch • Überschussstrom zu Wärme • Bedarfsgerechtere EE-Stromerzeugung • Einspeisemanagement Wind & PV • strombedarfsgerechte Fahrweise Biomasse- anlagen • Biomethaneinspeisung ins Erdgasnetz mit strombedarfsgerechter Nutzung • strombedarfsgerechte Fahrweise Wasser- kraft • Verbesserte Auslegung von Wind/PV Anla- gen • konventionelle Kraftwerke (inkl. KWK) • Bestehende Kraftwerke • Retrofit bestehender Kraftwerke • Neubau hochflexibler thermischer Kraft- werke • Stromgeführte Fahrweise KWK • Nutzung von Netzersatzanlagen • Speicher • Pumpspeicher in Deutschland • Pumpspeicher im Ausland • Batterien (unterschiedliche Typen) inkl. Elek- tromobilität • Druckluftspeicher • Power to gas 3.1 Lastmanagement Lastmanagement wird als eine Lösungsstrategie für zunehmende energiewirtschaftliche Probleme beim Betrieb der Netze und des fossilen Kraftwerksparks in Folge des wachsenden Anteils der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung diskutiert. Lastma- nagement bedeutet hierbei, dass die Zeitpunkte der Zu- und Abschaltung der Lasten nicht ausschließlich durch die Verbrauchssituation des Kunden bestimmt werden, sondern auch energiewirtschaftliche Sach- verhalte in die Entscheidung einbezogen werden. Kurzfristig verfügbare Lasten sind u. U. für eine Teil- nahme am Regelenergiemarkt geeignet. Darüber hi- naus besteht ein Lastverlagerungspotenzial, welches einen längeren zeitlichen Vorlauf erfordert. 3.1.1 Flexibilisierung der Nachfrage in der Industrie Beschreibung der Technik Einige industrielle Anwendungen können in Grenzen zeitlich verlagert werden. Betriebe mit diesen Anwen- dungen haben damit prinzipiell die Möglichkeit der Lastverlagerung, also einer 2. Ggf. ist hierzu im Sinne des Umweltschutzes eine Anpassung der politischen Rahmenbedingungen erforderlich. 3

29 • Lastreduktion: die Produktion wird auf einen späteren Zeitpunkt verlagert (z. B. bei Strom- knappheit und hohen Preisen) bzw. • Lasterhöhung: die Auslastung einiger Prozesse wird vorübergehend erhöht und damit die Pro- duktion teilweise vorgezogen (z. B. bei Stromü- berschuss und niedrigen Preisen). Prinzipiell besteht auch die Möglichkeit der Lastre- duktion unter Inkaufnahme eines Produktionsaus- falls. Diese Möglichkeit dürfte durch den Verzicht auf Deckungsbeiträge der Produktion jedoch teurer sein als eine Lastreduktion mit nachholender Produktion zu einem späteren Zeitpunkt. Unter dem Stichwort Lastabwurf wird in der Literatur eine sehr schnelle Lastreduktion unter Inkaufnahme des Produktions- ausfalls und meist auch hoher Kosten durch die ab- rupte Abschaltung verstanden. Dies wird nur in ex- tremen Ausnahmesituationen erforderlich sein, da normalerweise durch die unterschiedlichen Regele- nergieprodukte der Ausgleich geschaffen wird. Entwicklungsstand der Technik Die technischen Voraussetzungen zur Lastverlage- rung sind größtenteils bereits heute gegeben. Je nachdem, wie das jeweilige Potenzial vermarktet werden soll (hochflexibel am Regelenergiemarkt bzw. als klassische Lastverlagerung mit mehreren Stun- den Vorlauf, wobei die Einsatzentscheidung jedoch, je nach Ausgestaltung der bilateralen Vereinbarung, beim Netzbetreiber liegen kann), sind Möglichkeiten für einen Fernzugriff des VNB/ÜNB auf die teilneh- menden Prozesse nachzurüsten. Um auch kleinere Leistungen nutzen zu können, ist ein Pooling sinnvoll bzw. notwendig (z. B. zur Teil- nahme am Regelenergiemarkt), um die erforderliche Mindestleistung zu erreichen und die geforderten Be- reitstellungsdauern zu garantieren. Pooling-Modelle befinden sich derzeit in der Markteinführungsphase. Heute bereits genutzte Leistung Große Industriebetriebe energieintensiver Branchen (z. B. Zement, Chlor, Chemie, Aluminium, Stahl, Pa- pier) nehmen bereits heute am Regelenergiemarkt für Minutenreserve teil und bieten schätzungsweise rd. 500 MW positive bzw. 125 MW negative Regelleistung an. Die angebotene negative Regelleistung ist damit deutlich niedriger als die angebotene positive Regel- leistung, denn die dauerhafte Bereitschaft industriel- ler Prozesse für eine Lasterhöhung ist wirtschaftlich meist nicht sinnvoll. Ein großes Aluminiumwerk liefert bereits Primärregelenergie. Dies ist von besonderer Bedeutung, da hierdurch die Must run Leistung der Kraftwerke gesenkt werden kann. Zur Vermeidung hoher Leistungskosten betreiben ei- nige Unternehmen an ihren Produktionsstandorten Lastmanagementsysteme, die durch die gezielte Ab- schaltung von Anlagen (häufig Querschnittstechnolo- gien wie Lüftungsanlagen, Pumpen) die maximale be- zogene Viertelstundenleistung begrenzen und somit das Strombezugsprofil der Standorte vergleichmä- ßigen. Durchdringungsgrad und Optimierungspoten- ziale bestehender industrieller Lastmanagementsy- steme sind nicht bekannt. Diese Unternehmen nutzen bereits ihre Lastverlagerungspotenziale, allerdings muss die standortspezifische Optimierung mit dem Ziel der Senkung der Netzentgeltzahlungen unter Netzstabilitätsgesichtspunkten nicht zwingend opti- mal sein und bietet ggf. weiteres, derzeit nicht quanti- fizierbares Optimierungspotenzial. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Das Gesamtpotenzial regelbarer Lasten in Industrie- betrieben liegt gemäß DENA Netzstudie II [2] bei ma- ximal etwa 2 GW für positive Regelleistung und 0,7 GW für negative Regelleistung, also bei etwa dem Vierfachen des bereits heute genutzten Potenzials und verteilt sich überwiegend auf die o. g. Branchen. In der VDE-Studie „Demand Side Integration“ wird ein Potenzial von 0,5 GW positiv und 4,4 GW negativ ge- nannt [3]. Hinzu kommt ggf. weiteres, zurzeit nicht näher quan- tifizierbares Potenzial zur Lastverlagerung, welches aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Teilnahme am Regelenergiemarkt geeignet ist, da es z. B. einen längeren zeitlichen Vorlauf erfordert oder nicht immer 3

30 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien verfügbar ist. Zur Erschließung dieser Potenziale sind neue (Systemdienstleistungs-)Produkte notwendig. Maximale Bereitstellungsdauer Anlagen mit hoher Verfügbarkeit und unverzüglicher Abschaltmöglichkeit sind meist nur für 5-15 Minuten und in geringem Umfang für maximal eine Stunde abschaltbar. Anlagen mit Aktivierungsdauern von bis zu 15 Minuten können dagegen meist über mehre- re Stunden abgeschaltet werden. Generell nimmt bei Lastreduktionspotenzialen mit späterer nachholender Lasterhöhung das Potenzial für Lastverschiebung über eine Stunde hinaus relativ stark ab. Die heute bereits angebotene industrielle Minutenre- serve wird über einen Zeitraum von 4 Stunden bereit- gestellt, aber i. d. R. nicht länger als eine Stunde am Stück abgerufen. Das tatsächliche Potenzial der jeweiligen Anlagen wird durch die spezifischen Produktionsabläufe bestimmt. Von besonderer Bedeutung sind hierbei Speicher für Zwischenprodukte / Endprodukte der Produktions- kette. Diese erlauben das zeitliche Entkoppeln von einzelnen unterschiedlich stromintensiven Produk- tionsprozessen. Die Verteilung der Speicher entlang der Produktionskette und die Größe der Speicher im Verhältnis zum Produktstrom variieren auch innerhalb einer Branche beträchtlich. Laständerungsgeschwindigkeit, Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand In den meisten Fällen kann die Zu- oder Abschaltung sehr schnell innerhalb von Sekunden oder wenigen Minuten erfolgen. Kosten, Wirtschaftlichkeit Bei den Kosten der Lastverlagerung wird i. A. davon ausgegangen, dass diese sich nach den Kosten der Produktionsverzögerung richten, die je nach Anwen- dung/Branche stark variieren können. Es gibt ein Po- tenzial für Lastverlagerungen von wenigen Stunden, das zu sehr geringen Kosten erschließbar ist (10 bis 20 €/MWh), solange durch die Verlagerung kein Pro- duktionsausfall entsteht. Werden Produktionsausfälle in Kauf genommen, wird das Potenzial erheblich grö- Abbildung 22: Abschaltbare Lasten in der Industrie [3] Quelle: von Roon, S., Gobmaier, T.: Demand Response in der Industrie – Status und Potenziale in Deutschland, 2010 3

31 ßer, allerdings steigen die Kosten dann sprunghaft an auf bis zu mehrere Hundert €/MWh. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Die zu niedrigen Kosten erschließbaren Potenziale industrieller Lastverlagerung sollten ab sofort genutzt werden, da sie gegenüber anderen Maßnahmen (Netzausbau, Bau von Speichern, Ausbau Elektromo- bilität u. a.) vergleichsweise geringe Vorlaufzeiten bis zur Erschließung haben und wirtschaftlicher sind als die alternativen Maßnahmen. Umsetzungshemmnisse • Restriktionen der Regelenergie-Ausschreibung (Marktdesign), Festlegung auf eine Woche und hierbei die gesamte HT oder NT-Zeit bei Se- kundärregelung, Mindestangebotszeitraum bei Minutenreserve: 4 Stunden, Mindestleistung 5 MW • Am Regelenergiemarkt geforderte Lastände- rungsgeschwindigkeiten werden teilweise nicht erreicht. • Keine ausreichenden Preissignale aus dem Spotmarkt (geringer Spread). • Zum Teil zu kleine Leistungen, Poolung erfor- derlich. • Regelungen der Netzentgeltverordnung zielen auf eine Vergleichmäßigung des Strombezugs aus dem Netz: hier besteht ein Zielkonflikt zu kurzfristigen Lastverlagerungen (das Angebot wird meist beschränkt, da der Abruf negativer Leistung zu einer Lastspitze führen und so er- hebliche Rückwirkungen auf die zu zahlenden Netzentgelte haben könnte. Die Kosten durch eine Erhöhung der Netzentgelte würden die Erlöse aus dem Regelenergiemarkt dann um ein Vielfaches übersteigen, weshalb das Risiko häufig nicht eingegangen wird.) Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse • Flexibleres Marktdesign der Regelenergiemär- kte. Auf absehbare Zeit steht aber ein ausrei- chendes Angebot für Regelleistung zur Ver- fügung. Die seit längerem relativ niedrigen Regelenergiepreise für Minutenreserve bestäti- gen dies. • Änderung von §19 StromNEV • Schaffen von Flexibilitätsmärkten mit neuen Produkten o. ä. 3.1.2 Flexibilisierung der Nachfrage in Haushalten und Kleinverbrauch Beschreibung der Technik Viele Stromanwendungen im Haushaltsbereich be- sitzen ein unterschiedlich großes Lastverlagerungs- potenzial, wie z. B. Waschmaschinen, Trockner und Kühl- bzw. Gefrierschränke. Auch der flexible, strom- geführte Einsatz der Wärmepumpen unter Nutzung des wärmespeichernden Effekts der beheizten Räu- me (zusätzlich zu ggf. vorhandenen Pufferspeichern) bietet ein Lastverlagerungspotenzial, das in der Zu- kunft durch die größere Anzahl der installierten Geräte und die SG ready-Steuerung („smart grid ready“) stei- gen wird. Um eine größere Flexibilisierung der Nach- frage bei Haushaltskunden zu erreichen, müssen dem Anwender (Stromkunden) notwendige Informationen bzw. Entscheidungskriterien zur Verfügung gestellt werden, zu welchen Zeiten ein Verbrauch günstig bzw. ungünstig ist (z. B. ein Tarifsystem mit unterschied- lichen, von der aktuellen Netzsituation abhängigen Arbeitspreisen). Die Entscheidung, den Verbrauch bei hohen Preisen zeitlich zu verlagern oder nicht, liegt dabei letztendlich beim Stromkunden. Voraussetzung hierfür ist eine flächendeckende Einführung von intel- ligenten Zählern („Smart Metern“) und die Umstellung auf lastvariable Tarife. Mit dem Prinzip der möglichen Einzelfallentschei- dungen des Stromkunden könnte allerdings nur ein 3

32 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Teil des vorhandenen Potenzials erschlossen werden. Alternativ bestünde zur Erschließung dieses Potenzi- als mittel- bis langfristig die Möglichkeit, „intelligente“ Haushaltsgeräte mit Lastverlagerungspotenzial in- nerhalb eines vorher durch den Nutzer definierten Zeitfensters nach Bedarf vom Stromversorger oder Netzbetreiber direkt ansteuern zu lassen. D. h. der Stromversorger oder Netzbetreiber würde entschei- den, wann welche Last abgerufen wird, und hätte so- mit die Möglichkeit, das Nachfrageprofil seiner Kun- den dem Angebotsprofil im Netz anzugleichen. Für die Teilnahme an diesem Modell müssten finanzielle Anreize geschaffen werden. Insbesondere Kühl- und Gefriergeräte und Wärme- pumpen können ohne Komfortverlust auch „fern- gesteuert“ werden. Daher ist hierfür eine breite Ak- zeptanz zu erwarten – anders als beispielsweise Waschmaschinen, wo der Kunde mit dem Gerät in- teragieren muss und dies zeitlich einplanen können will.Prinzipiell ist davon auszugehen, dass das zweite Modell eine größere Potenzialausschöpfung ermögli- cht (dafür sprechen auch die derzeitigen Erfahrungen mit Smart-Metering und unterschiedlichen Tarifen im Gewerbe, die von den Verbrauchern nur in geringem Maße zur Reduzierung ihrer Stromkosten genutzt werden). Voraussetzung hierfür ist jedoch neben den o. g. ein hoher Durchdringungsgrad an sogenannten „intelligenten“ Haushaltsgeräten, die sich entspre- chend ansteuern lassen. Entwicklungsstand der Technik Erste Pilotprojekte mit intelligenten Zählern (Smart- Meter-Modellregionen) wurden durchgeführt bzw. lau- fen noch, wobei verschiedene (marktreife) Systeme in Erprobung sind. „Intelligente“ Haushaltsgeräte sind dagegen noch Zukunftsmusik, für eine hohe Durch- dringung muss ab Marktreife der Geräte mit einer zusätzlichen Austauschphase von etwa 8-12 Jahren gerechnet werden. Zur Umsetzung der Abwicklungs- und Abrechnungs- prozesse zeitvariabler Abschaltzeiten ist eine ver- änderte Zählerstanderfassung erforderlich, die eine Zählerfernauslesung in kleinen Zeitintervallen (Vier- telstunden und weniger) ermöglicht. Hierzu ist der Aufbau einer neuen Kommunikationsinfrastruktur zwi- schen Zähler und Netzbetreiber Voraussetzung, die, bidirektional gestaltet, auch die Fernansteuerung der Geräte ermöglicht. Die technischen Möglichkeiten hierfür sind prinzipiell vorhanden, es fehlt allerdings bislang eine Festlegung auf einheitliche Standards. Einige Systeme haben eine sogenannte Multi-Spar- ten-Funktionalität, d. h. es können auch Daten von Wasser-, Erdgas- oder Fernwärmezählern erfasst und visualisiert werden. Heute bereits genutzte Leistung Nachtstromspeicherheizungen und Wärmepumpen werden bereits heute in begrenztem Umfang über festgelegte Sperrzeiten zur Lastverlagerung genutzt. Die Nutzung der übrigen Lastverlagerungspotenziale beschränkt sich (bestenfalls) auf die Smart-Meter-Mo- dellregionen. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Die Dena Netzstudie II [2] ermittelt für den Haushalts- sektor ein maximales positives Lastverlagerungs- potenzial in Höhe von 6,7 GW und ein maximales negatives Potenzial in Höhe von 35,3 GW. Hierin ent- halten ist allerdings ein Großteil saisonal schwanken- der, d. h. nicht ganzjährig verfügbarer Potenziale, die darüber hinaus zu einem nicht näher quantifizierten Teil heute bereits genutzt werden (z. B. bei Nacht- stromspeicherheizungen). Weiterhin wurden weder der politisch gewollte Rückbau der Nachtstromhei- zungen noch zukünftige Effizienzsteigerungen (nicht unerhebliche Potenziale liegen z. B. im Bereich der Umwälzpumpen) berücksichtigt, die sich ebenfalls Potenzial mindernd auswirken. Schlussendlich ist da- her davon auszugehen, dass das zukünftig zusätzlich nutzbare Lastverlagerungspotenzial deutlich geringer ausfällt und bei schätzungsweise 1-2 GW positiver bzw. unter 10 GW negativer Leistung liegen dürfte. In den Langfristszenarien der aktuellen BMU-Leistudie wird ein mittleres DSM-Potenzial der Haushalte auf Basis der DENA II Zahlen von nur gut 1 GW ange- setzt. Nach 2020 wird das wegfallende Potenzial der Nachtspeicherheizungen durch das Potenzial von 3

33 Waschmaschinen, Trocknern und Spülmaschinen ersetzt, wobei das Gesamtpotenzial bis 2050 nicht mehr nennenswert ansteigt. Eine Studie zum flächendeckenden Einsatz intelli- genter Zähler in Österreich stuft das Potenzial für Spitzenlastabsenkung/Lastverlagerung ohne weit- gehende Fernsteuerung der Hauptverbraucher aller- dings als „marginal“ und die Akzeptanz der Strom- kunden für eine Fernsteuerung ihrer Haushaltsgeräte als „fragwürdig“ ein. [5] Der Erschließungsgrad der vorhandenen Potenziale dürfte überwiegend von der (zeitlichen und inhalt- lichen) Ausgestaltung der Rahmenbedingungen ab- hängig sein. Generell gilt für die als DSM-Potenzial ausgewiesene Leistung im Bereich der Privathaus- halte die Besonderheit, dass jeweils nur ein Bruch- teil tatsächlich für eine Lastverlagerung zur Verfügung steht, da die typischen Haushaltsanwendungen nicht rund um die Uhr betrieben werden, sondern deutlich geringere Nutzungszeiten aufweisen (das gilt auch für Kühl- und Gefrierschränke). Das durchschnittlich nutzbare Potenzial ergibt sich als Produkt der prinzipi- ell geeigneten DSM-Leistung und einem Gleichzeitig- keitsfaktor, der die typische Nutzungszeit der Anwen- dungsgruppe (z. B. „Kühlschränke“) berücksichtigt (vgl. Abbildung 23) In den o. g. Potenzialen der DENA II-Studie ist auch das Lastverlagerungspotenzial der Wärmepumpen enthalten, das durch den weiteren Ausbau in den nächsten Jahren noch ansteigen wird, jedoch eben- falls jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist. Es beträgt nach Schätzungen der DENA aktuell für positive Leistung max. 0,7 GW (im Winter) und für ne- gative Leistung max. 1,3 GW (im Sommer) [2]. Eine Untersuchung von Ecofys und Prognos im Auftrag des BMWi [7] weist das zukünftig verfügbare Potenzi- al der Wärmepumpen zur Bereitstellung von Minuten- reserve für 2030 für verschiedene Ausbaupfade aus. Unter der Annahme, dass der realistisch genutzte Anteil des maximalen Potenzials bei nur 50 % liegt, fällt die nutzbare positive Leistung etwas geringer aus, wogegen bei der Abschätzung der negativen Leistungspotenziale die Angaben der DENA-Studie Abbildung 23: Potenzial für DSM in Haushalten [6] 3

34 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien bestätigt bzw. übertroffen werden. Durch den Wech- sel von der bisher üblichen wärme- zu einer strom- geführten Betriebsweise stehen im Referenzszenario („BAU-Ausbau“) in 2030 rd. 0,3 GW positive und 1,5 GW negative Minutenreserve zur Verfügung. Bei einer zusätzlichen Steigerung des Wärmepumpenbestands in Alt- und Neubauten („forcierter Ausbau“) könnten rd. 0,45 GW positive und 2,2 GW negative Minutenre- serve genutzt werden [7]. Wärmepumpen eignen sich besonders gut für das Lastmanagement, da sie heute bereits so ausgelegt werden, dass sie täglich bis zu 3 mal für maximal 2 Stunden abgeschaltet werden können. Somit steht die Speicherkapazität für mindestens 2 Stunden be- reits zur Verfügung. Durch kurzfristige Überheizung des Wärmespeichers oder auch - in nicht wahrnehm- baren Größenordnungen - des beheizten Raumes lässt sich die Speicherkapazität noch erhöhen. Be- reits heute werden am Markt sogenannte „SG ready“- Anlagen angeboten, die über eine Regelungstech- nik verfügen, mit der über ein smart grid extern vom Netzbetreiber vier unterschiedliche Betriebszustände angefordert werden können: • Normalbetrieb mit Speicheraufladung • Ausschalten für maximal 2 Stunden mit Spei- cherentladung • Betrieb mit erhöhter Leistung als Einschaltemp- fehlung • Betrieb mit erhöhter Leistung als definitiver An- laufbefehl optional mit Erhöhung der Speicher- temperatur Maximale Bereitstellungsdauer Die Bereitstellungsdauer hängt vom Anwendungsfall ab und reicht von 15 Minuten (z. B. Kühl- und Gefrier- aggregate) bis zu mehreren Stunden (z. B. Waschma- schinen, Wärmepumpen mit Pufferspeicher). Laständerungsgeschwindigkeit und Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand Die Leistung ist innerhalb von Sekunden ab- und zu- schaltbar. Durch die Vielzahl der Einzelgeräte ist der Gradient beliebig steuerbar. Es steht allerdings nicht ständig das Gesamtpotenzial zur Verfügung: • Das nutzbare Potenzial bei Nachtspeicherhei- zungen und Wärmepumpen hängt vor allem vom Wärmebedarf ab und steht somit im Som- mer fast gar nicht zur Verfügung. • Warmwasser wird dagegen ganzjährig gleich- zeitig benötigt und stellt einen konstanten Wär- mebedarf (und damit ein ganzjähriges Lastma- nagement-Potenzial) dar. • Kühlschränke und Gefriergeräte können in- nerhalb eines Toleranzbereiches der einzure- gelnden Temperatur flexibel gesteuert werden. Haben sie die obere Grenztemperatur erreicht, müssen sie wieder laufen. • Wasch- und Spülmaschinen werden in vielen (insbesondere Single-) Haushalten nur alle paar Tage eingeschaltet. Kosten Die Einführung der elektronischen Verbrauchsmes- sung (Smart Meter) führt zu hohen Um-rüstkosten. Die Kosten für eine vollständige Ausstattung mit intel- ligenten Zählern inkl. der zusätzlichen Anforderungen für IT etc. bewegen sich unter Berücksichtigung von Kostendegressionseffekten in einer Größenordnung von schätzungsweise 4,5-5 Mrd. € [8]. Auch bei den „intelligenten“ Haushaltsgeräten wird mit Mehrkosten bei der Anschaffung zu rechnen sein, solange die zu- sätzliche Hardware noch nicht standardmäßig ver- baut wird. Unter der Voraussetzung, dass vorhandene kabelge- bundene Internetverbindungen für die zentrale An- steuerung der Geräte genutzt werden können, ist da- von auszugehen, dass beim Lastmanagement keine nennenswerten Betriebskosten anfallen. Bei der zeit- 3

35 lichen Verlagerung von Haushaltsanwendungen kann es allerdings bei einigen Geräten (z. B. bei Kühlschrän- ken) technisch bedingt zu Wirkungsgradverlusten und damit zu einem insgesamt erhöhten Strombedarf der Anwendungen kommen. Demgegenüber steht ein durch die größere Transparenz beim Stromverbrauch bedingtes, allerdings schwer quantifizierbares Poten- zial für Verbrauchssenkung, das in der DENA Netzstu- die II [2] mit durchschnittlich knapp 2 % abgeschätzt wird. Wirtschaftlichkeit Eine Untersuchung des ökonomischen Potenzials für Smart Meter aus dem Jahr 2011 kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer gesamtwirtschaftlichen Ko- sten-Nutzen-Betrachtung die Umrüstung auf Smart Meter nur für einen geringen Teil der Haushalte (maxi- mal 40 %, je nach betrachtetem Szenario) sinnvoll ist [9]. Für die Mehrzahl der Haushalte wird der Einbau intelligenter Stromzähler dagegen als unwirtschaftlich bewertet. Dies bestätigt auch die o. g. Untersuchung für Österreich, die nach Bewertung der Kosten-Nut- zen-Effekte bei Erzeugung, Netzbetrieb, Lieferanten und Endkunden zu dem Ergebnis kommt, dass eine flächendeckende Einführung von Smart Metern unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll ist [5]. Hinzu kommt, dass eine Nutzung der DSM-Po- tenziale im Haushaltssektor in den nächsten Jahren noch nicht benötigt wird und die finanziellen Anreize der Vergütungsmodelle entsprechend gering sein werden. Unberücksichtigt bleiben bei dieser Einschätzung allerdings die schwer quantifizierbaren positiven Ef- fekte auf die bessere Integration der dezentralen Stromerzeugung und die Nutzung der Lastverlage- rungspotenziale von Elektrofahrzeugen (für die eine Smart-Grid-Infrastruktur Voraussetzung ist). Eine ver- besserte Wirtschaftlichkeit wird sich auch einstellen, wenn durch Massenproduktion die Kosten sinken und wenn aufgrund der zunehmenden Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien eine Wettbewerbssituati- on mit Stromspeichern entsteht. Dies könnte im BEE- Szenario etwa ab 2025 bzw. ab einem Anteil der Er- neuerbaren Energien von mehr als 50 % der Fall sein. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Ein umfangreicher Einsatz der Technik könnte ca. ab 2025 sinnvoll werden. Da der Ersatz des Großteils der Elektrogeräte einen Zeitraum von ca. 10 bis 15 Jahren erfordert, erscheint es sinnvoll, mit der Markteinfüh- rung zu beginnen, damit die Technik zur Verfügung steht, wenn sie benötigt wird. Dies korreliert auch mit den Vorgaben des 3. Legislativen Pakets für die EU Energiemärkte, Annex A bezüglich einer flächen- deckenden Einführung von Smart Metering in Euro- pa („80 % bis 2020“). Beim Rollout der Smart Meter sollten vorrangig Verbraucher mit vergleichsweise ho- hen Lastverlagerungspotenzialen berücksichtigt wer- den. Dies sind neben Verbrauchern mit einem hohen Gesamtverbrauch auch elektrische Wärmepumpen. Umsetzungshemmnisse • Derzeit keine Anreize zur Lastverlagerung (kon- stanter Endkundenstrompreis unabhängig von der Lastsituation), entsprechende Abrech- nungsmodelle und -möglichkeiten fehlen. • Flächendeckende bidirektionale Infrastruktur fehlt (noch), ebenso wie die politische Ent- scheidung zu Smart Metern (einschließlich ei- ner Festlegung, dass die Fernsteuerbarkeit von Verbrauchern möglich sein muss). • Haupt-Kritikpunkte an der flächendeckenden Einführung von Smart Metern sind die Kosten und, je nach System (bidirektional vs. lokale An- zeige), erhebliche Bedenken bezüglich des Da- tenschutzes („gläserner Kunde“). • Keine (politischen oder wirtschaftlichen) Anreize zur standardmäßigen Ausstattung von DSM- geeigneten Haushaltsgeräten mit Steuergerä- ten. • Zum Teil zu kleine Leistungen, Poolung erfor- derlich, Organisation nur durch Energieversor- ger (nicht durch HH-Kunden) möglich. 3

36 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse • Politische Entscheidung zum flächendeckenden Einsatz von Smart Metern, einschließlich einer Definition der Anforderungen (bidirektionale Kommunikationsinfrastruktur, vgl. Empfeh- lungen der ERGEG). Zur Gewährleistung von Wettbewerb (z. B. einfache Möglichkeit des Anbieterwechsels) sind einheitliche Standards (Open Metering System) vorzugeben. • Einführung lastvariabler Haushaltsstromtarife • Politische Entscheidung zur Ausrüstung von neuen Haushaltsgeräten mit DSM-fähigen Steuergeräten 3.1.3 Überschussstrom zu Wärme Beschreibung der Technik „Überschussstrom zu Wärme“ ist die Nutzung von Überschussstrom aus Erneuerbaren Energien, der ansonsten abgeregelt oder gespeichert werden müsste, zur Erzeugung von Nutzwärme. Grundsätz- lich ist sowohl die Nutzung in Elektrokesseln, die in Fernwärmenetze integriert werden als auch in Ein- zelheizungen mit einem zusätzlichen Elektroheizstab möglich. Häufig wird für diesen Zusammenhang auch der Begriff „Power to heat“ genutzt. Da dieser Begriff jedoch in der öffentlichen Diskussion nicht einheit- lich verwendet wird, wird hier, um Missverständnis- sen vorzubeugen und eine Abgrenzung zu sonstiger Wärmeerzeugung aus Strom zu schaffen, der Begriff „Überschussstrom zu Wärme“ verwendet. Ein Strom-Überangebot besteht entweder, wenn im Gesamtsystem die Einspeisung aus Erneuerbaren Energien die Last übersteigt oder im Falle von regi- onalen Netzengpässen in bestimmten Netzgebieten. Der zuletzt genannte Fall tritt heute bereits häufig auf, insbesondere in West-Schleswig-Holstein. Dort wer- den bei einigen Windkraftanlagen bis zu 25 % des er- zeugbaren Stroms abgeregelt. Entwicklungsstand der Technik Es handelt sich hier um eine einfache und kostengün- stige Technik, die sofort eingesetzt werden kann. Heute vorhandene installierte Leistung Elektrokessel werden bereits vereinzelt in Wärmenet- zen eingesetzt, meist um negative Sekundärregellei- stung anzubieten. Ein Einsatz im o. g. Sinne findet bis- her jedoch nicht statt, da hierfür die entsprechenden Anreize fehlen. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Insgesamt ist in deutschen Wärmenetzen eine Wär- meleistung von ca. 65 GW installiert, die prinzipiell zeitweise durch Elektrokessel ersetzt werden könnte. Dieses Potenzial ist jedoch nur zu einem Teil nutzbar, da zum einen die maximale Wärmeleistung nur an den kältesten Tagen des Jahres benötigt wird, zum an- deren Windenergieangebot und Wärmebedarf nicht immer gut korrelieren. An sehr kalten Tagen (konti- nentale Hochdruckwetterlagen) ist meist wenig Wind. Andererseits herrschen an windreichen Tagen meist milde Temperaturen (maritime Tiefdruckwetterlagen). Gemäß einer Studie im Auftrag des AGFW erlaubt die flächendeckende Installation von elektrischen Zusatz- heizungen in Wärmenetzen mit der gleichen Leistung wie die Wärmespeicher zusätzlich die Integration von 7 bis 11,7 GW an erneuerbar erzeugtem Strom [9]. Überschussstrom zu Wärme kann grundsätzlich auch in dezentralen Heizungen eingesetzt werden. Hierfür müssten Heizpatronen in Wärmespeichern, Kesseln oder direkt an Heizkörpern nachgerüstet werden, die vom Verteilnetzbetreiber direkt angesteuert werden können. Der Aufwand ist hier ähnlich hoch wie beim Lastmanagement in Haushalten. Kostengünstiger zu erschließen ist das Potenzial in Fern- und Nahwärme- netzen. 3

37 Maximale Bereitstellungsdauer Die Bereitstellungsdauer ist unbegrenzt, solange ein entsprechender Wärmebedarf zu decken ist. In Ab- hängigkeit von der Außentemperatur steht i. d. R. nur ein Teil der maximalen Wärmeleistung zu Verfügung. Laständerungsgeschwindigkeit und Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand Die Leistung kann innerhalb von wenigen Minuten bereitgestellt werden. Somit ist auch ein Einsatz am Markt für Sekundärregelenergie möglich. Kosten und Wirtschaftlichkeit Die Kosten für die Errichtung eines Elektrokessels in Wärmenetzen liegen bei ca. 70 bis 100 €/kW. Die Wirtschaftlichkeit hängt von der Häufigkeit und der Dauer von Abregelungen Erneuerbarer Energien ab. Es gibt Situationen, in denen Überschussstrom zu Wärme heute wirtschaftlich sein kann. Diese sind jedoch vom Wärmenetzbetreiber kaum einschätzbar. Insbesondere kann durch Netzausbau das vorhan- dene Potenzial wieder verringert werden. Daher wird kein Investor einen Elektrokessel ausschließlich zur Nutzung von Windstromüberschüssen installieren. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Ohne Netzengpässe erscheint der Einsatz erst nach 2020 sinnvoll zu sein. Bei regionalen Netzengpässen in Verteilnetzen, wie sie in West-Schleswig-Holstein bereits häufig auftreten, ist der Einsatz heute schon sinnvoll, um Windstrom zu nutzen, der sonst abgere- gelt werden müsste. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die Wärmesenke in räumlicher Nähe zu den EE-Anlagen befindet. Umsetzungshemmnisse • Grundsätzlich sind für Elektrokessel Netzent- gelte und Umlagen zu zahlen. Damit liegen die Wärmeerzeugungskosten immer höher als in Gaskesseln, so dass sich der Einsatz eines Elektrokessels nicht lohnt. • Derzeit gibt es kein Verfahren für die exakte Zu- ordnung des überschüssigen Stroms zum Ein- satz in Elektrokesseln und für dessen Beprei- sung. • Die alleinige Nutzung des Kessels zur Nutzung der Windstromüberschüsse ist aus Sicht des Investors sehr risikoreich, da die nutzbaren Mengen schwer prognostizierbar sind. Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Die Nutzung des Überschussstroms in Elektrokesseln sollte von Netzentgelten und Umlagen befreit werden. Dies ist auch sachgerecht, da in der hier unterstellten Anwendung eine Systemdienstleistung zur Entlastung der Netze erbracht wird analog zur Regelenergie, für deren Bereitstellung Elektrokessel ebenfalls von die- sen Zahlungen befreit sind. Um Überschussstrom zu Wärme im Falle von Net- zengpässen anwenden zu können, muss es Rege- lungen geben, die eine Ansteuerung des Elektrokes- sels durch den Netzbetreiber ermöglichen und es müssen finanzielle Anreize für Wärmenetzbetreiber geschaffen werden, den Elektrokessel im Sinne des Überschussstrom zu Wärme-Konzeptes einzusetzen. Ein entsprechendes Konzept wäre noch zu erarbei- ten. 3.2 Bedarfsgerechtere EE-Stromerzeugung 3.2.1 Einspeisemanagement Wind & PV Beschreibung der Technik Unter Erzeugungs- oder Einspeisemanagement ver- steht man die Reduzierung der Einspeiseleistung oder das komplette Abschalten („abregeln“) von Windkraft- oder PV-Anlagen, wenn es für den dort erzeugbaren Strom zu diesem Zeitpunkt keine Nachfrage gibt. Da- mit wird auf Stromerzeugung, die nahezu kostenlos und CO 2 -frei ist, verzichtet. Diese Situation kann auf- treten, wenn die Residuallast so niedrig ist, dass unter 3

38 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Berücksichtigung der Must run-Leistung konventio- neller Kraftwerke zur Aufrechterhaltung der System- stabilität ein Stromüberschuss entstehen würde. Bei bundesweiter Betrachtung unter der Annahme, es gebe keine Netzrestriktionen, treten diese Situationen in nennenswertem Umfang erst nach 2020 auf (vgl. Kapitel 2). Regional können solche Situationen jedoch auch heute schon auftreten, wenn in Verteilnetzen Netzengpässe bestehen, die den Transport der Ener- gie an Orte, wo sie verbraucht werden könnte, behin- dern. Insbesondere im Westen Schleswig-Holsteins werden heute bereits häufig Windkraftanlagen abge- regelt, wobei auf bis zu 25 % der möglichen Stromer- zeugung verzichtet wird. Entwicklungsstand der Technik Die Technik zur ferngesteuerten Abregelung der An- lagen ist vorhanden und wird bei neuen Windkraft- anlagen und großen PV-Anlagen 100 kW aufgrund entsprechender Vorschriften im EEG spätestens seit dem EEG 2009 standardmäßig installiert. Seit Anfang 2012 wurde die Regelung ausgeweitet auf kleinere PV-Anlagen, wobei Anlagen mit einer installierten Lei- stung von bis zu 30 kW auf Einrichtungen zur Abre- gelung verzichten können, wenn sie stattdessen ihre maximale Einspeiseleistung auf 70 % ihrer maximalen Leistung begrenzen. Heute vorhandene installierte Leistung Bestandsanlagen 100 kW wurden inzwischen fast vollständig mit Einrichtungen zur Abregelung nach- gerüstet. PV-Anlagen mit einer Leistung zwischen 30 und 100 kW, die ab Anfang 2009 in Betrieb ge- nommen wurden, müssen bis Ende 2013 nachgerü- stet werden. Nach Systemstabilitätsverordnung nicht nachrüstungspflichtig sind: • Anlagen im NS-Netz ≤ 10 kW • Anlagen im NS-Netz 10 und ≤ 100 kW, die vor dem 01.09.2005 installiert wurden • Anlagen im NS-Netz 100 kW, die vor dem 01.05.2001 installiert wurden • Anlagen im MS-Netz ≤ 30 kW • Anlagen im MS-Netz 30 kW, die vor dem 01.05.2001 installiert wurden In Summe betrifft dies eine Leistung von 4,4 GW. Dem gegenüber sind derzeit ca. 25 GW PV-Leistung abre- gelbar. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Grundsätzlich kann die gesamte künftig installierte Wind- und PV-Leistung, die über die 4,4 GW, die nicht unter die Nachrüstpflicht fallen, hinausgeht, abgere- gelt werden. Dies kann jedoch nicht sinnvoll sein, da möglichst viel Erneuerbare Energie genutzt werden soll. Die Frage ist, wieviel Abregelung geduldet wer- den soll, da der Verzicht auf wenige Kilowattstunden in selten auftretenden Extremsituationen kostengün- stiger ist als ein aufwändiger Netzausbau oder die Langzeitspeicherung der Energie. Tolerierbare Abregelleistung Um die Auswirkungen der Abregelung abzuschätzen, wurden Auswertungen der historischen Einspeiselast- gänge für Windenergie und PV vorgenommen. Wenn die Summeneinspeiseleistung aller Windkraftanlagen in Deutschland auf 70 % der maximal aufgetretenen Einspeiseleistung begrenzt worden wäre, hätte dies im Jahr 2011 zu einem Verlust an Stromerzeugung aus Windkraft von 1,3 %, in 2012 (bis Mitte Oktober) von 1,8 % geführt. Bei Begrenzung auf 80 % liegt der Verlust bei ca. 0,5 %. Neuerdings werden Windkraft- anlagen zunehmend für den Einsatz bei Schwach- wind optimiert, was zu deutlich höheren Vollbenut- zungsstunden führt. Für diese Anlagen sind kleinere Abregelleistungen tolerierbar, da der Arbeitsverlust hier höher liegt als bei konventionellen Anlagen. Die Begrenzung der PV-Einspeiseleistung auf 70 bzw. 80 % der maximalen Einspeisung hätte in 2012 zu einem Arbeitsverlust von 2,0 % bzw. 0,5 % geführt. Bei Betrachtung einzelner Anlagen fallen die Verluste i. d. R. etwas höher aus. Die Betrachtung von zwei Beispielanlagen, je eine in Nord- und in Süddeutsch- 3

39 land führt bei Begrenzung auf 70 % zu einem Arbeits- verlust von 3,1 bzw. 3,6 %, bei Begrenzung auf 80 % von unter 1 %. Die Auswertung zeigt, dass sehr hohe Einspeiselei- stungen nur in relativ wenigen Stunden des Jahres auftreten, so dass eine Abregelung in einem Umfang von 20 % der Maximalleistung mit einem Verlust von weniger als 1 % der Stromerzeugung derzeit vertret- bar erscheint. Bei deutlich darüber hinaus gehenden Abregelmengen sollte in jedem Fall das Netz ausge- baut werden. Maximale Bereitstellungsdauer Die maximale Bereitstellungsdauer ist nicht begrenzt. Die Anlagen können solange wie erforderlich abge- schaltet oder mit reduzierter Leistung betrieben wer- den. Abschaltgeschwindigkeit und Laständerungsgeschwindigkeit Die Anlagen lassen sich innerhalb von Sekunden bis wenigen Minuten abschalten oder in ihrer Leistung begrenzen. Dadurch kann diese Maßnahme auch hervorragend für negative Regelenergie bis hinunter zur Primärregelung genutzt werden. Damit erübrigt es sich bei einem hohen EE-Angebot, konventionelle Kraftwerke mit höherer Leistung als ihrer Mindestlast zu fahren. Durch eine angedrosselte Fahrweise von Windkraftanlagen könnten diese in der Zukunft auch positive Regelenergie liefern und somit die Must run Leistung konventioneller Kraftwerke reduzieren und langfristig vollständig überflüssig machen. Laständerungspotenzial Das negative Laständerungspotenzial umfasst theo- retisch die gesamte jeweils installierte Leistung inner- halb von wenigen Minuten. Kosten Die Kosten der Abregelung sind derzeit die Entschä- digungszahlungen an den Anlagenbetreiber nach §12 EEG. Diese betragen 95 % der entgangenen Erlöse, solange die abgeregelte Strommenge 1 % der pro Jahr erzeugten Menge beträgt, darüber 100 %. Wirtschaftlichkeit Die Wirtschaftlichkeit ist in Relation zu alternativen Maßnahmen zu sehen wie Netzausbau, Lastmanage- ment oder Speicherung. Solange nur geringe Men- gen abgeregelt werden, wird dies die wirtschaftlichste Maßnahme sein. Für diese Maßnahme greift aber kein reiner Wirtschaftlichkeitsvergleich, da hierbei im Gegensatz zu allen anderen Flexibilitätsoptionen auf potenzielle EE-Erzeugung verzichtet wird, deren vor- rangige Nutzung ja das Ziel der Energiewende ist. Bei sehr hohen Anteilen Erneuerbarer Energien im System können deutlich höhere Abregelmengen wirt- schaftlich sein, da die Errichtung von Überkapazitäten Erneuerbarer Energien, die zeitweise abgeregelt wer- den, kostengünstiger sein kann als die Speicherung des Stroms. In [11] wurde für ein Energieversorgungs- system mit 100 % Erneuerbaren Energien ein wirt- schaftliches Optimum von 20 % abgeregelter Wind- stromerzeugung ermittelt. Für das BEE-Szenario 2030 wurde die Relation von Strom speichern zu abregeln ermittelt. Das Resultat zeigt Abbildung 24. Ohne Speichern verliert man die gesamten Überschüsse in Höhe von 10,6 % der Er- zeugung aus Wind und PV. Bei einer Auslegung der Speicher auf 50 % des für eine vollständige Speiche- rung erforderlichen Speichervolumens verliert man nur noch 1 % dieser Erzeugung. Wird das Speichervolu- men auf nur 10 % begrenzt, kann man bereits mehr als die Hälfte des Überschussstroms nutzen. Da das Stromspeichern teuer ist (vgl. Ergebniszusammenfas- sung), wird es ein wirtschaftliches Optimum zwischen Speichern und Abregeln geben. 3.2.2 Strombedarfsgerechte Fahrweise von Laufwasserkraftanlagen Beschreibung der Technik Laufwasserkraftwerke können durch kurzfristiges Auf- stauen bzw. kurzfristig verstärkten Abfluss und damit Absenkung des Wasserpegels Regelenergie bereit- stellen („Schwell- oder Schwallbetrieb“). 3

40 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Entwicklungsstand der Technik Die Technik steht zur Verfügung. Heute vorhandene installierte Leistung In Deutschland war in 2010 eine Laufwasserkraft- werksleistung von 3.634 MW installiert [12]. Diese laufen heute i. d. R. in der Grundlast bzw. in Abhän- gigkeit vom saisonal schwankenden Wasserangebot mit der hieraus sich ergebenden maximalen Leistung. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Es besteht nennenswertes Ausbaupotenzial für Laufwasserkraftanlagen, welches aber kaum ausge- schöpft werden kann. Grund sind die hohen ökolo- gischen Auflagen (zur Umsetzung der Wasserrah- menrichtlinie) und (in zweiter Linie) die für den Bau der Wasserkraftanlage und für die Umsetzung der Um- weltauflagen nicht ausreichende Vergütung. Die vor- handenen Anlagen könnten aber im Schwellbetrieb gefahren werden und damit sehr kurzfristig positive und negative Regelenergie bereitstellen. Vorausset- zung für die Erzeugung von positiver Regelenergie ist eine gedrosselte Fahrweise. Hierbei wird auf einen Teil möglicher Stromerzeugung aus Wasserkraft verzich- tet. Maximale Bereitstellungsdauer Die maximale Bereitstellungsdauer hängt davon ab, welche Pegeländerungen zulässig sind. Hier gibt es Restriktionen durch Schifffahrt, Fischerei, Hochwas- serschutz, etc. I. d. R. sind Absenkungen um 0,15 bis 0,25 m zulässig. Für diese Absenkungen liegen die Bereitstellungsdauern unter der Annahme der halb- en maximalen Leistung als Regelleistung im Bereich zwischen ca. 10 und 30 Minuten. Längere Speicher- dauern sind möglich, wenn größere Pegeländerungen zugelassen würden oder wenn zusätzliche Speicher- becken vorhanden sind oder angelegt werden. Abbildung 24: Abregeln versus Speichern 0% 2% 4% 6% 8% 10% 12% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% v er l o ren e   E E -­‐ Ar b e it   Speichervolumen  in  %  des  Bedarfs   verlorene  Arbeit  in  %  der  EE-­‐Erzeugung BEE-­‐Szenario  2030: -­‐ 79%  Erneuerbare  Energien -­‐ 10,6%  Überschuss  Wind  &  PV 3

41 Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand und Laständerungsgeschwindigkeit Die volle Leistung kann innerhalb von Sekunden akti- viert werden. Aufgrund der kurzen maximalen Bereit- stellungsdauern in Kombination mit der schnellen Ver- fügbarkeit liegt der Einsatzbereich bei der Primär- und Sekundärregelenergie. Laständerungspotenzial Unter der Annahme einer auf 50 % gedrosselten Fahr- weise und Beschränkung auf große Anlagen besteht ein Potenzial von ca. +/- 1,3 GW, das innerhalb von Sekunden zur Verfügung stehen kann. Kosten und Wirtschaftlichkeit Kosten entstehen keine, solange die vorhandenen Kraftwerke genutzt werden. Die Wirtschaftlichkeit ei- ner entsprechenden Fahrweise hängt von den Rege- lenergiepreisen ab. Den Regelenergieerlösen sind im Falle positiver Regelenergiebereitstellung die entgan- genen Stromerlöse durch die gedrosselte Fahrweise gegenzurechnen. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Die Technik wird bei entsprechenden Preissignalen angewendet werden, sofern dem keine wasserrecht- lichen Restriktionen entgegenstehen. Umsetzungshemmnisse Wasserrechtliche Vorschriften können den Einsatz der Technik einschränken. Insbesondere kleinere Was- serkraftanlagen haben fast immer eine genehmigte Staumarke sehr strikt einzuhalten. Ggf. sollten diese Vorschriften im Hinblick auf die Nutzung der vorhan- denen Potenziale und die tatsächlichen ökologischen Folgen eingeschränkt wechselnder Wasserstände überprüft werden. 3.2.3 Strombedarfsgerechte Fahrweise Biomasse Begriffsdefinition In der Biomassebranche wird der Begriff „stromge- führte Fahrweise“ anders verwendet als in anderen Bereichen der Energiewirtschaft, nämlich als Grund- lastfahrweise über mehr als 8.000 Stunden pro Jahr. Demgegenüber bedeutet „stromgeführt“ in anderen Bereichen, dass die Anlage nur dann läuft, wenn zu- sätzlich zu den Einspeisungen aus fluktuierenden Er- neuerbaren Energien Strombedarf besteht. Um Miss- verständnissen vorzubeugen werden daher hier und im Folgenden die Begriffe „Strombedarfsgerechte Fahrweise“ oder „am Strombedarf orientierte Fahr- weise“ verwendet. Beschreibung der Technik Um ein Biogas-BHKW am Strombedarf orientiert fahren zu können, ist sowohl die Errichtung eines Gasspeichers, eines Wärmespeichers als auch eine Leistungserhöhung des BHKW erforderlich, da die er- zeugte Brennstoffmenge in kürzerer Zeit in Strom und Wärme umgewandelt werden muss. Das BHKW wird nur dann betrieben, wenn wenig Strom aus Wind und Solarenergie produziert wird, d. h. bei hohen Strom- börsenpreisen. Um den Taktbetrieb des BHKW zu ermöglichen, muss das im Fermenter kontinuierlich erzeugte Biogas in einem Gasspeicher gespeichert werden. Des Weiteren ist die im BHKW erzeugte Wär- me zu speichern, um sie kontinuierlich zur Verfügung stellen zu können. Auf den Gasspeicher kann verzich- tet werden, wenn das Biogas als Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist wird, da dann das Gasnetz die Speicherfunktion übernimmt und damit auch die Speicherung über längere Zeiträume möglich ist (sie- he Abbildung 26). Auch mit fester Biomasse befeuerte Anlagen lassen sich am Strombedarf orientiert fahren. Bei diesen An- lagen ist ohnehin ein Brennstofflager vorhanden. Je nachdem wie groß dieses dimensionert ist, ist even- tuell eine Erweiterung erforderlich. Auch hierbei muss die Anlagenleistung erhöht und ein Wärmespeicher installiert werden. 3

42 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Abbildung 25: Flexibilisierung einer bestehenden Biogasanlage Abbildung 26: Funktionsschema Biomethaneinspeisung ins Erdgasnetz BHKW alt Fermenter Strom Nutzwärme Biogas Bio- masse Altanlage Wärme- speicher BHKW- Modul neu Gasspeicher Nutzwärme Strom Biogas Anlagen- erweiterung Einspeisesta)on   Gasau.ereitung   Wärme   Gülle   Nachwachsende     Rohstoffe   Gärrestelager   Fermenter   Erdgasnetz   Strom   Trockener  WirtschaBsdünger   KraBstoff   Flüssiger  WirtschaBsdünger   Quelle:  agri.capital   3

43 Entwicklungsstand der Technik Die Technik ist vorhanden und erprobt. Heute vorhandene installierte Leistung Im Jahr 2011 waren 6,9 GW an Biomasseanlagen installiert. Diese wurden bisher ausschließlich in der Grundlast eingesetzt. Grundsätzlich besteht ein Po- tenzial, alle Anlagen strombedarfsorientiert zu betrei- ben, sofern sie mit den entsprechenden Komponen- ten nachgerüstet werden. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Das Potenzial ergibt sich aus dem geplanten Zubau an Biomasseanlagen. Würden alle Biomasseanlagen für eine am Strombedarf orientierte Fahrweise nach- gerüstet bzw. ausgelegt, ergäbe sich für das Jahr 2020 ein Potenzial für Lastverlagerungen von ca. +/- 15 GW, das bis 2030 auf +/- 20 GW ansteigt. Das nutzbare Potenzial kann durch geringen Wärmebe- darf eingeschränkt werden. Maximale Bereitstellungsdauer Mit dieser Maßnahme lässt sich eine Verlagerung über einige Stunden erzielen. Zum Beispiel kann der Gasspeicher nachts und zur Mittagszeit bei viel PV- Erzeugung geladen werden und in den Morgen- und Abendstunden entladen werden. Eine Verlagerung über Tage hinweg lohnt sich nicht wegen des un- verhältnismäßig hohen Speicherbedarfs mit entspre- chenden Investitionskosten. Beliebig lange speicher- bar ist Biogas, wenn es zu Biomethan aufbereitet ins Erdgasnetz eingespeist wird. Bei einer Verstromung in BHKW wird aber die Verlagerungsdauer durch die Speicherkapazität des Wärmespeichers begrenzt. Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand und Laständerungsgeschwindigkeit Biogas-betriebene BHKW lassen sich in weniger als 5 Minuten aus dem Stillstand auf maximale Lei- stung hochfahren und wieder abschalten und können auch im Teillastbetrieb gefahren werden. Bei entspre- chender Bündelung vieler Anlagen lässt sich somit auch Sekundärregelenergie und Minutenreserve be- reitstellen. Feststoff befeuerte Anlagen mit Dampfprozess sind langsamer im Regelverhalten. Bei diesen Anlagen ist es voraussichtlich sinnvoller, sie nur im Bereich zwi- schen Mindest- und Höchstlast zu regeln. Laständerungspotenzial Etwa zwei Drittel der Biomasseanlagen sind Biogas- anlagen. Ein Drittel sind Feststoff befeuerte Anlagen mit Dampf- oder ORC-Prozess. Bei BHKW-Anlagen kann wegen der schnellen Zu- schaltmöglichkeit als Laständerungspotenzial die gesamte installierte Leistung genutzt werden. Bei Anlagen mit Verbrennung fester Biomasse steht als Laständerungspotenzial wegen der längeren Anfahr- zeiten i. d. R. nur die Differenz zwischen Mindest- und Höchstlast zur Verfügung. Kosten Die Stromgestehungskosten für Elektrizität aus neu- gebauten Biogasanlagen liegen momentan bei 12,3 ct/kWh und damit deutlich über den Kosten für kon- ventionelle Stromerzeugung [13]. In [14] wurden für die Anlagenerweiterung für eine am Strombedarf orientierte Fahrweise zusätzliche Stromerzeugungs- kosten von 2-4 ct/kWh ermittelt, wobei der untere Wert eher für größere Anlagen (500 bis 1000 kW bei Grundlasterzeugung) und eine Leistungserhöhung um 50 %, der obere für kleinere Anlagen (190 kW bei Grundlasterzeugung) mit einer Leistungserhöhung um 100 % gilt. Seit 2012 gibt es im EEG die Flexibilitätsprämie, die für eine Leistungserhöhung der Anlage ohne Erhö- hung der erzeugten Strommenge gezahlt wird. Diese beträgt 130 €/kW zusätzlicher elektrischer Leistung gegenüber der für Grundlasterzeugung erforderlichen Leistung über einen Zeitraum von 10 Jahren. Umge- rechnet auf die Gesamtleistung der Anlage nach Fle- xibilisierung und somit auf die verlagerbare Leistung sind dies bei 50 % Leistungserhöhung 43 €/(kW a) bzw. 1,1 ct/kWh bei 4.000 Volllaststunden. 3

44 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Wirtschaftlichkeit Die Wirtschaftlichkeit von Biomasseanlagen hängt derzeit noch von der EEG-Vergütung ab. Diese ist so bemessen, dass die Wirtschaftlichkeit in der Regel bei üblichen Investitionskosten und günstig verfügbarer Biomasse, gegeben ist. Die zusätzliche Flexibilitäts- prämie sollte, um ihre Lenkungswirkung zu erzielen, die Amortisation der größeren Auslegung und der Er- richtung von Gas- und Wärmespeicher bewirken. Die Flexibilitätsprämie muss nicht die gesamten zusätz- lichen Investitionskosten decken, da die Anlage durch den flexiblen Betrieb auch höhere Erlöse am Strom- markt realisieren kann. Die Differenz zwischen dem Durchschnittsbörsenpreis für die 4.000 teuersten Stunden und dem Basepreis lag in 2011 bei 1,1 ct/ kWh. Dies ist als Obergrenze der zusätzlichen Erlöse zu sehen, da es nicht möglich ist, immer genau die teuersten Stunden zu treffen. Realistisch erscheint die Realisierung von ca. der Hälfte dieses Betrages. Unter Ansatz von zusätzlichen Stromerlösen von 0,5 ct/kWh und 1,1 ct/kWh Flexibilitätsprämie werden die in [14] angegebenen zusätzlichen Kosten von 2 bis 4 ct/kWh noch nicht erreicht. Im Vergleich zu Stromspeichern handelt es sich hier aber um eine sehr kostengünstige Ausgleichsoption. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Ein Einsatz dieser Technik erscheint großflächig sinn- voll nach 2020, vorher unter Umständen in Gebieten mit Netzengpässen zur Vermeidung der Abregelung von EE-Anlagen. Insbesondere ist eine Kopplung mit PV-Anlagen bei hoher PV-Leistung in Verteilnetzen sinnvoll. Durch diese Kopplung kann unter Umstän- den auf eine aufwändige Netzverstärkung verzichtet werden. Eine Förderung der Errichtung der Technik für flexiblen Einsatz ist heute schon sinnvoll, da mit relativ geringem Zusatzaufwand ein nicht geringes Flexibilitätspotenzial erschließbar ist und die Anlagen, die heute errichtet werden, auch nach 2020 noch im Betrieb sind. Umsetzungshemmnisse • Zusätzliche Investitionskosten • Erhöhte Wartungs- und Instandhaltungskosten • Informationsdefizite bei den Betreibern bezüg- lich bedarfsorientierter Energiebereitstellung und Direktvermarktung • Derzeit geringe Spreads bei den Börsenpreisen • Anlagenbegriff im EEG: wenn eine zusätzliche Leistung installiert wird, gibt es rechtliche Un- sicherheiten, ob die zusätzliche Leistung eine „Neuanlage im Sinne des EEG“ ist oder Teil der Bestandsanlage ist. Dies hat wiederum Auswir- kungen auf die Marktprämie. Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Seit 2012 wurde mit der Flexibilitätsprämie im EEG erstmals ein Anreiz geschaffen, die Leistung der An- lagen entsprechend zu erhöhen. Die Höhe reicht aber i. d. R. für eine Amortisation der zusätzlichen Investi- tionen noch nicht aus. Dementsprechend wurde die Flexibilitätsprämie bisher kaum in Anspruch genom- men. Als zusätzliche Maßnahme könnte das EEG so ge- ändert werden, dass Biomasseanlagen, die aufgrund von Überschüssen abgeregelt werden müssen, für den nicht erzeugten Strom keine Vergütung erhalten. 3.2.4 Verbesserte Auslegung von Wind- und PV-Anlagen Unter diesem Punkt werden folgende unterschied- liche Maßnahmen subsumiert: 1. Die großräumige regionale Verteilung von Wind- und PV-Anlagen 2. Höhere Nabenhöhe bei Windkraftanlagen 3. Veränderung des Verhältnisses von Rotorfläche zu Generatorleistung 4. Reduzierte Wechselrichterleistung bei PV-Anla- gen 5. PV-Anlagen mit Ost- oder Westausrichtung 3

45 Alle hier genannten Maßnahmen führen nicht zu hö- herer kurzfristiger Flexibilität, sind aber ggf. geeignet, den Flexibilitätsbedarf von vornherein zu senken. 1. Großräumige Verteilung von Wind- und PV- Anlagen Eine großräumige Verteilung der Anlagen ist bereits weitgehend gegeben. Sie führt aufgrund unterschied- licher Windstärken und Sonneneinstrahlung an un- terschiedlichen Orten automatisch zu Ausgleichsef- fekten. Ein gezielter Zubau in bestimmten Gebieten würde den Bedarf an Flexibilität wahrscheinlich nur wenig senken können, da bereits eine relativ gute Durchmischung vorhanden ist. Das EEG fördert be- reits die Errichtung von Windkraftanlagen an wind- schwächeren Standorten durch die Dauer der Zah- lung der höheren Anfangsvergütung in Abhängigkeit vom Windertrag. Anders ist die Situation im Falle von bestehenden Net- zengpässen. Wenn ohnehin schon ein Netzengpass besteht, wird eine zusätzliche Leistung Erneuerbarer Energien zu zusätzlicher Abregelung von Anlagen füh- ren. Der Bau von Anlagen in Gebieten ohne Netzeng- pässe ist dem vorzuziehen. Eine stärkere räumliche Steuerung der Errichtung zusätzlicher EE-Leistung könnte ggf. Netzausbau vermeiden. Ein Anreiz, die Windkraftanlagen nicht in Gebieten mit Netzengpäs- sen zu errichten, könnte dadurch geschaffen werden, dass nicht nutzbarer Überschussstrom nicht mehr vollständig vergütet wird. 2. Höhere Nabenhöhe bei Windkraftanlagen Eine höhere Nabenhöhe führt aufgrund der mit der Höhe zunehmenden Windgeschwindigkeit zu höheren Erträgen und somit höheren Vollbenutzungsstunden. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen werden daher ohne- hin zunehmend Anlagen mit größeren Nabenhöhen errichtet. Dies ändert aber nichts an den maximalen Gradienten und maximalen und minimalen Leistun- gen. Eine höhere Flexibilität entsteht nicht. 3. Veränderung des Verhältnisses von Rotorfläche zu Generatorleistung Hierbei handelt es sich quasi um eine vorweg genom- mene Abregelung bei Überschreiten einer bestimm- ten Leistung. Der Generator wird nicht für den maxi- mal möglichen Windertrag der Rotorblätter ausgelegt, sondern kleiner. Dadurch erhöhen sich die Vollbenut- zungsstunden, aber für eine kleinere Leistung. Die Windstromerzeugung sinkt geringfügig. Die Spitzen bei sehr starkem Wind werden dadurch gekappt. Die Anlage wird in diesem Fall nicht mehr nur dann abgeregelt, wenn dies aus Netzsicht erforderlich ist (z. B. bei Schwachlast), sondern immer bei Erreichen der maximalen Leistung, auch wenn dies nicht erfor- derlich wäre. Eine situationsabhängige Abregelung scheint daher grundsätzlich die sinnvollere Maßnah- me zu sein. Ein Vorteil ergibt sich nur dann, wenn die Einspeise- leistung aufgrund von nicht zu behebenden Netzre- striktionen begrenzt ist. In diesem Fall lässt sich mit der Leistungsbegrenzung der einzelnen Anlagen eine größere Erneuerbare Energiemenge in das Netz einspeisen. Abbildung 27 zeigt den Einfluss der Lei- stungsbegrenzung auf den Arbeitsverlust und die Vollbenutzungsstunden für einen realen Windpark mit den Winderträgen aus 2011. Bei einer Reduzierung der maximalen Leistung um 40 % verliert man z. B. nur 7 % der Erzeugung, die Vollbenutzungsstunden erhöhen sich von 1.763 auf 2.727. 4. Reduzierte Wechselrichterleistung bei PV- Anlagen Diese Maßnahme ist wie die zuvor genannte eine vorweg genommene Abregelung bei Überschreiten einer bestimmten Leistung. Die Erzeugungsspitzen bei starker Sonneneinstrahlung im Sommer werden gekappt und nicht genutzt. Bei Anlagen 30 kW wird dies heute bereits praktiziert, wenn die Anlagen nicht mit Einrichtungen zur Abregelung ausgestattet sind. Die Einspeiseleistung wird auf 70 % begrenzt. Bei Kleinanlagen scheint dieses Vorgehen in zeitweise überlasteten Netzen gerechtfertigt zu sein, da sich die technischen Einrichtungen zur Abregelung dort nicht lohnen und die Abregelarbeit mit 3 bis 4 % relativ ge- 3

46 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien ring ist. Insgesamt lässt sich damit, solange es keine Speicher gibt und Netzengpässe vorhanden sind, ein höheres PV-Potenzial nutzen. Eine situationsabhän- gige Abregelung ist aber in jedem Fall die sinnvollere Maßnahme, da durch die Begrenzung jeder Einzelan- lage deutlich mehr Strom abgeregelt wird als für den Betrieb des Verteilnetzes erforderlich wäre. Insbe- sondere bei Wetterlagen mit relativ starker Cumulus- Bewölkung (typisch bei Rückseite einer Kaltfront oder bei jungen Hochdruckwetterlagen) werden im Verteil- netz wechselweise Anlagen ver-schattet, so dass die maximale Einspeiseleistung im Netz ohnehin auf 50 bis 75 % der installierten Leistung begrenzt bleibt, ob- wohl die einzelnen Anlagen zeitweise 100 % liefern. Die Abregelung wäre in diesem Fall unnötig. 5. PV-Anlagen mit Ost- oder Westausrichtung Durch Errichtung eines Anteils der PV-Anlagen in Ost- West-Richtung kann das Einspeiseprofil gestreckt werden. Die Erträge in den Morgen- und Abendstun- den steigen, während die Spitze zur Mittagszeit sinkt. Abbildung 28 zeigt die Einspeiseprofile für reine Süd-, Ost- und Westdächer sowie für eine Kombination aus 50 % Süddächern und je 25 % Ost- und Westdä- chern. Dabei wird deutlich, dass bei der Kombination vor allem die Spitze gegenüber reiner Südausrichtung sinkt, der Zusatzertrag in den Morgen- und Abend- stunden aber vernachlässigbar klein ist, weil Ost- und Westdächer sich hier nahezu kompensieren. Der ma- ximale Gradient sinkt bei der Kombination um ca. 20 %. Der Gesamtertrag eines Ost-Westdaches liegt nur bei ca. 80 % eines Süddaches. Somit erscheint die Maßnahme auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Eine situationsabhängige Abregelung ist die sinnvollere Maßnahme. Fazit Zusätzliche Anreize für eine „verbesserte“ Auslegung von Wind- und PV-Anlagen erscheinen nicht notwen- dig und sinnvoll, da die Effekte relativ gering sind und dabei auf mehr Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien verzichtet wird als nötig wäre. Abbildung 27: Einfluss der Leistungsbegrenzung auf Arbeitsverlust und Vollbenutzungsstunden 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500 5.000 0% 3% 6% 9% 12% 15% 18% 21% 24% 27% 30% 0, 0% 4, 1% 10 , 2% 17 , 5% 2 3 ,6 % 2 8 ,6 % 33 , 2% 37 , 5% 40 , 9% 4 3 ,6 % 46 , 5% 49 , 5% 51 , 4% 53 , 5% 55 , 7% 57 , 9% 59 , 3% 6 0 ,8 % 6 2 ,3 % 6 3 ,6 % 6 5 ,0 % 6 6 ,3 % 6 7 ,8 % h/a Leistungsbegrenzung Arbeitsverlust  in  % Vollbenutzungsstunden 3

47 3.3 konventionelle Kraftwerke (inkl. KWK) 3.3.1 Bestehende Kraftwerke Beschreibung der Technik Die bestehenden konventionellen Kraftwerke decken derzeit zusammen mit Pumpspeicherkraftwerken den heutigen Bedarf an Flexibilität. Sie fahren, motiviert durch die Strompreise am Spot-, Intraday- und Rege- lenergiemarkt die Residuallastkurve nach. Abbildung 29 zeigt die üblichen Flexibilitätseigenschaften be- stehender Kraftwerke sowie das Potenzial bei neuen Anlagen und Retrofits. Die Anlagen weisen i. d. R. ein relativ träges Laständerungsverhalten auf, das in Zu- kunft bei weiter steigenden EE-Anteilen möglicherwei- se nicht mehr ausreicht, den steilen Gradienten der Residuallast zu folgen. Heute vorhandene installierte Leistung Abbildung 30 zeigt die sogenannte Sterbelinie des be- stehenden deutschen Kraftwerksparks inkl. der Kraft- werke, die sich derzeit noch im Bau befinden unter der Annahme, dass darüber hinaus keine Kapazität zugebaut wird. Derzeit ist die installierte Kraftwerks- kapazität bei 87 GW. Diese nimmt ab 2014 aufgrund von Stilllegungen von Altanlagen und des Kernener- gieausstiegs relativ schnell ab. In 2020 werden ohne Berücksichtigung von Retrofitmaßnahmen noch 65 GW, in 2030 nur noch 32,5 GW am Netz sein. Maximale Bereitstellungsdauer Konventionelle Kraftwerke können ihre Leistung belie- big lange zur Verfügung stellen. Laständerungsgeschwindigkeit Die üblichen Laständerungsgeschwindigkeiten sind in Abbildung 29 dargestellt. Sie betragen i. d. R. 1 bis 2 % pro Minute, unter Inkaufnahme von erhöhtem Verschleiß sind bis zu 4 % pro Minute möglich. Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand Bei Dampfkraftwerken hängt die Zuschaltgeschwin- digkeit aus dem Stand davon ab, wie lange die An- lage vorher bereits stillgestanden hat. Man unter- scheidet zwischen Kalt-, Warm- und Heißstart. Das Hochfahren aus dem kalten Zustand nach einem Stillstand von mehr als 48 Stunden dauert bei älteren Stein- und Braunkohleblöcken bis zu 10 Stunden, bei GuD-Kraftwerken ca. 4 Stunden. Beim Heißstart (Still- 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Süddach Ostdach Westdach Süd-­‐Ost-­‐West-­‐Dach Abbildung 28: PV-Einspeiseprofile in Abhängigkeit von der Ausrichtung 3

48 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien stand weniger als 8 Stunden) reduziert sich die An- fahrzeit auf ca. 6 Stunden bei Braunkohle-, 3 Stunden bei Steinkohle und 1,5 Stunden bei GuD-Kraftwerken. Laständerungspotenzial Beim Laständerungspotenzial werden die Kernkraft- werke nicht berücksichtigt. Diese sind zwar auch re- gelbar. Sowohl aus technischen wie auch wirtschaft- lichen Gründen versuchen die Kraftwerksbetreiber jedoch den Teillastbetrieb zu vermeiden. In 2022 wird ohnehin das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet. Als Laständerungspotenzial steht die Differenz zwischen Mindestlast und Maximallast der Kraftwerke, die im Betrieb sind, zur Verfügung. Unter der Annahme der in Abbildung 29 angegebenen Mindestleistungen er- gibt sich für Braunkohle-, Steinkohle- und GuD-Kraft- werke ein Laständerungspotenzial von ca. 32 GW heute, 23,5 GW in 2020 und 14,4 GW in 2030. Die- ses Potenzial steht jedoch in voller Höhe nur dann zur Verfügung, wenn alle Anlagen am Netz sind und somit zwischen Mindest- und Höchstlast geregelt werden können. Der Gradient pro 15 Minuten beträgt im Jahr 2020 21,9 GW, im Jahr 2030 aufgrund von Kraftwerksstill- legungen noch 13,8 GW pro 15 Minuten. Kosten Bei der Nutzung der vorhandenen Kraftwerke ent- stehen keine direkten Kosten. Indirekte Kosten sind verringerte Deckungsbeiträge durch niedrigere Voll- laststunden. Wirtschaftlichkeit Die Wirtschaftlichkeit hängt von den Kraftwerkspa- rametern, von den Fixkosten der Anlage und von Abbildung 29: Flexibilität von Kraftwerken [15] 3

49 den Marktpreisen für Strom und Regelenergie so- wie Brennstoffe und CO 2 ab. Im Moment sind die Spreads zwischen Strom und Brennstoffpreisen so niedrig, dass selbst bei abgeschriebenen Kraftwerken die Stromerlöse nicht immer ausreichen, um die Fix- kosten zu decken. Dies gilt erst recht für Anlagen, die noch Kapitaldienst zu leisten haben. Die Marktsitua- tion führt daher möglicherweise zu einer vorzeitigen Stilllegung von Bestandsanlagen. 3.3.2 Retrofit bestehender Kraftwerke Beschreibung der Technik Durch Retrofit können die Flexibilitätseigenschaften bestehender Kraftwerke erheblich verbessert werden. Dies betrifft sowohl die Mindestteillast als auch die Regelfähigkeit. Durch folgende Maßnahmen können z. B. verringerte Mindestlasten erreicht werden [16]: • Feuerungssystem • Verbesserte Abstimmung des Systems Koh- lemühle - Brenner • Absperrbare Sekundärluftquerschnitte im Brenner • Verbesserung der Feuerraumsensorik J Stabilisierung des Verbrennungspro- zesses J aktives Verbrennungsluftmanagement J aktive Feuerraumüberwachung • Dampferzeuger • Bypass von Vorwärmern Abbildung 30: „Sterbelinie“ bestehender Kraftwerke; Quelle: BET- Kraftwerksdatenbank 3

50 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien • Kessel – Turbine • Bessere Abstimmung des Wasser-/Dampf- kreislaufs auf die Dampfturbine J Reduzierung der Drosselverluste Folgende Maßnahmen erhöhen den Wirkungsgrad und die Laständerungsgeschwindigkeit [16]: • Feuerungssystem • Indirekte Feuerung, Trockenbraunkohleein- satz, optimierte Brenner J Erhöhung der Laständerungsgeschwin- digkeit • Verbessertes Verbrennungsluftmanagement (laufzahlgeregelte Gebläse zur Brennerrege- lung) J Verbesserung des Teillastverhaltens • Dampferzeuger • Reduzierung der Wandstärke von dickwan- digen Bauteilen (Verteiler/Sammler) durch Erhöhung der absoluten Anzahl, Erhöhung der Linien, höherwertige Werkstoffe J Erhöhung der Laständerungsgeschwin- digkeit • Optimierung der Vorwärmstrecke (z.B. Ein- satz von Gasturbinen zur Speisewasservor- wärmung) J Wirkungsgradsteigerung, Leistungsstei- gerung • Optimierung von Komponenten (hydrau- lisches System, Pumpen, Ventile, ...) J Verbesserung des Teillastverhaltens, Wir- kungsgradsteigerung • Reduzierung des Eigenbedarfs durch supra- leitende Komponenten J Wirkungsgradsteigerung • Komponenten • Dampfturbine • Ventile (Androsselung der FD-Stellventile) • Sensorik (Optimierung der Lebensdauerü- berwachung) • Integration von Wärmespeichern (Heißwas- ser) ins Kraftwerk • Rauchgasreinigung • Frequenzregelung von Pumpen und Geblä- sen • Erneuerung der Leittechnik Entwicklungsstand der Technik Die bestehenden Kraftwerke erreichen in der Regel hinsichtlich Laständerungsgeschwindigkeit und Min- destlast nicht den Stand der Technik, da bisher keine Notwendigkeit hierfür bestand. Stattdessen wurde bisher ausschließlich auf maximalen Wirkungsgrad bei Volllast optimiert. Werden die Anlagen durch Re- trofit auf den heutigen Stand der Technik gebracht, lassen sich die Mindestlasten auf ca. 25 % bei Stein- kohlekraftwerken und auf je 40 % bei Braunkohle- und GuD-Kraftwerken absenken. Die Lastgradienten lassen sich bei Steinkohle- und GuD-Kraftwerken auf ca. 4 % erhöhen, bei Braunkohlekraftwerken auf ca. 2,5 %. Darüber hinaus bestehen Entwicklungspoten- ziale für eine weitere Verbesserung der Flexibilitäts- eigenschaften. Bis zu 10 %/min. Laständerungsge- schwindigkeit und eine Absenkung der Mindestlast auf 10 % werden für möglich gehalten [16]. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Die nutzbare Leistung erhöht sich durch Retrofit nur geringfügig. Es erhöht sich aber das Potenzial für schnellere Leistungsänderungen und für eine Absen- kung der Mindestlast und damit der Must run Lei- stung des Kraftwerksparks. Die Must run Leistung wird künftig eine wesentliche Restriktion für die Nut- zung Erneuerbarer Energien darstellen. Daher sind Maßnahmen zur Reduzierung der Mindestlast von Kraftwerken von besonderer Bedeutung. Unter der Annahme, dass bei 50 % aller Anlagen, die bis 2020 oder länger in Betrieb sind, ein Retrofit mit einer Absenkung der Mindestleistung von 50 % auf 30 % durchgeführt wird, erhöht sich das Lastände- rungspotenzial zwischen Mindest- und Höchstlast im Jahr 2020 um 2,9 GW auf 26,4 GW, im Jahr 2030 wegen weiterer Kraftwerksstilllegungen um 1,1 GW auf 15,5 GW. 3

51 Eine starke Leistungserhöhung lässt sich durch Er- richtung einer Vorschaltgasturbine erreichen. Hierbei werden die heißen Abgase aus der Gasturbine als Verbrennungsluft dem Kohlekessel zugeführt. Durch die Nutzung der Abgaswärme im Prozess wird Koh- leeinsatz eingespart und der Wirkungsgrad des Kraft- werks gesteigert. Maximale Bereitstellungsdauer Die Bereitstellungsdauer der Leistung ist beliebig lan- ge. Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand Die Anfahrzeiten lassen sich bei Heißstarts auf ca. 2,5 Stunden bei Steinkohle- und 4 Stunden bei Braun- kohlekraftwerken verkürzen. Die entsprechenden Werte für Kaltstarts liegen bei 5 bzw. 8 Stunden. Es besteht ein Potenzial für weitere Verkürzungen in Richtung 2 Stunden bei Heißstarts und 4 bis 6 Stun- den bei Kaltstarts. Laständerungspotenzial Das Laständerungspotenzial lässt sich für das Jahr 2020 um 4,4 GW/15 min. auf 26,3 GW/15 min. erhö- hen, für das Jahr 2030 um 1,6 auf 15,5 GW/15 min. Kosten und Wirtschaftlichkeit Die Kosten hängen stark von den im Einzelfall durch- geführten technischen Maßnahmen ab. Um nennens- werte Verbesserungen der Flexibilität zu erreichen, sind entsprechend umfangreiche Umbauten und Er- neuerungen von Anlagenkomponenten erforderlich, deren Investitionsumfang schnell bei 20 bis 30 % des Neubaus eines Kraftwerks liegen können. Dementsprechend können auch keine allgemeinen Aussagen zur Wirtschaftlichkeit getroffen werden. Die Hauptmotivation für ein Retrofit wird i. d. R. die Verlängerung der Lebensdauer der Anlage sein. Die Verbesserung der Flexibilitätseigenschaften ist dann eine zusätzliche Zielsetzung, um die wirtschaftlichen Chancen in einem enger werdenden Markt zu erhö- hen. Im Vergleich zum Neubau eines Kraftwerks kann das Retrofit die preiswertere und wirtschaftlichere Al- ternative sein. Die Wirtschaftlichkeit wird aber auch hier durch die aktuell niedrigen Spreads derzeit nur schwer zu erreichen sein. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Im Falle von geplanten Retrofits sollten Maßnahmen zur Erhöhung der Flexibilität unbedingt umgesetzt werden. Insbesondere die Absenkung der Mindest- leistung ist von großer Bedeutung, da hierdurch die Must run Leistung der konventionellen Kraftwerke ge- senkt wird und somit künftig weniger EE-Überschüs- se entstehen. Umsetzungshemmnisse Umsetzungshemmnisse sind vor allem die niedrigen Spreads, durch die eine Investition in ein Retrofit oft nicht wirtschaftlich ist. Zwar werden durch eine Ab- senkung der Mindestleistung die Deckungsbeitrags- verluste bei niedrigen Preisen verringert. Dieser Vorteil wird allein jedoch nicht die Investition rechtfertigen können. Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Maßnahmen zum Abbau der Hemmnisse können ins- besondere Anpassungen des Marktdesigns in Rich- tung einer Honorierung der Leistungsbereitstellung, z. B. in Form eines Kapazitätsmarktes sein. 3.3.3 Neubau hochflexibler thermischer Kraftwerke Beschreibung der Technik Bei neuen Kraftwerken kann das Potenzial neuer Technologien und Werkstoffe, die eine Flexibilitätsstei- gerung ermöglichen, direkt genutzt werden. Entwicklungsstand der Technik Die Kraftwerkstechnik ist lange erprobt und wird stän- dig verbessert. Inzwischen werden die Anlagen mehr in Richtung Flexibilitätssteigerung als in Richtung Wir- kungsgraderhöhung optimiert. Der Stand der Technik und das Entwicklungspotenzial ist in Abbildung 29 dargestellt. 3

52 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Potenzial für künftig nutzbare Leistung Das Potenzial ist grundsätzlich beliebig groß. Die Fra- ge ist, wieviel neue Kraftwerksleistung erforderlich bzw. sinnvoll ist und wirtschaftlich betrieben werden kann. Maximale Bereitstellungsdauer Die Bereitstellungsdauer ist beliebig lang. Laständerungsgeschwindigkeit Die Laständerungsgeschwindigkeiten lassen sich bei neuen Kraftwerken voraussichtlich auf 4, 6 bzw. 8 %/ min. (Braunkohle, Steinkohle, GuD) erhöhen, eventu- ell auch noch höher bis zu 10 %/min., was bedeutet, dass der gesamte Regelbereich innerhalb von weni- ger als 10 Minuten durchfahren werden kann. Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand Die Anfahrzeiten neuer Kraftwerke liegen heute bei Heißstarts bei ca. 2,5 Stunden bei Steinkohle- und 4 Stunden bei Braunkohlekraftwerken. Die entspre- chenden Werte für Kaltstarts liegen bei 5 bzw. 8 Stunden. Es besteht ein Potenzial für weitere Verkür- zungen in Richtung 2 Stunden bei Heißstarts und 4 bis 6 Stunden bei Kaltstarts. Laständerungspotenzial Bei Ersatz alter Kraftwerke durch neue erhöht sich das Laständerungspotenzial durch niedrigere Mindestlast der neuen Anlagen und höhere Laständerungsge- schwindigkeiten. Kosten Die Investitionskosten für neue Kraftwerke liegen ca. bei: • Braunkohlekraftwerke: 1.800 €/kW • Steinkohlekraftwerke: 1.600 €/kW • GuD-Kraftwerke: 800 €/kW • Gasturbinen: 400 €/kW Wirtschaftlichkeit Die Wirtschaftlichkeit hängt von den Preisen auf den relevanten Märkten ab. Bei den derzeitigen Energie- preisen ist der Bau neuer Kondensationskraftwerke und Gasturbinen nicht wirtschaftlich. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Die Technik sollte zum Einsatz kommen, sobald neue Kraftwerke zur Aufrechterhaltung der Versorgungssi- cherheit benötigt werden. Dies wird etwa ab 2020 der Fall sein. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Kraftwerke hohe Investitionskosten und eine lange Lebensdauer haben. Kraftwerke, die nach 2020 ge- baut werden, werden immer weniger Vollbenutzungs- stunden aufweisen. Für die wenigen Einsatzstunden sind Gasturbinen trotz hoher variabler Kosten die ko- stengünstigste Möglichkeit. Im BET Best Guess Ener- giemarktszenario 3 wird zwischen 2023 und 2035 fast ausschließlich neue Gasturbinenleistung in Höhe von ca. 20 GW zugebaut, nach 2035 werden aufgrund von Stilllegungen von Stein- und Braunkohlekraftwer- ken auch GuD-Anlagen zugebaut. Neue Kohlekraft- werke werden aufgrund der hohen Investitionskosten in Kombination mit niedrigen Vollbenutzungsstunden nicht mehr sinnvoll sein. Wenn die Erneuerbaren Energien fast 100 % des Strombedarfs decken sollen, wird „Power to Gas“ (siehe auch Kapitel 3.4.5) unumgänglich, um die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Für die Rückverstromung des Gases werden Gaskraftwerke und BHKW benötigt. Daher sind die konventionellen Kraftwerkstechniken auch langfristig von Bedeutung. Umsetzungshemmnisse Das wesentliche Umsetzungshemmnis ist die schlech- te Wirtschaftlichkeit im derzeitigen Marktdesign, bei dem nur die erzeugte Arbeit einen Wert hat und nicht die Bereitstellung von Leistung. Da die Kraftwerke in 3. Das Best Guess Energiemarktszenario gibt die Einschätzung der BET-Experten über die aus heutiger Sicht wahrscheinlichste Entwicklung des Strommarkts wieder. Hierzu wird ein Fundamentalmodell eingesetzt, mit dem ausgehend vom Status quo unter Berücksichtigung politischer Zielvorgaben und Langfristprognosen über Preisentwicklungen ein kostenoptimales Zukunftsszenario berechnet wird. Das Ausbauszenario für Erneuerbare Energien entspricht hierbei etwa dem der Bundesregierung. 3

53 Zukunft nur noch die Lücken füllen müssen, wenn Wind und Sonnenenergie nicht verfügbar sind, er- zeugen sie immer weniger Strom. Die Preise in Zeiten mit traditionell hohen Strompreisen (Peak-Stunden) sinken aufgrund der Photovoltaikeinspeisungen. Da- her sind die Deckungsbeiträge für konventionelle Kraftwerke auf Werte gesunken, die weit von einer Deckung der Vollkosten entfernt sind. Da die Preis- bildung am Spotmarkt auf Basis der Grenzkosten der Kraftwerke erfolgt, wird sich diese Situation auch in Zukunft nicht wesentlich ändern. Konventionelle Kraftwerke werden aber noch lange in gewissem Um- fang benötigt werden, sowohl als Reserveleistung bei wenig Wind und Sonne als auch zur Sicherstellung der Systemstabilität. Entsprechend einer Studie im Auftrag der deutschen Übertragungsnetzbetreiber [17] beträgt die Must run Kapazität zur Sicherstellung der Systemstabilität heu- te ca. 20 GW. Prognos geht davon aus, dass diese Must run Kapazität im deutschen Stromsystem bis zum Jahr 2050 auf 5 GW gesenkt werden kann [18]. Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Maßnahmen zum Abbau der Hemmnisse können ins- besondere Anpassungen des Marktdesigns in Rich- tung einer Honorierung der Leistungsbereitstellung, z. B. in Form eines Kapazitätsmarktes sein. 3.3.4 Stromgeführte Fahrweise KWK (in Verbindung mit Wärmespeichern) In diesem Kapitel werden ausschließlich KWK-Anla- gen auf Basis fossiler Brennstoffe betrachtet. KWK mit Biomasse wird separat in Kapitel 3.2.3 behandelt. Beschreibung der Technik Eine stromgeführte Fahrweise von KWK-Anlagen ist durch folgende Techniken erreichbar: • Wärmespeicher • Kühler • fossil beheizter Kessel • Elektrokessel Eine zeitliche Verlagerung von KWK-Stromerzeugung ist nur durch Wärmespeicher in Verbindung mit einer Abbildung 31: Flexibilisierungsoptionen KWK-Anlage KWK-­‐Anlage Elektrokessel Wärme-­‐ speicher Strom  ins  Netz Strom  aus  dem  Netz  (Überschuss   aus  Erneuerbaren  Energien) Nutzwärme Rückkühlung Wärme Fossil  beheizter   Kessel 3

54 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien größeren Auslegung der KWK-Anlage möglich, da dieselbe Wärmemenge in kürzerer Zeit erzeugt wer- den muss. Mit Einrichtungen zur Rückkühlung kann zusätzlicher Kondensationsstrom erzeugt werden, wenn kein oder wenig Wärmebedarf vorhanden ist. Ein fossil beheizter Kessel vermeidet unwirtschaftliche KWK-Stromerzeugung bei niedrigen Strompreisen. Ein Elektrokessel vermeidet unwirtschaftliche KWK- Stromerzeugung bei sehr niedrigen Strompreisen und kann Überschüsse aus Erneuerbaren Energien nut- zen. Entwicklungsstand der Technik Alle erforderlichen Techniken sind verfügbar und er- probt. Ihre Anwendung ist allein eine Frage der Wirt- schaftlichkeit. Heute vorhandene installierte Leistung Bei KWK-Anlagen ist zu unterscheiden nach solchen mit Stromverlust (mit Entnahme-Kondensationsturbi- ne, meist größere Heizkraftwerke und Großkraftwerke mit Wärmeauskopplung) und solchen mit konstantem Strom-/Wärmeverhältnis (BHKW, Gasturbinen, Ge- gendruck-Dampfturbinen). Anlagen mit Stromverlust werden heute i. d. R. bereits stromgeführt eingesetzt. Das heißt, die Anlagen erzeugen nur dann Wärme, wenn die Strompreise zumindest so hoch sind, dass sich unter Berücksichtigung der Wärmeerlöse noch ein positiver Deckungsbeitrag ergibt. Andernfalls kommt der Reserve- und Spitzenkessel zum Einsatz. Ein Wärmespeicher kann bei diesen Anlagen die Lauf- zeit des Kessels reduzieren und die KWK-Strommen- ge erhöhen. KWK-Anlagen mit konstantem Strom-/Wärmeverhält- nis werden dagegen heute in der Regel wärmegeführt betrieben. Strom wird automatisch dann erzeugt, wenn Wärmebedarf gedeckt werden muss und nicht wenn Strom gebraucht wird. Werden die Anlagen in der Zukunft weiter so betrieben, wird dadurch die Must run Leistung erhöht und es wird zunehmend der Fall eintreten, wo Erneuerbare Energien abgeregelt werden müssen, damit die KWK-Anlagen laufen kön- nen. Daher ist eine Flexibilisierung der KWK-Stromer- zeugung anzustreben. Diese wird im Wesentlichen durch einen Wärmespei- cher erreicht, durch den die Stromerzeugung vom Wärmebedarf entkoppelt werden kann. Die Einbin- dung eines Elektrokessels schafft zusätzliche Flexibi- lität, da hier überschüssiger Strom aus Erneuerbaren Energien zur Wärmeerzeugung genutzt werden kann und den Einsatz fossiler Energien vermeidet. (siehe separates Kapitel 3.1.3 „Überschussstrom zu Wär- me“). Abbildung 32 zeigt die Ende 2010 beim AGFW re- gistrierte installierte KWK-Leistung und KWK-Netto- stromerzeugung. Hierbei handelt es sich um Anlagen der allgemeinen Versorgung, die in Fernwärmenetze einspeisen. Dabei wird deutlich, dass in diesen An- lagen derzeit mehr als die Hälfte des KWK-Stroms in wärmegeführten Anlagen erzeugt wird. Abbildung 33 zeigt die gesamte KWK-Stromerzeu- gung in Deutschland für 2011. Über die Anteile, die heute bereits stromgeführt betrieben werden, liegen keine Informationen vor. Nach eigener grober Schät- zung auf der Basis BET bekannter Anlagen, liegen diese Anteile bei ca. 50 % in der allgemeinen Versor- gung, bei ca. 30 % in der Industrie und ca. 20 % bei sonstigen Anlagen. Unter der Annahme von mittleren Vollbenutzungsstunden von 4.000 (allgemeine Ver- sorgung), 6.000 (Industrie), 5.000 (sonstige) ergibt sich daraus eine heute bereits flexibel einsetzbare ge- schätzte KWK-Leistung von ca. 8 GW. Da ein Großteil dieser Leistung aus großen Kraftwerken mit Wärme- auskopplung kommt, gibt es hier Überschneidungen mit den Angaben zu Kraftwerken (vgl. Kapitel 3.3.1). Eine klare Abgrenzung von Kraftwerksleistung und KWK-Leistung gibt es leider nicht. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die KWK-Stromerzeugung in Deutschland bis zum Jahr 2020 auf 25 % zu erhöhen. Dies sind bei einer Nach- frage von 557 TWh 139 TWh KWK-Strom. Grund- sätzlich ist es technisch möglich, alle KWK-Anlagen zu erweitern und mit Wärmespeichern auszustatten um sie dann flexibel einsetzen zu können. In der In- dustrie wird dies schwieriger umzusetzen sein, da hier 3

55 meist ein relativ gleichmäßiger Prozesswärmebedarf bei hohen Temperaturen besteht. Um die Anlagen zu flexibilisieren, ist eine erhebliche Leistungserhöhung erforderlich und der Wärmespeicher muss i. d. R. als Dampfspeicher ausgelegt sein. Hierdurch entstehen höhere Kosten, so dass die Maßnahmen weniger wirtschaftlich sind als in der allgemeinen Versorgung. Auch können räumliche Restriktionen dem erforder- Quelle: AGFW-Hauptbericht 2011 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 überwiegend stromgeführt überwiegend wärmegeführt el.  Engpassleistung  KWK  [MW] BHKW GT-­‐AHK GuD-­‐GD DT-­‐GD GuD-­‐EK DT-­‐EK 0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 16.000 18.000 20.000 überwiegend stromgeführt überwiegend wärmegeführt KWK-­‐Nettostromerzeugung  [GWh] BHKW GT-­‐AHK GuD-­‐GD DT-­‐GD GuD-­‐EK DT-­‐EK 51,1 29,6 11,3 KWK-­‐Stromerzeugung  2011  in  TWh allgemeine  Versorgung Industrie private/sonstige Quelle:  BDEW Abbildung 32: Engpassleistung und Stromerzeugung AGFW-„eigener“ KWK-Anlagen Abbildung 33: KWK-Stromerzeugung in Deutschland 2011; Quelle: BDEW 3

56 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien lichen Ausbau der Anlagen entgegenstehen. Das um- setzbare Potenzial wird daher auf 90 % in der allge- meinen Versorgung und 50 % in der Industrie und bei sonstigen Anlagen abgeschätzt. Dies entspricht in der Summe einer flexiblen KWK-Leistung von 23 GW im Jahr 2020. Nach 2020 ist aus heutiger Sicht kein we- sentlicher weiterer Anstieg des Potenzials zu erwar- ten. Eine weitere Erhöhung wäre nur bei massivem Ausbau von Fern- und Nahwärmenetzen möglich. Eine detailliertere Betrachtung dieser Thematik wird im Modul „Wärmeflexibilitäten“ erfolgen. Maximale Bereitstellungsdauer Mit dieser Maßnahme lässt sich eine Verlagerung über einige Stunden erzielen. Zum Beispiel kann der Wär- mespeicher nachts und zur Mittagszeit bei viel PV- Erzeugung geladen werden und in den Morgen- und Abendstunden entladen werden. Eine Verlagerung über Tage hinweg lohnt sich nicht wegen des un- verhältnismäßig hohen Speicherbedarfs mit entspre- chenden Investitionskosten. Nach Guss [19] liegt das Optimum der Wärmespeicherkapazität bei 6 Stunden. Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand und Laständerungsgeschwindigkeit BHKW lassen sich in weniger als 5 Minuten aus dem Stillstand auf maximale Leistung hochfahren und wie- der abschalten und können auch im Teillastbetrieb gefahren werden. Somit kann die gesamte installierte Leistung als Laständerungspotenzial genutzt werden. Bei entsprechender Bündelung vieler Anlagen lässt sich somit auch Sekundärregelenergie und Minuten- reserve bereitstellen. Anlagen mit Dampfprozess sind langsamer im Re- gelverhalten. Bei diesen Anlagen steht meist nur der Bereich zwischen Mindest- und Höchstlast zum Aus- gleich zur Verfügung. Laständerungspotenzial Das geschätzte Laständerungspotenzial liegt bei ca. 15 bis 20 GW/h von 2020 bis 2030. Kosten und Wirtschaftlichkeit Derzeit werden KWK-Anlagen durch das KWK-Ge- setz gefördert. Die Fördersätze wurden in 2012 er- höht. Außer KWK-Strom werden auch Investitionen in Wärmenetze und in Wärmespeicher gefördert. Die Investitionskosten für Wärmespeicher sind stark größenabhängig und liegen je nach Größe und tech- nischer Ausführung zwischen 100 und 800 €/m 3 (si- ehe Abbildung 34). Hiervon werden 30 % durch das KWK-Gesetz gefördert. Die Wirtschaftlichkeit von KWK-Anlagen hängt stark vom Verlauf des Wärmebedarfs, von der Anlagenaus- legung und vom Preisszenario ab. Unter Nutzung der Zuschüsse aus dem KWK-Gesetz ist i. d. R. ein wirt- schaftlicher Betrieb möglich. Die Wirtschaftlichkeit eines zusätzlichen Wärmespei- chers ist, sofern der Strom stündlich vermarktet wird, vor allem abhängig vom Spread der Strompreise in Kombination mit der bisherigen Fahrweise der Anla- ge. Ist die Anlage bisher überwiegend in der Grundlast gelaufen, erreicht man mit einem Speicher nur dann eine wesentliche Verlagerung der Stromerzeugung, wenn gleichzeitig die Leistung der Anlage erhöht wird. In vielen Fällen lohnt sich der Einsatz eines Wärme- speichers heute schon. Negativ wirkt sich die derzeit sehr geringe Spreizung bei den Strompreisen aus. Bei zunehmender Einspeisung Erneuerbarer Energien ist zu erwarten, dass die Spreizung wieder zunimmt. Kleine Anlagen verfügen oft ohnehin über einen Wär- mespeicher, um häufiges Takten zu vermeiden und eine bessere Anpassung der Wärmeerzeugung an die Wärmelastkurve zu erreichen. Bisher haben diese An- lagen aber keinen Anreiz, den Strom bedarfsgerecht zu erzeugen, da diese Anlagen vom Netzbetreiber eine pauschale Vergütung erhalten, die unabhängig vom Zeitpunkt der Erzeugung ist („üblicher Preis“). Erst in einem smart grid mit zeitvariablen Einspeiseta- rifen könnten die entsprechenden Preissignale an die Anlagenbetreiber gegeben werden. 3

57 Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Mit der Einführung dieser Technik sollte heute schon begonnen werden, da hier mit relativ geringem Zu- satzaufwand ein erhebliches Flexibilitätspotenzial er- schließbar ist und unnötige Must run Leistung vermie- den werden kann. Spätestens ab 2020 sollte es keine rein wärmegeführten KWK-Anlagen mehr geben. In Gebieten mit Netzengpässen kann die Technik zur Vermeidung der Abregelung von EE-Anlagen bei- tragen, insbesondere in Verteilnetzen mit hoher PV- Leistung. Durch die Kombination von PV mit flexib- ler KWK kann unter Umständen auf eine aufwändige Netzverstärkung verzichtet werden. Umsetzungshemmnisse • Zusätzliche Investitionskosten • Der KWK-Zuschlag im KWK-Gesetz ist unab- hängig vom Zeitpunkt der Einspeisung und bie- tet daher keine Anreize für eine stromgeführte Fahrweise. Dies gilt insbesondere für kleine und mittelgroße KWK-Anlagen, die auch für den erzeugten Strom eine konstante Vergütung er- halten („üblicher Preis“ = Durchschnittsbörsen- preis der letzten 3 Monate) • Geringe Spreads bieten derzeit wenig Anreiz zu stromgeführter Fahrweise. • Der Wärmenetzausbau ist oft trotz Förderung nicht wirtschaftlich. • Hochtemperaturprozesswärme (über 150 °C) in der Industrie ist nur bedingt speicherbar. Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse • Förderung von Wärmespeichern im KWK-Ge- setz eventuell nach Anlagengröße differenzieren • Modifizierung des KWK-Gesetzes weg vom Pauschalzuschlag für KWK-Strom hin zu einer zeitvariablen Bemessung des Zuschlags in Ab- hängigkeit vom Strombedarf oder Einführung einer Flexibilitätsprämie wie im EEG 3.3.5 Nutzung von Netzersatzanlagen Beschreibung der Technik Notstromsysteme werden vor allem in großen Re- chenzentren und in Krankenhäusern vorgehalten, um die Stromversorgung im Fall eines Stromausfalls auf- recht zu halten. In der Regel handelt es sich hier um Gas- oder Heizöl gefeuerte Verbrennungsmotoren mit Abbildung 34: Kosten von Fernwärmespeichern; Quelle: Mauch, W., FfE, 2012 [20] 3

58 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Generator. Durch kurzzeitige Nutzung kann ein Bei- trag zur Abdeckung extremer Spitzen der Residual- last und zum Abfahren hoher positiver Gradienten der Residuallast geleistet werden. Die Technik ist erprobt und steht zur Verfügung. Heute vorhandene installierte Leistung Der Strombedarf für Rechenzentren und Server lag gemäß einer Studie im Auftrag des UBA [20] in 2008 bei 10,1 TWh, davon ca. 6 TWh für große und mittlere Rechenzentren, die in der Regel über Notstromag- gregate verfügen, um ihre Leistung abzusichern. Da die Anlagen rund um die Uhr betrieben werden, ergibt sich hieraus bei 8.000 Vollbenutzungsstunden eine in- stalliere Leistung an Notstromaggregaten von ca. 750 MW. Über die Verwendung der Technik in anderen Bereichen liegen keine Informationen vor. Eine grobe Abschätzung des Potenzials in Krankenhäusern wur- de über eine Hochrechnung der Anlage im Klinikum München über die Bettenzahl vorgenommen. Hieraus ergibt sich eine installiere Leistung an Notstromaggre- gaten in Krankenhäusern von ca. 6 GW. In [22] wird die insgesamt in Deutschland installierte Leistung an Notstromaggregaten auf mehr als 20 GW geschätzt, diese Zahl erscheint uns jedoch zu hoch. Schät- zungen eines auf die Poolung von solchen Anlagen spezialisierten Unternehmens liegen bei 5 bis 8 GW. Grundsätzlich besteht heute bereits die Möglichkeit, die Anlagen im Regelenergiemarkt einzusetzen. Bei kleineren Anlagenleistungen ist hierfür eine Bündelung mehrerer Anlagen erforderlich. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Über die künftige Entwicklung des Bedarfs an Leis- tungsabsicherung liegen keine Informationen vor. Ab- hängig vom Energieeinsparszenario kann der Bedarf steigen oder sinken. Hier wird ein konstanter Bedarf angenommen. Maximale Bereitstellungsdauer Die Einsatzmöglichkeiten werden vor allem im Be- reich der positiven Regelenergie (Sekundärregelung und Minutenreserve) gesehen, eventuell auch über mehrere Stunden. Im Prinzip ist auch der Einsatz über mehrere Tage oder sogar Wochen möglich. Dies wird aber in der Regel wegen der relativ niedrigen Wir- kungsgrade und somit hohen variablen Kosten nicht wirtschaftlich sein. Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand und Laständerungsgeschwindigkeit Die Anlagen sind in wenigen Minuten aus dem Still- stand auf volle Leistung hochzufahren und wieder abzuschalten und i. d. R. auch in niedriger Teillast zu betreiben. Laständerungspotenzial Das Laständerungspotenzial entspricht etwa dem ge- samten vorhandenen Potenzial von geschätzt 5 bis 8 GW und ist innerhalb weniger Minuten aktivierbar. Kosten und Wirtschaftlichkeit Die Technik erfordert keine zusätzlichen Investitions- kosten in die Anlagentechnik. Diese ist ohnehin vor- handen. Es sind lediglich geringe Investitionen in die Steuerungstechnik erforderlich. Die Kosten des Ein- satzes sind die variablen Kosten der Anlage, die vom Brennstoff und vom Wirkungsgrad abhängen. In der Regel handelt es sich um gas- oder heizölbefeuerte Motoren mit Wirkungsgraden zwischen 30 und 40 %. In Knappheitssituationen mit entsprechend hohen Spot- oder Regelenergiepreisen kann der Einsatz der Anlagen heute bereits wirtschaftlich sein. Vorausset- zung ist der Zugang zu den entsprechenden Märkten, der wegen der relativ geringen Leistungen meist nur durch Bündelung von Anlagen erreichbar sein wird. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Die Technik kann sofort eingesetzt werden. Voraus- setzung ist die Möglichkeit der Ansteuerung der Anla- ge durch den Netzbetreiber. Umsetzungshemmnisse • Restriktionen der Regelenergiemärkte insbe- sondere die Mindestleistung betreffend 3

59 • Keine Preissignale beim Anlagenbetreiber, da dieser keinen stündlich differenzierten Strom- preis hat. Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse • Einführung von Smart grids • Absenkung der Leistungsgrenzen zur Teilnah- me an den Regelenergiemärkten 3.4 Stromspeicher Bisher wurde Strom nur in sehr geringen Mengen oder über kurze Zeiträume gespeichert, da die Spei- cherung mit Verlusten verbunden und teuer ist. Bei hohen Anteilen Erneuerbarer Energien im System wird das Speichern von Strom in größerem Umfang jedoch unumgänglich sein. Folgende Speichertechnologien stehen prinzipiell zur Auswahl: • Pumpspeicher • Druckluftspeicher • Batterien (Blei-Säure, Li-Ionen, Redox-Flow- Akkumulatoren) • Erzeugung und Rückverstromung von Wasser- stoff oder Methan („Power to Gas“) Die einzelnen Techniken unterscheiden sich stark hin- sichtlich • Energiedichte • Speicherkapazität • Verluste • Zyklenzahl • Kosten • Entwicklungsstand Daher sind je nach Anwendungsfall unterschiedliche Speichertechnologien optimal. Abbildung 35 zeigt die typischen Einsatzbereiche, die sich sowohl aus den technischen Parametern als auch aus der Kostenstruktur ergeben. 3.4.1 Pumpspeicher in Deutschland Beschreibung der Technik Pumpspeicherkraftwerke speichern Energie, indem sie bei Stromüberschüssen Wasser von einem Un- terbecken in ein Oberbecken pumpen. Zu Zeiten, in denen eine erhöhte Nachfrage nach Strom besteht, fließt das Wasser über die Turbinen des Pumpspei- cherkraftwerks zurück ins Unterbecken, hierbei wird Strom erzeugt und in das Netz ein- bzw. zurückge- speist. Entwicklungsstand der Technik Pumpspeicher stellen derzeit die einzige technisch ausgereifte und kostengünstige Option zur Strom- speicherung dar. Sie sind erprobt und bieten eine akzeptable Effizienz. Der Wirkungsgrad neuer Pump- speicherkraftwerke liegt bei 75-80 %. Heute vorhandene installierte Leistung In Deutschland sind gegenwärtig Pumpspeicherkraft- werke mit einer Kapazität von rd. 6,5 GW installiert. Das gesamte Pumpstromaufkommen in 2010 belief sich auf rd. 8.620 GWh. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Derzeit sind über 10 Pumpspeicherkraftwerksprojekte mit einer Gesamtleistung von rd. 4,2 GW für den Zeit- horizont bis 2020 im Planungsstadium. Der Realisie- rungsgrad der einzelnen Projekte ist unterschiedlich stark fortgeschritten, der Projektstand reicht von der Voruntersuchungsphase bis zum abgeschlossenen Raumordnungsverfahren. Pumpspeicherkraftwerke benötigen große Staube- cken, die naturgemäß im Gebirge am leichtesten anzulegen sind. Daher bieten vor allem die Mittelge- birge und Süddeutschland günstige Bedingungen für den weiteren Ausbau. In [24] wird allein für den Re- gierungsbezirk Arnsberg ein Potenzial von 40 GWh 3

60 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien bzw. 7,5 GW ohne Nutzung der Talsperren ermittelt. Unter Einbeziehung der vorhandenen Talsperren als Unterbecken ließe sich das Potenzial verdoppeln. Bei Hochrechnung dieser Ergebnisse auf Deutschland er- gibt sich ein Potenzial von 2.000 GWh [24], was den Speicherbedarf für Speicherung über mehrere Stun- den weit übersteigt. Letztendlich ist das vorhandene technische Potenzi- al jedoch durch wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Faktoren begrenzt. Jeder Neubau stellt da- rüber hinaus einen Umwelteingriff dar, bei dem Kon- flikte mit dem Landschafts- und Naturschutz kritisch geprüft werden müssen. Zahlreiche Studien attestie- ren aus diesem Grund ein geringes Ausbaupoten- zial und begrenzte Standorte [25], [26], [27]. Eine Angabe des gesamten „realisierbaren“ Potenzials ist aus heutiger Sicht nicht möglich, da es sich bei der Bewertung der Realisierbarkeit jeweils um Einzelfall- entscheidungen mit zahlreichen Einflussparametern handelt, deren Ergebnis sich schwer prognostizieren lässt. Es bleibt aber festzuhalten, dass ein nicht un- wesentliches technisches Neu- und Ausbaupotenzial für Pumpspeicherkraftwerke besteht und bei aus- reichend früher Einbeziehung aller Beteiligten in den Entscheidungsprozess vermutlich einige geeignete Lösungen zur Realisierung zusätzlicher Projekte ge- funden werden können [28]. Maximale Bereitstellungsdauer Die Bereitstellungsdauer ist im Wesentlichen abhän- gig von der Größe (und dem aktuellen Füllstand) des Speicherbeckens. Bei maximalem Füllstand beträgt die durchschnittliche Bereitstellungsdauer der Ma- ximalleistung 6 Stunden, je nach geographischen Gegebenheiten des Pumpspeicherkraftwerks variiert die maximale Bereitstellungsdauer jedoch stark zwi- schen 3,5 und gut 12 Stunden. Grundsätzlich kön- Abbildung 35: Einsatzbereiche verschiedener Speichertechnologien [23] 3

61 nen Pumpspeicher auch als Langzeitspeicher einge- setzt werden. Hierfür wäre jedoch ein Vielfaches der vorhandenen Potenziale an Speicherkapazität erfor- derlich, so dass für die Langzeitspeicherung auch (teurere) andere Technologien zum Einsatz kommen müssen. Laständerungsgeschwindigkeit Pumpspeicherkraftwerke sind sehr schnell regelbar. Daher können sie sehr gut für Aufgaben der Netz- regelung eingesetzt werden. Die gesamte installierte Leistung steht als Laständerungspotenzial in wenigen Minuten zur Verfügung. Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand Pumpspeicherkraftwerke können innerhalb von durchschnittlich 75-110 Sekunden aus dem Stillstand auf die volle Leistung hochgefahren bzw. abgeschal- tet werden. Umgekehrt ist eine Umstellung auf ma- ximalen Pumpbetrieb durchschnittlich in rund drei Minuten möglich. Hochflexible Anlagen können noch sehr viel schneller, in nur jeweils 30 Sekunden, aus dem Stillstand auf vollen Pump- oder Turbinierbetrieb hochfahren. Die Kraftwerke können unabhängig vom vorhandenen Stromnetz aus dem Stillstand angefahren werden (schwarzstartfähig) und haben damit insbesondere bei großflächigen Ausfällen eine wichtige Bedeutung zur Wiederherstellung der Systemstabilität. Kosten Die Betriebskosten und insbesondere die spezifischen Investitionen sind von einer Vielzahl von Einflussfak- toren abhängig, u. a. vom Verhältnis der Speicherbe- ckengröße zur Pump- bzw. Turbinierleistung und von den geographischen Gegebenheiten. Die Spanne der spezifischen Investitionen beträgt etwa 1.000 bis 1.400 €/kW. Diese Zahlen sind Erfahrungswerte von BET aus aktuellen Projektplanungen. Sie liegen höher als die üblicherweise in Studien angegebenen Werte von 650 bis 1.100 €/kW. Die (fixen) Betriebskosten können mit 1,5-2 % der Investitionen abgeschätzt werden. Wirtschaftlichkeit Pumpspeicherkraftwerke stellen heute sowie kurz- bis mittelfristig die wirtschaftlichste großtechnische Spei- chertechnologie dar. Bei den aktuellen Strompreisen (geringe Preisspreizung, niedrige Preise für Regellei- stung) reichen die Erlöse jedoch nicht aus, um die In- vestitionskosten neuer Anlagen zu refinanzieren. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Im Vergleich mit anderen Speichersystemen bieten Pumpspeicherkraftwerke • eine langjährig erprobte, ausgereifte und zuver- lässige Technologie mit • einer vergleichsweise guten Effizienz bei • vergleichsweise guter Wirtschaftlichkeit und • einer hohen Lebensdauer ( 50 Jahre). Da unbestritten ein großer und zukünftig wachsender Bedarf an Stromspeichern existiert, sollten die zusätz- lichen Potenziale von Pumpspeicherkraftwerken un- ter o. g. Gesichtspunkten baldmöglichst erschlossen werden. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Vorlauf für die Realisierung eines solchen Kraftwerk- sprojekts mehrere Jahre bis hin zu einem Jahrzehnt beträgt. Umsetzungshemmnisse Das Interesse diverser Investoren an Pumpspeicher- projekten ist zwar vorhanden, die fehlenden Preissi- gnale aus dem Spot- und Regelenergiemarkt führen allerdings in Abhängigkeit der angenommenen Rand- bedingungen zu einer geringen Wirtschaftlichkeit bis hin zur Unwirtschaftlichkeit von Neuanlagen. Vor allem neue Marktteilnehmer empfinden das große Ausmaß an Unsicherheiten ihrer Investition als Hemmnis. Anreize zur Investition in Speichertechnologien könnten (z. B. Wegfall der Netzentgelte für „System- dienstleister“ und Kapazitätsmechanismen sein. 3

62 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien 3.4.2 Pumpspeicher im Ausland Die Alpenländer und Skandinavien weisen im Vergleich mit Deutschland ein sehr viel größeres Potenzial zur Stromerzeugung aus Wasserkraft auf. Diese Wasser- bzw. Speicherkraftwerke haben einen natürlichen Zu- lauf und verfügen über enorme Speicherkapazitäten, die das Potenzial in Deutschland um ein Vielfaches übersteigen. Die Speicherkapazitäten in Norwegen und Schweden sind dabei schätzungsweise drei- bis viermal so groß wie die der Alpenländer. In der Regel besitzen diese Speicherkraftwerke al- lerdings kein Unterbecken und kein Pumpwerk, der Speichereffekt wird bislang nur durch eine Redu- zierung der Turbinierleistung und ein Anstauen der Wassermenge im Oberbecken erzielt. Die installierte Pump-Speicherleistung in diesen Ländern ist daher deutlich geringer als in Deutschland. Bei einigen die- ser Wasserkraftwerke wäre eine Pumpfunktion prinzi- piell nachrüstbar, womit zusätzliche Speicherkapazi- täten erschlossen werden könnten. Heute vorhandene installierte Leistung Österreich & Schweiz Die Alpenländer Österreich und Schweiz haben einen hohen Anteil Wasserkraft am nationalen Strommix. Bei den meisten Pumpspeicherkraftwerken handelt es sich um ehemals reine Speicherkraftwerke (mit ei- ner erheblichen Bedeutung des natürlichen Zulaufs), die nachträglich mit zusätzlicher Pumpfunktion aus- gestattet wurden. In der Schweiz sind derzeit rund 2 GW Pumpleistung installiert (dem gegenüber stehen rd. 8 GW reine Turbinierleistung aus Speicherkraft- werken mit natürlichem Zufluss), in Österreich rd. 3 GW. Die Kapazitätsangaben zu den Speichern in Österrei- ch und der Schweiz schwanken zwischen 12 und 30 TWh. Die speicherbare Energiemenge ist damit sehr viel größer als in Deutschland, wo in Summe nur etwa 0,04 TWh Strom zwischengespeichert werden kön- nen. Norwegen & Schweden In diesen Ländern entfällt ebenfalls der Großteil der Wasserkraftwerke auf reine Speicherwerke mit na- türlichem Zufluss. In Norwegen sind derzeit knapp 30 GW Leistung installiert, davon jedoch nur rd. 0,6 GW Pumpleistung. Unter den Wasserkraftwerken in Schweden mit einer Gesamtleistung von rd. 16 GW befindet sich ebenfalls nur ein Pumpspeicherkraft- werk. Die skandinavischen Speicherkapazitäten sind mit knapp 120 TWh (davon 70 % in Norwegen) nochmals sehr viel größer als die Speicherkapazitäten der Al- penländer. Frankreich, Spanien, Luxemburg, Belgien Die Pumpspeicherkraftwerke in Frankreich und Spa- nien haben eine installierte Leistung von jeweils rd. 5 GW. Luxemburg verfügt über eine Pumpspeicher- kraftwerksleistung von rd. 1 GW, Belgien über rd. 1,3 MW. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Bei der Ermittlung des zukünftig nutzbaren Potenzials sind neben den Speicherkapazitäten insbesondere die vorhandenen bzw. geplanten Netze zu berücksichti- gen. Die Anbindung an Österreich ist gut ausgebaut. Der Bau eines Interkonnektors zwischen Deutschland und Norwegen mit einer Übertragungskapazität von 1.400 MW ist geplant, mit der Fertigstellung ist (frühe- stens) 2018 zu rechnen [29]. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die betrachteten Länder inzwischen eigene Ausbaupläne für Winde- nergie und Photovoltaik haben und damit zukünftig ebenfalls einen wachsenden Speicherbedarf für inlän- disch erzeugten Strom haben werden. Österreich & Schweiz In Österreich ist bis 2020 mit einer zusätzlichen Pumpleistung von rd. 3,7 GW (zum Großteil bereits in Bau), in der Schweiz mit weiteren knapp 3 GW (eben- falls bereits im Bau) zu rechnen. Bei den Projekten handelt es sich überwiegend um Umbauten bzw. 3

63 Nachrüstungen von Speicherkraftwerken mit natür- lichem Zulauf. Norwegen & Schweden Viele der skandinavischen Speicherkraftwerke besit- zen ein natürliches Unterbecken, diese könnten mit vergleichsweise geringem Aufwand mit einer Pump- speicherfunktion nachgerüstet werden. Hierdurch wären bis zu 25 GW zusätzliche Pumpspeicherlei- stung erschließbar. Kosten und Wirtschaftlichkeit Die Kosten sind deutlich höher als bei Nutzung von deutschen Pumpspeicherkraftwerken, zum einen wegen der Investitionskosten für zusätzliche Strom- leitungen, zum anderen wegen der Transportverluste. Letztere werden bei einem Transport von und nach Norwegen auf 7 bis 10 % geschätzt [30]. Damit re- duziert sich der Gesamtsystemwirkungsgrad von ca. 75 % auf 65-68 % und liegt damit noch geringfügig höher als der von adiabaten Druckluftspeichern. Die Investitionskosten für ein 600 km Seekabel nach Norwegen für eine Übertragungsleistung von 1,4 GW werden auf 1,4 Mrd. € geschätzt [29]. Damit erhö- hen sich die Investitionskosten um ca. 1.000 €/kW, die damit etwa doppelt so hoch liegen wie bei einem Pumpspeicher in Deutschland. Für die kurzfristige Speicherung scheinen Batterien kostengünstiger zu sein. Für Langfristspeicherung könnte die Nutzung norwegischer Pumpspeicher in- teressant sein, da sie für diesen Anwendungsfall ko- stengünstiger als Batterien oder Druckluftspeicher sind und weniger verlustreich sind als das Power to Gas-Konzept. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Die für Deutschland nutzbare Leistung ausländischer Stromspeicher wird derzeit durch die vorhandenen Übertragungskapazitäten zwischen den Ländern be- stimmt. Der Zugriff auf Speicher in Österreich und der Schweiz ist im Rahmen der bestehenden Kapazitäten grundsätzlich zu geringen Kosten möglich. Die Nutzung norwegischer Pumpspeicher ist aus Kostengründen nur für Langzeitspeicherung interes- sant, die erst nach 2030 benötigt wird. Neben der Verlegung von Seekabeln nach Norwegen müssen die Pumpspeicherkapazitäten in Norwegen ausge- baut werden, worauf die deutsche Energiepolitik bzw. die deutschen Übertragungsnetzbetreiber nur einen geringen Einfluss haben. 3.4.3 Batterien Batterien bzw. Akkumulatoren sind elektrochemische Stromspeicher. Man unterscheidet Batteriesysteme mit internem Speicher (z. B. Blei-Säure- oder Lithium- Ionen-Akkus) und Systeme mit externem Speicher (z. B. Redox-Flow-Batterien). Beim Ladevorgang wird je- weils durch Anlegen einer Spannungsquelle ein che- mischer Prozess eingeleitet, der beim Entladevorgang umgekehrt wird (reversible chemische Reaktion). In der Praxis sind zahlreiche Materialkombinationen erprobt worden, wobei sich insbesondere Blei-Säu- re-, Lithium-Ionen- und bei den Redox-Flow-Batterien Zink-Brom-, Vanadium-und Eisen-Chrom-Systeme als für die Stromspeicherung relevant erwiesen ha- ben. [27] Die unterschiedlichen Batteriesysteme unterscheiden sich hinsichtlich folgender Kriterien: • Energiedichte • Zyklenzahl • Selbstentladerate • Wirkungsgrad • Kosten • Ladezeiten Damit sind je nach Anwendungsfall unterschiedliche Techniken am besten geeignet. Z. B. haben Li-Ionen-Akkus eine hohe Energiedichte und einen hohen Wirkungsgrad. Sie sind daher be- sonders für mobile Anwendungen (Elektromobilität) geeignet. Blei-Säure-Akkus sind derzeit die kosten- 3

64 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien günstigsten Batterien, haben aber eine relativ hohe Selbstentladerate und relativ niedrige Zyklenzahlen. Sie sind daher nur für Kurzzeitspeicherung im statio- nären Betrieb geeignet. Redox-Flow-Batterien haben niedrigere Wirkungsgrade als Blei-Säure- und Li-Io- nen-Akkus, dafür aber eine sehr hohe Zyklenzahl und keine nennenswerte Selbstentladung. Sie sind daher auch als Langzeitspeicher einsetzbar. Maximale Bereitstellungsdauer Die Bereitstellungsdauer des gespeicherten Stroms variiert je nach Anwendungsfall der Batterie von unter einer Stunde (Volllast) bis zu mehreren Tagen (Teillast). Redox-Flow-Batterien können aufgrund ihres exter- nen Speichers für längere Entladedauern ausgelegt werden. Laständerungsgeschwindigkeit, Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand, Laständerungspotenzial Batterien können unabhängig vom Netz betrieben werden (schwarzstartfähig). Die maximale Leistung steht in Sekunden, bei sehr schnellen Batteriespei- chern sogar innerhalb von 10 Millisekunden zur Verfü- gung. Aus technischer Sicht könnten Batterien daher neben Primär- und Sekundärregelleistung auch wei- tere Systemdienstleistungen wie Blindleistung, Kurz- schlussleistung und Frequenzstabilisierung erbringen [31]. Die Bereitstellung negativer Regelleistung erfolgt durch die Aufladung der Batterien. Die zur Verfügung stehende Ladekapazität hängt dabei von dem gewähl- ten Aufladeverfahren ab. Die Ladeleistung ist deutlich niedriger als die Entladeleistung. Beim IU-Verfahren wird z. B. in Abhängigkeit vom aktuellen Ladezustand der Batterie mit konstantem Strom (I) oder mit kon- stanter Spannung (U) geladen, die aktuell verfügbare Ladekapazität hängt damit wesentlich vom jeweiligen Ladezustand der Batterie ab. Eine gute Abstimmung der Aufladung auf den Akku wirkt sich dabei erheb- lich lebensdauerverlängernd aus 4 . Auch wenn prinzi- piell andere Ladezustände gefahren werden könnten, die eine höhere Flexibilität bei der Bereitstellung von negativer Regelleistung ermöglichen würden, würde dies zu deutlich höheren Gesamtkosten führen und ist daher nicht ratsam. Blei-Säure-Akkus vertragen eine schnelle Aufladung mit hohen Ladeströmen besser als Li-Ionen-Akkus, die hierfür nach heutigem Stand der Technik eher nicht geeignet sind. 3.4.3.1 Blei-Säure-Akkumulator Der Blei-Säure-Akkumulator besitzt zwei Elektroden aus Metall bzw. Metalloxid, welche in einer Elektrolyt- lösung (Schwefelsäure) gelagert sind. Entwicklungsstand der Technik Die klassische Blei-Säure-Batterie ist marktreif und seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Bereichen im zuverlässigen Einsatz. Der Wirkungsgrad ist u. a. ab- hängig von der Anwendung (durch die Selbstentlade- rate von rd. 5 % pro Monat sinkt der Wirkungsgrad mit zunehmender Speicherdauer) und liegt zwischen 65 % und 90 % und kann, verglichen mit anderen Speichersystemen, als gut bezeichnet werden. Die durchschnittliche Zyklenzahl liegt je nach Anwen- dungsfall und Betriebsweise zwischen 50 und 2.000 [27]. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Lebens- dauer besteht weiteres Entwicklungspotenzial. Typische Anwendungsgebiete Blei-Säure-Batterien mit geringen Leistungen sind weitverbreitet z. B. als Starterbatterien in PKW (diese mit dem Stromnetz nicht gekoppelten Batterien wer- den über die Verbrennungsmotoren der Fahrzeuge aufgeladen und haben für die vorliegende Aufgaben- stellung keine Relevanz). Mit modularen Batteriesyste- men können aber auch große Leistungen im unteren 4. Versuche der Beladung von Blei-Akkus zeigten etwa eine Verdopplung der Lebensdauer und eine deutliche Verringerung der Nomi- nalkapazität über die Jahre. [29] 3

65 zweistelligen MW-Bereich realisiert werden. Eine der größten realisierten Anlagen hatte eine Leistung von 17 MW und eine Gesamtkapazität von 14 MWh und diente der Spannungsstabilisierung im West-Berliner Stromnetz [27]. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Es gibt erfolgreiche Pilotversuche von Batteriesyste- men in der Größenordnung von 1 bis 2 MW in Kombi- nation mit Erneuerbaren Energien (PV, Windkraft) ähn- licher Leistung in netzschwachen Gebieten oder im Inselbetrieb. Dieser Einsatz wird für Batteriesysteme zukünftig ein wichtiges Anwendungsgebiet sein. Wel- cher Anteil am Gesamtpotenzial hierbei durch Blei- Säure-Batterien abgedeckt werden wird, ist jedoch von den Fortschritten bei der Weiterentwicklung hin- sichtlich Energiedichte und Lebensdauer abhängig. Sollten keine nennenswerten Fortschritte erzielt wer- den, ist davon auszugehen, dass die Blei-Säure-Bat- terie mehr und mehr durch die Lithium-Ionen-Technik verdrängt wird, da viele nachteilige Eigenschaften des Blei-Säure-Akkus (z. B. geringe spezifische Energie- dichte, geringe Zyklenzahl, niedriger Wirkungsgrad bei längerer Speicherdauer) bei modernen Li-Ionen- Akkus erheblich verbessert wurden. Die zukünftigen Einsatzgebiete (und damit die Potenziale zur Lastrege- lung) der Blei-Säure-Akkus sind daher ggf. begrenzt. Kurz- bis mittelfristiger Vorteil des Blei-Säure-Akkus sind allerdings die geringeren spezifischen Kosten im Vergleich mit anderen Batteriesystemen. Kosten Die Investitionskosten liegen etwa bei 100 bis 250 €/ kWh Speicherkapazität plus 100 bis 200 €/kW Aus- speicherleistung. Unter Ansatz von 150 €/kWh und 150 €/kW ergeben sich bei einem typischen Anwen- dungsfall einer täglichen Ein- und Ausspeisung über jeweils 6 Stunden Stromgestehungskosten (ohne La- destrom) von ca. 160 €/MWh (eigene Berechnungen). Umsetzungshemmnisse Als Hemmnisse für den flächendeckenden Einsatz können vor allem die Nachteile der Blei-Batterien ge- nannt werden: lange Ladezeiten schränken die mög- lichen Anwendungsgebiete ein, ebenso die mit 25 bis 40 Wh/kg geringe Energiedichte bzw. das hohe Gewicht der Speicherbatterien und deren Tempera- turempfindlichkeit [27]. Als weiteres Hemmnis für den breiteren Einsatz dieser marktreifen Speichertechnik sind die vergleichsweise hohen Kosten zu nennen, weshalb sich die z. T. sinn- vollen Einsatzfelder für die Stromspeicherung (z. B. die Ausrüstung dezentraler PV-Anlagen) i. d. R. heute noch nicht wirtschaftlich darstellen lassen. Bei weiter sinkenden Kosten sowohl für die Batterien als auch die PV-Anlagen können Blei-Säure-Akkus jedoch für Betreiber von kleinen PV-Anlagen schon bald wirt- schaftlich werden, insbesondere wenn die Batterien noch vom Staat gefördert werden. Durch den Batte- rieeinsatz kann der Eigenverbrauchsanteil und damit der wirtschaftliche Vorteil gegenüber einem Strom- bezug aus dem Netz erheblich erhöht werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht bringt dies jedoch keinen Nutzen, da die vom PV-Anlagenbetreiber eingespar- ten Netzentgelte und Umlagen dann auf die übrigen Stromverbraucher verteilt werden. Die Förderung von Batterien im Zusammenhang mit privaten PV-Anlagen senkt zwar die EEG-Umlage, da die direkt durch die Umlage finanzierten Einspeisemengen sinken, de fac- to erhöhen sich aber die Strompreise für die Strom- kunden, die keine eigene PV-Anlage betreiben. Die Kosten des Gesamtsystems steigen und werden von der Allgemeinheit über höhere Strompreise finanziert. Ein volkswirtschaftlich sinnvoller Einsatz der Batte- rien kann bei weiterer Kostendegression mittelfristig darin bestehen, die schwankenden Einspeisungen aus PV-Anlagen zu vergleichmäßigen. Das Be- und Entladen der Batterien darf aber nicht von den PV- Anlagenbetreibern im Sinne einer Maximierung des Eigenverbrauchs gesteuert werden. Stattdessen sind die Batterien vom Verteilnetzbetreiber einzusetzen, um die Lastflüsse im Netz zu optimieren. Aus Umweltgesichtspunkten ist vor allem der zwar weitgehend recyclebare, aber dennoch hohe Roh- stoffeinsatz als Einschränkung zu nennen [27]. 3

66 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Die Weiterentwicklung der Technik in Richtung hö- herer Leistungsfähigkeit, höherer Lebensdauer und weiterer Kostendegression sollte gefördert werden, um mittelfristig die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. 3.4.3.2 Lithium-Ionen-Akkumulator Beim Lithium-Ionen-Akkumulator wird die Energie durch Einlagerung von Lithium-Ionen in ein Wirtsgitter gespeichert. Entwicklungsstand der Technik Lithium-Ionen-Akkus werden bereits seit Jahren er- folgreich eingesetzt und besitzen gegenüber Blei- Säure-Akkus mehrere Vorteile. Sie haben mit 95 bis 190 Wh/kg eine wesentlich höhere Energiedichte, eine um 50 % höhere Zyklenzahl (bis 3.000), eine ge- ringere Selbstentladerate (5 % pro Jahr) und damit ei- nen hohen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 90- 95 %. Durch unterschiedliche Materialkombinationen können die Batterieeigenschaften je nach Einsatzge- biet optimiert werden [27]. Eine weitere Erhöhung der Energiedichte ist prinzipiell möglich. Um allerdings die dann zunehmende Gefahr einer Explosion durch zu starke Erhitzung des Akkus („thermal runaway“) zu vermeiden, steigt gleichzeitig auch der Bedarf an entsprechender Sicherheits- bzw. Kühltechnik und der Wartungsaufwand, was wie- derum zu Lasten des Gesamtwirkungsgrades geht. Das größte Potenzial zur Weiterentwicklung bieten Lithium-Ionen-Batterien daher vor allem hinsichtlich der Verlängerung ihrer Lebensdauer (kurzfristig sollen Lebensdauern von 20 Jahren, langfristig von bis zu 40 Jahren erreicht werden). Gleichzeitig wird ein hohes Kostenreduktionspotenzial erwartet [27]. Heute vorhandene installierte Leistung Heute werden Lithium-Ionen-Akkus vor allem in Lap- tops, Handys, Akkuschraubern und ähnlichen An- wendungen als leichterer und langlebiger Ersatz für Blei-Säure-Akkus eingesetzt. Auch in Elektro- und Hybridkraftfahrzeugen, elektrisch unterstützten Fahr- rädern („Pedelecs“) und in Kombination mit Wind- kraftanlagen werden Lithium-Ionen-Akkus eingesetzt, wobei die insgesamt installierte Speicherleistung noch gering ist. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Neben den bereits erwähnten Anwendungsfeldern, vor allem auch der Kombination mit EE-Anlagen, bie- tet der weitere Ausbau der Elektromobilität das größ- te Potenzial zum Einsatz von Batteriespeichern. Der Wechsel von Blei-Säure- auf Lithium-Ionen-Akkus brachte eine Erhöhung der Reichweite von Elektro- autos von rd. 50 auf bis zu 300, perspektivisch bis zu 600 km. Mit dieser Entwicklung konnte eine deutliche Akzeptanzzunahme bei den potenziellen Käufern er- reicht werden [27]. Die Speicherkapazitäten der Batterien von rd. 1 Mio. Elektrofahrzeugen, die die Bundesregierung bis 2020 erwartet, liegen im zweistelligen Gigawattbereich. Da- mit könnten mehrere Gigawattstunden Strom gespei- chert werden. Ähnlich wie bei den DSM-Potenzialen im Haushaltssektor ist auch hier ein Gleichzeitigkeits- faktor zu berücksichtigen, da zur Stromspeicherung oder Rückeinspeisung jeweils nur (ein begrenzter Anteil der) Batterieleistung der Fahrzeuge genutzt werden kann, die gerade nicht fährt (durchschnittlich 90 %) und an eine „intelligente“ Stromquelle ange- schlossen ist. Auch wenn zur Nutzung dieser Poten- ziale ein entsprechender Ausbau der Netzinfrastruk- tur und eine deutliche Zunahme der Elektromobilität Voraussetzung ist (beides ist noch nicht gegeben), zeigt die überschlägige Rechnung, dass in diesem Bereich sehr große Speicherpotenziale liegen, die von der Größenordnung die Leistung der vorhandenen Pumpspeicherkraftwerke erreichen bzw. übersteigen und die überdies kostengünstig bereitgestellt werden können (bedingt durch die Tatsache, dass die Investi- tion hier aus anderen Gründen erfolgt). Maximale Bereitstellungsdauer Die Bereitstellungsdauer variiert je nach Anwendungs- fall der Batterie von unter einer Stunde (Volllast) bis zu mehreren Tagen (Teillast). 3

67 Kosten Die Investitionskosten liegen etwa bei 300 bis 800 €/ kWh Speicherkapazität plus 100 bis 200 €/kW Aus- speicherleistung. Unter Ansatz von 500 €/kWh und 150 €/kW ergeben sich bei einem typischen Anwen- dungsfall einer täglichen Ein- und Ausspeisung über jeweils 6 Stunden Stromgestehungskosten (ohne La- destrom) von ca. 320 €/MWh (eigene Berechnungen), die damit heute etwa doppelt so hoch liegen wie bei einer Speicherung in Blei-Säure-Akkus. Zukünftig wird jedoch eine deutliche Kostendegres- sion erwartet, so dass die Angaben zu den perspek- tivisch (im Zeitraum 2020 bis 2030) zu erwartenden Investitionen in vielen Studien wesentlich geringer ausfallen. Es wird erwartet, dass die Kosten auf ca. ein Drittel der heutigen Preise sinken [27], [28]. Da- mit könnte die Technik in Zukunft konkurrenzfähig mit Blei-Säure-Akkus werden, insbesondere wenn es ge- lingt, die Zyklenzahlen stark zu erhöhen. Die Weiter- entwicklung der Technik kann dazu führen, dass es künftig zu einer starken Zunahme der Elektromobilität kommt, die dann die entsprechenden Potenziale für Lastmanagement und Speicherung bietet (siehe auch Kapitel 4). Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Die Weiterentwicklung der Technik sollte vorange- trieben werden, um die Potenziale hinsichtlich einer Verbesserung der Eigenschaften und der Kostensen- kung zu erschließen. Bei der Förderung der Elektromobilität sollte die Tech- nik intelligenter Zähler im Fahrzeug im Zusammenhang mit einer entsprechenden intelligenten Netzinfrastruk- tur erprobt werden, die in der Zukunft die dezentrale Rückspeisung ermöglicht. Langfristig muss es Anreize für Stromabnahme zu Zeiten niedriger oder negativer Residuallast für Strom- rückspeisungen zu Zeiten mit hoher Residuallast geben. Die Steuerung muss automatisch unter Be- rücksichtigung der durch den Nutzer vorgegebenen Restriktionen erfolgen (maximaler Entladezustand, voller Speicher zu einem festgelegten Zeitpunkt etc.). 3.4.3.3 Redox-Flow-Batterien Bei Redox-Flow-Batterien wird die Batteriezelle von zwei durch eine für Salzionen durchlässige Membran getrennte Elektrolyte durchströmt. Die Elektrolyte, in denen Metallsalze gelöst sind, dienen als Speicher- medium und werden getrennt von der Batteriezelle gelagert. Dies hat den Vorteil, dass sich die Speicher- größe flexibler dimensionieren lässt. Entwicklungsstand der Technik Die Energiedichte von Redox-Flow-Batterien ist ab- hängig von der gewählten Materialkombination und liegt zwischen 15 und 70 Wh/kg. Redox-Flow-Batte- rien besitzen einen im Vergleich mit anderen Batterie- systemen niedrigeren Wirkungsgrad von nur 70 bis 80 % und liegen damit im Bereich moderner Pump- speicherkraftwerke. Sie können nahezu verschleißfrei betrieben werden und erreichen mit rd. 10.000 eine wesentlich höhere Zyklenzahl als Batteriesysteme mit internem Speicher, haben keine nennenswerte Selbstentladung und sind daher prinzipiell prädesti- niert für eine saisonale Speicherung [27]. Einige Redox-Flow-Systeme (Zink-Brom und Vanadi- um-Redox) sind im kommerziellen Einsatz und kön- nen als marktreif bezeichnet werden, während andere Systeme (Eisen-Chrom) sich noch im Prototyp-Sta- dium befinden. Darüber hinaus wird an neuen Ma- terialkombinationen geforscht. Weitere Forschungs- schwerpunkte sind die Verbesserung der Membranen und die Hydrodynamik [27]. Heute vorhandene installierte Leistung In Irland, Japan, China und den USA gibt es, häufig in netzschwachen Regionen, einige Windparks, die mit Redox-Flow-Batterien ausgestattet sind (typische An- lagengrößen bewegen sich zwischen 0,5 bis 2 MW und 1 bis 12 MWh). Die Batterien dienen zur Span- nungsregulierung und als Langzeitspeicher für den fluktuierenden Windstrom [27]. 3

68 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Potenzial für künftig nutzbare Leistung Bedingt durch die von der Batteriezelle getrennten Speichertanks sind diese prinzipiell beliebig dimensi- onierbar. Eine deutliche Erhöhung der heutigen Spei- cherkapazitäten auf 100 MWh und mehr ist geplant, um die Einsatzgebiete der potenziellen Langzeitspei- cher zu erhöhen. Ebenso kann mittelfristig mit einer Erhöhung der maximalen Batterieleistung auf bis zu 10 MW gerechnet werden [27]. Maximale Bereitstellungsdauer Die Bereitstellungsdauer variiert je nach Anwendungs- fall und – dies gilt aufgrund des externen Speichers im Speziellen für die Redox-Batterien – je nach Aus- legung der Batterie: Die i. d. R. maßgeschneiderten Systeme können je nach Anforderungsprofil für eine kurzzeitig große Leistung oder eine geringere Leis- tungsabgabe über einen längeren Zeitraum ausgelegt werden. Die Entladezeiten realisierter Systeme liegen beispielsweise zwischen 1,5 Sekunden und rund 10 Stunden [27]. Kosten Über die erforderlichen Investitionskosten gibt es bis- her keine belastbaren Zahlen. In [27] werden sie mit 100 bis 1.000 €/kWh angegeben. Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Die Weiterentwicklung der Technik sollte gefördert werden, da hier, wenn die Kosten entsprechend ge- senkt werden können, eventuell eine weitere Option für die langfristige Speicherung besteht. 3.4.3.4 Zusammenfassende Bewertung Batteriespeicher Eine Bewertung der Relevanz von Batteriespeichern für das Energieversorgungssystem von morgen ist kaum möglich, da hier noch erhebliche Entwicklungs- potenziale gesehen werden. An diversen wissen- schaftlichen Einrichtungen wird an der Verbesserung der Eigenschaften von Batteriespeichern oder auch an der Entwicklung völlig neuer Batteriekonzepte ge- forscht. Die heute verfügbaren Batterien beschränken sich im Wesentlichen auf Blei-Säure- und Lithium-Ionen-Ak- kumulatoren. Die Kosten sind derzeit noch so hoch, dass sich die Speicherung nicht lohnt, es sei denn die Speicherung erfolgt in Batterien, die aus anderen Gründen vorhanden sind wie bei der Elektromobilität. Nennenswerte Überschüsse an Erneuerbaren Ener- gien, die sinnvollerweise gespeichert werden sollten, werden erst ab 2025 bis 2030 auftreten. Entspre- chend könnten Batterien dann einen Beitrag zur zeit- lichen Verlagerung der Stromerzeugung leisten. Aus heutiger Sicht ist die Speicherung deutlich teurer als in Pumpspeicherkraftwerken, deren Potenzial aber sehr begrenzt ist. Batterien eignen sich in der Regel nur für kurzzeitige Speicherung über mehrere Stunden, maximal ein paar Tage. Das Speichern über längere Zeiträume ist zwar in Li-Ionen-Akkus technisch mög- lich (geringe Selbstentladung), wird aber extrem teuer. Wenn es um langfristige Speicherung über mehrere Wochen geht, ist Power to Gas (siehe Kapitel 3.4.5) deutlich kostengünstiger. Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Bat- teriespeicher sollten unbedingt weitergeführt und in- tensiviert werden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich hier in den nächsten Jahrzehnten noch deutlich bessere Möglichkeiten zur Stromspeicherung erge- ben. 3.4.4 Druckluftspeicher Beschreibung der Technik Zur Speicherung von Strom in einem Druckluftspei- cher (Compressed Air Energy Storage - CAES) er- zeugt ein elektrischer Verdichter Druckluft, die in einer unterirdischen Kaverne gespeichert wird. Bei Bedarf wird die Druckluft über einen Druckluftmotor oder eine Gasturbine geleitet und entspannt, dabei wird wieder Strom erzeugt. Bei der Verdichtung entsteht Wärme, die (bislang) ungenutzt bleibt, während im Entspan- nungsprozess erneut Wärme zugeführt werden muss. 3

69 Die Idee des sog. adiabaten Druckluftspeicherkraft- werks ist daher, die bei der Kompression entstehen- de Wärme ebenfalls zu speichern, um sie bei bzw. vor der Entspannung zur Erwärmung der Druckluft zu nutzen. Mit diesem Prinzip könnte der Wirkungsgrad eines Druckluftspeichers, der in der Praxis (Huntorf) bei 40 % liegt, deutlich erhöht werden. Entwicklungsstand der Technik Weltweit gibt es erst zwei Druckluftspeicher- und Gasturbinen-Kombikraftwerke. Während die erste Pi- lotanlage in Huntorf, Deutschland (Inbetriebnahme in 1978 und Retrofit in 2006) einen Wirkungsgrad von gut 40 % aufweist, erreicht das weiterentwickelte und mit Abwärme-Rekuperatoren ausgestattete Kraftwerk McIntosh in den USA (Inbetriebnahme in 1991) be- reits einen Wirkungsgrad von 54 %. Die in diesen bei- den Speicherkraftwerken eingesetzte Anlagentechnik kann als marktreif bezeichnet werden, hat jedoch ei- nen vergleichsweise geringen Wirkungsgrad. Die Wirkungsgrade von Druckluftspeichern werden aus physikalischen Gründen auch langfristig unter de- nen von Pumpspeicherkraftwerken liegen. Allerdings sollen mit der adiabaten Druckluftspeichertechnik (Advanced Adiabatic Compressed Air Energy Sto- rage – AA CAES) weitere Optimierungen umgesetzt werden, mit der eine Erdgaszufeuerung vermieden und eine Wirkungsgraderhöhung auf 62-70 % erreicht werden soll. Die Errichtung einer solchen Pilotanla- ge (ohne Erdgaszufeuerung) ist für 2013 in Staßfurt geplant. Die Technik befindet sich noch im Entwick- lungsstadium. Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht vor allem im Bereich der Wärmespeicherung sowie der Optimierung der Kompressor- und Turbi- nentechnik. Die Lebensdauer von Druckluftspeichern wird auf rund 50 Jahre geschätzt. Heute vorhandene installierte Leistung & maximale Bereitstellungsdauer Das Kraftwerk in Huntorf hat eine Leistung von 320 MW, die über zwei Stunden abgerufen werden kann. Das Kraftwerk in McIntosh hat eine Leistung von 110 MW und, bedingt durch ein deutlich größeres Spei- chervolumen der angeschlossenen Salzstock-Kaver- nen, eine maximale Bereitstellungsdauer von 26 Stun- den. Die geplante Demonstrationsanlage in Staßfurt (90 MW) soll für eine Bereitstellungsdauer von ca. 4 Stunden ausgelegt werden. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Das Potenzial zur Nutzung von Druckluftspeichern in Deutschland ist groß, da in es insbesondere in Norddeutschland große Salzkavernen gibt, in de- nen die Druckluft gespeichert werden könnte. In [28] wird ein nutzbares Potenzial von 9 Mrd. m 3 bzw. 27 TWh angegeben. Bei voller Nutzung ließe sich hiermit bereits eine ca. 2-wöchige Windflaute überbrücken. Aufgrund der relativ hohen Stillstandsverluste von bis zu 5 % pro Tag ist aber eine Speicherung über die Dauer eines Tages hinaus nicht sinnvoll. Für den Fall der zweiwöchigen Windflaute ist Power to Gas bereits kostengünstiger. Somit eignet sich auch der Druck- luftspeicher nur für kurzfristige Verlagerungen von we- nigen Stunden. Potenzialmindernd wirken sich Nutzungskonkur- renzen, insbesondere die Nutzungsmöglichkeiten der Salzstöcke als Erdgasspeicher, aus. Laständerungsgeschwindigkeit, Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand Druckluftspeicherkraftwerke sind flexibel und könnten zur Erbringung von Minutenreserve und ggf. zukünf- tig auch für Sekundärregelleistung eingesetzt werden. Abhängig von der gewählten Anlagentechnik und Wärmerückgewinnung stehen innerhalb von wenigen Minuten rd. 50 % und nach 10-20 Minuten 100 % der Leistung zur Verfügung. Ein weiterer Vorteil ist die Schwarzstartfähigkeit der Druckluftspeicher. Kosten Die in der Literatur angegebene Bandbreite der spe- zifischen Investitionen ist groß und reicht von 400 bis 1.000 €/kW für diabate und 770 bis 1.500 €/kW für adiabate Speicher. Die Investitionen in die Kaverne werden mit 40 bis 100 €/kWh angegeben [13], [28], [33], [25]. 3

70 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Unter Ansatz von 50 €/kWh und 1000 €/kW ergeben sich bei einem typischen Anwendungsfall einer täg- lichen Ein- und Ausspeisung über jeweils 6 Stunden Stromgestehungskosten (ohne Ladestrom) von ca. 100 €/MWh (eigene Berechnungen). Die Stromspeicherkosten von Druckluftspeichern lie- gen damit zwischen denen von Pumpspeichern und denen von Batterien. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Das BMU rechnet mit dem großtechnischen Einsatz optimierter Druckluftspeicher erst ab ca. 2020 [13]. Unter Berücksichtigung der Bauzeiten für die Anlagen könnten Druckluftspeicher zwischen 2020 und 2030 eine wachsende Bedeutung erlangen. Die notwen- dige Weichenstellung (Errichtung von Pilotanlagen zur Forschung und Weiterentwicklung adiabater Spei- cher) muss dazu bereits heute erfolgen. Ob Druckluftspeicher in größerem Umfang genutzt werden, wird von den Fortschritten bei der Weiterent- wicklung der Technologie abhängen, insbesondere auch in Relation zu den entsprechenden Fortschritten bei der Weiterentwicklung der Batteriespeicher. 3.4.5 Power to Gas Beschreibung der Technik Die chemischen Reaktionen der Elektrolyse sind wie die des Sabatier-Prozesses bzw. Methansynthese grundsätzlich lange entdeckt und erforscht. Das Po- wer to Gas Konzept macht sich beide Prozesse zu Nutze, um überschüssige elektrische Energie (aus Er- neuerbare Energien Anlagen) in Wasserstoff oder syn- thetisches Methan (SNG 5 ) umzuwandeln, aufzube- reiten, zu verdichten und zu speichern. Das erzeugte Gas steht anschließend für die Rückverstromung in Kraftwerken oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen oder als Kraftstoff für den Verkehr zur Verfügung, sie- he Abbildung 36. In einem ersten Prozessschritt wird der überschüs- sige Strom für die Wasserelektrolyse herangezogen. Die elektrische Energie wird hierbei in chemische En- ergie gewandelt. Wasser bzw. eine wässrige Kalium- hydroxid-Lösung als Elektrolyt – je nach eingesetzter Technologie – wird in zwei Teilreaktionen in die Ele- mente Wasserstoff (H 2 ) und Sauerstoff (O 2 ) aufge- spalten. Das erzeugte H 2 wird verdichtet und kann in Tanks (Druckspeicher oder verflüssigt in Kyrobehäl- tern) oder Kavernen zwischengelagert werden. Auch eine Einspeisung in das Erdgasfernleitungsnetz ist eingeschränkt möglich. Zwei Technologien haben sich für die Wasserelektroly- se durchgesetzt: die alkalische Elektrolyse (Al-Elektro- Abbildung 36: Prozessschritte Power to Gas [34] 5. SNG – synthetic natural gas 3

71 lyse) und die Polymer-Elektrolyt-Membran-Elektrolyse (PEM-Elektrolyse), die beide bei atmosphärischem Druck ablaufen oder als Druckelektrolyseure (bis 30 bar) ausgelegt werden können. Die Hochtemperatur- Elektrolyse als ein drittes Verfahren befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Drucklose alkalische Elektrolysesysteme, die heute kommerziell auf Modellebene erhältlich sind, haben einen spezifischen Energieverbrauch von 4,1 – 4,5 kWh/Nm³, was bei einem Wasserstoffumsatz zwi- schen 1 und 760 Nm³/h pro Modul einer elektrischen Leistungsaufnahme von 5 kW bis 3,4 MW entspricht. Durch eine Parallelschaltung mehrerer Module ist die Leistung weiter skalierbar, womit zusätzlich der spezifische Energieverbrauch aus Effizienzgründen verbessert werden kann. Der spezifische Energie- verbrauch von Druckelektrolyseuren liegt mit 4,5 bis 5,0 kWh/Nm³ etwas höher, wobei stets der Gesamt- wirkungsgrad der Prozesskette betrachtet werden sollte, da u. U. eine Verdichtung des Gases in spä- teren Prozessschritten entfällt. Insgesamt nähern sich die spezifischen Energieverbräuche beider Verfahren der alkalischen Elektrolyse mit steigender Wasser- stoffproduktionsrate einander an. Die Lebensdauer atmosphärischer alkalischer Elektrolysesysteme wird regelmäßig mit 7 bis 12 Jahren angegeben, während alkalische Druckelektrolyseure teilweise Nutzungs- zeiten über 20 Jahre vorweisen können. Obwohl ein Teillastbetrieb auf 20 bis 40 % der Nennleistung möglich ist, reduziert sich hierbei, wie auch bei dy- namischer Fahrweise mit häufigen Lastwechseln, die Wasserstoffqualität durch eine in Relation zum weni- ger produzierten H 2 steigende Verunreinigung durch Fremdgase. Die erhöhten mechanischen Beanspru- chungen wirken sich ebenso negativ auf die Lebens- dauer der Komponenten aus [35]. Die PEM-Elektrolyse ist im Vergleich zur alkalischen Elektrolyse weniger entwickelt, der Einsatz kon- zentriert sich derzeit auf Nischenanwendungen und kleine Leistungsbereiche, bei denen dem Gesamt- wirkungsgrad eine untergeordnete Bedeutung zu- kommt. H 2 -Produktionsraten von 0,06 bis 30 Nm³/h auf Modellebene ergeben bei einem spezifischen Energieverbrauch zwischen 6 und 8 kWh/Nm³ eine elektrische Leistungsaufnahme bis maximal 150 kW. Einschränkungen im Teillastbereich gibt es bei PEM- Elektrolyseuren weniger. Auch das Verhalten bei ho- her Laständerungsgeschwindigkeit kann positiv be- wertet werden [35]. Wird der erzeugte Energieträger H 2 nicht direkt ver- wendet, kann er in einem zweiten Prozessschritt durch die Zuführung von CO (Kohlenstoffmonoxid) oder (vornehmlich) CO 2 (Kohlenstoffdioxid) zu syn- thetischem Methan (und Wasser als Nebenprodukt) weiterverarbeitet werden. Insbesondere die Methani- sierung des H 2 mit Kohlenstoffmonoxid (CO) wurde, initiiert durch die Ölkrisen in den 1970er Jahren, groß- industriell erforscht und entwickelt, indem über die Kohlevergasung Methan erzeugt wurde. Die hier ent- wickelten Verfahren der katalytischen Methanisierung können aber auch zur Umwandlung des H 2 mit CO 2 eingesetzt werden und lassen sich in 2-Phasen- und 3-Phasen-Systeme kategorisieren. Allen gemeinsam ist die stark exotherme Reaktion mit Temperaturen um 400°C, die gleichzeitig ein Problem hinsichtlich ei- ner effizienten Reaktionswärmeabfuhr und der Kataly- satorbelastung darstellen. Festbettreaktoren, Wirbel- schichtreaktoren und beschichtete Reaktoren zählen zu den 2-Phasen-Systemen, die Blasensäulenreak- toren zu den 3-Phasen-Systemen [28], [36]. Um ein schnelles Auskühlen der 2-Phasen-Systeme und damit verbunden ein Wiederanfahren mit zu- sätzlicher thermischer Energie zu vermeiden, sollte ein minimaler Gasstrom stets vorhanden sein. Eine weiter zu lösende Herausforderung stellen auch stark schwankende Gasströme dar. Beide Probleme spre- chen für die Berücksichtigung eines Wasserstoffspei- chers im Gesamtsystem. Der Wirkungsgrad der Me- thanisierung liegt zwischen 75 – 85 %, ohne aber den Energieeinsatz für Nebenaggregate, oder der Zu- und Abfuhr der thermischen Energie einzurechnen [28]. Aufgrund ihrer Charakteristika bieten sich Blasensäu- lenreaktoren besonders gut für das Power to Gas Konzept an. Das noch frühe Forschungsstadium die- 3

72 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien ser Technologie verhindert aber den großindustriellen Einsatz [28] (Tabelle 3). Das alternative Verfahren der mikrobiellen bzw. bio- logischen Methanisierung verspricht ein großes Po- tenzial, da die Prozessflexibilität erhöht wird, die Re- aktionstemperaturen deutlich gesenkt werden und Kosten für die alternativ notwendigen teuren Kataly- satoren entfallen. Weitere Forschungsanstrengungen sind notwendig, um dieser Technologie zur Marktreife zu verhelfen [28]. Als Quellen für das CO 2 bieten sich Biogasanla- gen, fossil befeuerte Kraftwerke, Industrieanlagen, CCS-Anlagen oder die Atmosphäre an. Trotz der zusätzlichen Umwandlungsverluste, die durch die Methanisierung entstehen, sprechen die breitere Ein- setzbarkeit und unkompliziertere Speicherbarkeit des synthetischen Methans, das chemisch identisch mit fossilem Erdgas ist, sowie dessen deutlich gesteiger- te Energiedichte gegenüber Wasserstoff (Faktor 3) für den weiteren Prozessschritt. Für die Rückverstromung von H 2 , dem Erdgas-Was- serstoff-Gemisch oder dem synthetischen CH 4 bie- ten sich grundsätzlich Gaskraftwerke, KWK-Anlagen oder Brennstoffzellen, zentral und dezentral, an. Bei Wirkungsgraden in der gekoppelten Erzeugung von bis zu 60 % ergeben sich Gesamtwirkungsgrade zwi- schen 30-45 %. Bewertung und Potenziale: Insbesondere für die Stromversorgung bietet Power to Gas die Möglichkeit, große Energiemengen im vor- handenen Erdgasnetz langfristig zu speichern und über weite Entfernungen verlustarm zu transportieren. Durch die mit dieser Technologie erreichte Kopplung des Stromnetzes mit dem Gasnetz können Über- tragungskapazitäten vergleichsweise kostengünstig auf nationaler und internationaler Ebene erschlos- sen werden, die eine Größenordnung über denen des Stromübertragungsnetzes liegen. Der Rückgriff auf die bestehende Erdgasinfrastruktur spart Kosten und Vorlaufzeiten in Bezug auf den wegfallenden Speicherbau und reduziert die Importabhängigkeit von fossilem Erdgas. Auch der Einsatz als Kraftstoff im Verkehr (sowohl H 2 wie SNG) ist denkbar, ohne der Gefahr einer Nutzungskonkurrenz zur Nahrungs- mittelproduktion oder sonstiger landwirtschaftlicher Nutzung im Vergleich zu den übrigen biogenen Kraft- stoffen ausgesetzt zu sein. Insgesamt besteht somit eine höhere Flexibilität hinsichtlich der Weiterverwen- dung des eingespeisten Energieträgers SNG durch eine mögliche Verwendung in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Die zur Verfügung stehenden Speicherkapazitäten für Power to Gas hinsichtlich der Erzeugung von synthetischem Methan sind nahezu unbegrenzt. Im deutschen Erdgasnetz sind aktuell Speicher mit einer Kapazität von etwa 230 TWh installiert, die transpor- tierte Energiemenge beträgt in Deutschland ca. 1.000 TWh/a, die theoretisch mit dem Austauschgas SNG ersetzt werden können. Die Effizienzeinbußen, die durch den Prozessschritt der Methanisierung entstehen, legen allerdings die Beschränkung des Power to Gas Konzepts vorerst Tabelle 3: Vergleich der Reaktortypen zur katalytischen Methanisierung [37] Festbett Wirbelschicht Waben Blasensäule Wärmeabfuhr - + + ++ Stofftransport 0 ++ + - Katalysatorbelas- tung + -- + 0 Flexibilität - -- - + 3

73 auf die Produktion und Nutzung von H 2 nahe. Gemäß den Vorgaben der DVGW-Arbeitsblätter G 260 und G262 ergeben sich Restriktionen für die Einspeisung von H 2 als Zusatzgas in das Erdgasnetz, die in der Gasnetzzugangsverordnung kodifiziert sind. Sowohl brenntechnische Kenndaten müssen eingehalten werden, wie eine maximale Höchstmenge der Bei- mischung von Wasserstoff am Einspeisepunkt von 5 Vol. % [36]. Die sofort nutzbaren Kapazitäten für eine Beimischung von H 2 in die Erdgasinfrastruktur liegen bei 1-3 Vol %. Das Erdgasnetz ist flächendeckend für einen Anteil von max. 5 Vol % H 2 geeignet. Bei der Einspeisung ist zu beachten, dass ein ausreichender Gasdurchfluss gewährleistet ist, um lokal zu hohe H 2 -Konzentrati- onen zu vermeiden. Diese Durchflussmengen werden sich vorwiegend im Fernleitungsnetz wiederfinden. Unterstellt man einen Volumenanteil von 5 % H 2 , er- gibt sich bei Berücksichtigung der geringeren Ener- giedichte des Wasserstoffs eine jährliche Aufnahme- kapazität von etwa 15 TWh, würde das Power to Gas Konzept nur die Elektrolyse beinhalten [36], [37]. Darüber hinaus ist eine direkte Nutzung des H 2 als chemischer Rohstoff bspw. in Industrieprozessen oder im Verkehr denkbar. Im Vergleich zu H 2 ist die Einspeisung von Methan in das Erdgasnetz erprobt und mit weniger Restriktionen behaftet. H 2 kann im Erdgasnetz zu einer Versprödung von Leitungen oder Leitungsbauteilen führen. Auch die Diffusion von H 2 durch die Rohrleitungswände ist möglich, wobei neuere Untersuchungen eine ver- gleichsweise hohe technische Akzeptanz des H 2 im Erdgasnetz andeuten, in der Beeinträchtigungen erst ab Konzentrationen von 20 Vol % H 2 und mehr auf- treten. Dem entgegen stehen erhebliche Investitions- und Nachrüstungsbedarfe in der Infrastruktur und bei den Endabnehmern, vornehmlich bei industrieellen Gasturbinen, um solche H 2 -Konzentrationen zu be- wältigen. Fraglich bleiben darüber hinaus die Akzep- tanz der Nachbarländer hinsichtlich einer gesteigerten H 2 -Konzentration, da das deutsche Erdgastransport- netz eine zentraleuropäische Drehscheibe darstellt [38]. Demgegenüber sind bei der Methan-Nutzung weder eine Begrenzung der Einspeisequote, noch abrech- nungs-, sicherheits- oder anlagentechnische Modifi- kationen erforderlich. Methan weist gegenüber Was- serstoff eine ca. dreimal höhere Energiedichte und damit eine höhere spezifische Speicherkapazität und niedrigere Transportkosten auf. Insgesamt bietet Me- than breitere Einsatzmöglichkeiten (Strom, Wärme, Verkehr, Prozessgas). Insgesamt ist zu erwarten, dass die Zusatz-Kosten der Methanisierung geringer sein werden als der Infrastrukturausbau für H 2 bzw. die entstehenden Aufwendungen für die Ermöglichung höherer H 2 -Konzentrationen im Erdgas. Von Bedeutung bei der Bewertung des Wasserstoff- potenzials ist außerdem der Umstand, dass H 2 im Gegensatz zu SNG, lediglich als Zusatzgas im Erd- gas anzusehen ist. Eine vollständige Substitution des Erdgases ist daher nicht möglich. Entsprechend ist auch keine isolierte Rückverstromung des H 2 mög- lich. Stattdessen wird bei der Rückverstromung des Erdgasgemisches immer auch fossiles Erdgas ver- brannt werden. Insofern ist Wasserstoff im Gegensatz zu SNG nicht als reiner Stromspeicher zu betrachten. Der Nachteil von CH 4 im Vergleich zu H 2 ist vor allem die geringere Effizienz. Der Gesamt-Wirkungsgrad sinkt mit dem zweiten Prozessschritt von ca. 48 % auf ca. 32 %. Dadurch und durch die aufwändigere Anlagentechnik liegen die Produktionskosten deutlich höher. Entwicklungsstand der Technik Die Elektrolyse und Methanisierung sind grundlegend erprobte Techniken, denen bislang allerdings der großtechnische Einsatz fehlt. Pilot- und Demonstra- tionsprojekte zur Herstellung von synthetischem Me- than (SNG) haben die Anlagenleistung sukzessive von 25 kW auf 6 MW gesteigert. Die SolarFuel GmbH, die sich als industrieller For- schungspartner u. a. auf die Power to Gas Techno- 3

74 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien logie spezialisiert hat, strebt mit dem ZSW bis 2015 eine Leistungssteigerung der alkalischen Elektroly- seure auf 20 MW elektrisch an. Die Weiterentwick- lung der Elektrolyse-Systeme versprechen weitere Leistungssteigerungen und -sprünge in der Zukunft. Schwerpunkte der künftigen Forschungsanstren- gungen werden in der Kapazitätssteigerung pro Mo- dul, der Senkung des spezifischen Energieverbrauchs und der Flexibilisierung der Fahrweise der Elektrolyse- systeme liegen. Während atmosphärische Elektrolyseure aktuell den Stand der Technik aufgrund langjähriger Erprobung, einfacher Anlagentechnik und damit vergleichsweise niedriger Investitionskosten darstellen, scheint die zu- künftige Entwicklung den Druckelektrolyseuren zu ge- hören. Trotz eines deutlichen Entwicklungsbedarfs im Teillastbereich und bei den Wartungsaufwendungen von Druckelektrolyseuren deutet das höhere Wasser- stoffumsetzungspotenzial auf die zukünftige Nutzung dieser Technik [35]. Der Wirkungsgrad eines Elektrolyseurs bestimmt sich durch seinen Energieverbrauch zur Herstellung eines Normkubikmeters Wasserstoff. Die Wasserelektrolyse erreicht einen Wirkungsgrad zwischen 75 - 85 %, der Prozessschritt der Methanisierung einen zwischen 60 und 65 %. Nimmt man eine Wiederverstromung von Wasserstoff in einem GuD-Kraftwerk mit einem Wir- kungsgrad von 60 % an, erreicht der Gesamtprozess Strom-H2-Strom eine Effizienz von knapp 50 %. Wird zusätzlich die Methanisierung vorgenommen, ergibt sich für die Prozesskette Strom-SNG-Strom ein Ge- samtwirkungsgrad zwischen 30 und 35 %. Potenzial für künftig nutzbare Leistung Mit dem deutschen Erdgasnetz sind über 200 TWh Speicherkapazität vorhanden. Zukünftig wird durch den Zubau weiterer Speicherkapazitäten das theore- tische Speicherpotenzial auf ca. 400 TWh wachsen. Sofern das Potenzial von Kavernenspeichern für H 2 mit einbezogen würde, das im Gegensatz zur erstge- nannten Infrastruktur zusätzlich (und vorerst nicht ge- plant) erschlossen werden müsste und sich nachteilig auf die Wirtschaftlichkeit auswirken würde, könnte das Speicherpotenzial weiter erhöht werden. Inten- siver zu untersuchen bleiben die Auswirkungen des Wasserstoffs in Poren- oder Aquiferspeichern. Unter Umständen bleibt diese Speicheroption versagt [38]. Wird bei dem Prozessschritt der Methanisierung nur auf biogenes CO 2 zurückgegriffen sind die Erzeu- gungsmengen von SNG begrenzt. Hier sollte politisch entschieden werden, ob nicht eine Nutzung von CO 2 aus industriellen Prozessen sinnvoll wäre, ohne da- bei die Besserstellung als EE-Gas zu verlieren, da an- dernfalls das technische Potenzial nicht ausgeschöpft werden könnte. Maximale Bereitstellungsdauer Power to Gas kann aufgrund der vorhandenen Erd- gasinfrastruktur als Langzeitspeicher mit nahezu un- begrenzter Bereitstellungsdauer angesehen werden. Mit den vorhandenen Speicherkapazitäten von etwa 230 TWh kann Deutschland seinen Erdgasverbrauch etwa 3 Monate decken. Perspektivisch wäre mit Speicherkapazitäten um 400 TWh sogar eine De- ckung für 5 ½ Monate und mehr möglich, unterstellt man einen künftig abnehmenden Erdgasverbrauch. Mit einem angenommenen Wirkungsgrad von 60 % für die Rückverstromung würde sich eine elektrische Speicherleistung von 138 TWh (240 TWh el zukünftig) ergeben. Laständerungsgeschwindigkeit, Zuschaltgeschwindigkeit aus dem Stillstand, Laständerungspotenzial Während größere Gaskraftwerke Laständerungsge- schwindigkeiten von 5 – 10 %/min ausgehend von ihrer Nennleistung erreichen können, sind bei den Elektrolyse-Anlagen Lastgradienten bis 20 % der in- stallierten Leistung pro Minute möglich. Bei der Me- thanisierung sollte ein kontinuierlicher H 2 -Strom zur Verfügung stehen, der u. U. die Installation eines H 2 - Speichers erfordert [28]. Kosten Im Gegensatz zu allen anderen Speichertechnolo- gien entstehen die Kosten fast ausschließlich durch die Höhe der Einspeiseleistung, nicht durch die Spei- 3

75 cherkapazität, da auf eine vorhandene Infrastruktur zurückgegriffen werden kann. Die Kosten für die Elektrolyse schwanken stark mit dem verwendeten Verfahren und der Anlagengröße. Die Investitionskosten liegen heute bei ca. 1.000 €/ kW, vgl.Tabelle 5. Für den Prozessschritt der Methanisierung werden in der Literatur ähnlich hohe Kosten je kW genannt [39]. Hinzu kommen die Kosten für den Wasserstoff- speicher, der Leistungselektronik und Regelungstech- nik sowie Verdichter- und Einspeiseanlagen. Für eine komplette Power to Gas-Anlage wurden Kosten bis 6.000 €/kW für das Jahr 2010 recherchiert, wobei BET von deutlich geringeren spezifischen Investiti- onskosten ausgeht [40]. Franke gibt gestaffelt nach der Anlagengröße Investitionskosten zwischen 2.300 - 2.210 €/kW an [41]. Ferner kann angenommen wer- den, dass mit zunehmendem Einsatz und weiterer Entwicklung der Technik Lern- und Erfahrungseffekte entstehen, die künftig zu deutlich sinkenden Investiti- onskosten führen. Der Netzentwicklungsplan Gas 2012 gibt ferner bei einer Einspeisung von Wasserstoff in das Ferngaslei- tungsnetz kleiner einem Volumenprozent Umrüst- und Umbaukosten in Höhe von 105 Mio. € an. Die Kosten setzen sich aus der Umrüstung der Mess- und Re- gelstationen sowie für den Umbau der Gasturbinen für die Brenngasaufbereitung zusammen. Steigt der Anteil des eingespeisten Wasserstoffs, kommen zu- Tabelle 4: Überblick CO 2 -Quellen und Potenziale für Methanisierung [36] CO 2 -Quelle jährl. CO 2 Volumen- strom in Mio. Nm³/a Aufnahmepotenzial für überschüssige elek. Energie in TWh/a EE-Gas nach heutiger Definition Abscheidung aus Umgebungsluft unbegrenzt unbegrenzt ja herkömmliche Biogasanlagen 3.000 61 ja Biogasanlagen mit Biomethaneinspeisung 160 3 ja Bioethanolanlagen 295 6 ja Kläranlagen unbekannt unbekannt ja fossile Verbrennungsprozesse unbekannt unbekannt nein Stahlindustrie 8.430 172 nein Zementindustrie 5.000 94 nein Chemische Industrie 7.880 161 nein Tabelle 5: Investitionskostenübersicht Elektrolyseure nach Smolinka 2011 [35] Alkalische Elektrolyse PEM-Elektrolyse Atmosphärische Elektrolyseure Druckelektrolyseure 800 – 1.500 €/kW 1.000 – 1.800 €/kW 2.000 – 6.000 €/kW 3

76 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien sätzlich Kosten für die Modifikation bzw. den Ersatz der Gasturbinen sowie der Umrüstung der Verdichter in nicht unerheblichem Umfang hinzu [38]. Da die Investitionskosten bei der Power to Gas Tech- nologie im Gegensatz zu allen anderen Speichertech- nologien nicht von der Speicherkapazität, sondern im Wesentlichen von der Einspeiseleistung abhängen, werden die spezifischen Kosten pro ausgespeicher- ter kWh in der Relation zu anderen Speichertechno- logien umso günstiger, je länger die Speicherdauer ist. Für kurze Speicherdauern über einige Stunden sind sowohl Pumpspeicher als auch Batterien ko- stengünstiger. Für lange Speicherdauern über mehre- re Wochen (langanhaltende Windflaute) kommen die Speicherkosten in den Bereich von Pumpspeichern. Letztere haben aber ein sehr begrenztes Potenzial und können daher den künftigen Bedarf für Langzeit- speicher bei Weitem nicht decken. Wirtschaftlichkeit Treiber der Wirtschaftlichkeit des Power to Gas Kon- zepts ist der Preis des Überschussstroms, der für die Gasproduktion bezogen werden muss, in Relation zum Preis, der für das SNG bezahlt wird. Mindestens muss die Preisdifferenz die hohen Verluste des Um- wandlungsprozesses decken. Um die Investitions- kosten zu refinanzieren, sind erheblich höhere Preis- differenzen nötig. Heute ist die Technologie von der Wirtschaftlichkeit weit entfernt, selbst wenn der Preis des Überschussstroms Null ist. Über die Wirtschaft- lichkeit in der Zukunft kann derzeit keine Aussage ge- macht werden. Diese hängt zum einen von der Ent- wicklung der Investitionskosten ab, zum anderen vom künftigen Marktdesign und den davon ausgehenden Preissignalen. Für die Wirtschaftlichkeit ist auch die Herkunft und Verfügbarkeit des CO 2 für die Methanisierung von Bedeutung. Z. B. wird bei der Aufbereitung von Bi- ogas zu Biomethan das CO 2 aus dem Biogas ab- geschieden, so dass dieses dann in reiner Form zur Verfügung steht und in einer Methanisierungsanlage, soweit diese sich in direkter Nähe zur Biogasanlage befindet, verwendet werden kann. Muss das CO 2 je- doch erst aufwändig aus Gasen abgeschieden wer- den, z. B. aus den Abgasen fossiler Kraftwerke oder aus der Luft, entstehen zusätzliche Prozessverluste und Kosten. Bei direkter Nutzung von Wasserstoff erübrigt sich der Prozessschritt der Methanisierung. Wenn Was- serstoff aber in großem Umfang als Stromspeicher genutzt werden soll, ist der Aufbau einer Wasserst- offinfrastruktur erforderlich, was sehr hohe Kosten verursachen würde und wahrscheinlich im Vergleich teurer würde als die Nutzung von Methan im Erdgas- netz. Darüber hinaus ist bei der Wasserstoffnutzung mit Akzeptanzproblemen zu rechnen. Des Weiteren wird angenommen, dass für die Rück- verstromung auf bereits bestehende Kraftwerke zu- rückgegriffen werden kann und keine Neubauten er- folgen, die in einer Bilanzierung der Kosten ebenso berücksichtigt werden müssten. Nicht zuletzt würde auch ein zusätzlich steigender Erdgaspreis oder ein höherer Preis für CO 2 -Zertifikate die Technik wirtschaftlich attraktiver machen. Ab wann sollte die Technik sinnvollerweise zum Einsatz kommen? Aufgrund des vergleichsweise niedrigen Gesamtwir- kungsgrades von ca. 35 % sollten andere in dieser Studie beschriebene Ausgleichsmöglichkeiten zum Einsatz kommen, bevor auf die Power to Gas Tech- nik zurückgegriffen wird. Die hohen leistungsabhän- gigen Kosten schließen die wirtschaftliche Nutzung als Kurzfristspeicher aus. Aufgrund der hohen Spei- cherkapazitäten ist eine Nutzung als saisonales Spei- chersystem denkbar und bei einer angestrebten Voll- versorgung mit erneuerbaren Energien alternativlos. Denn keine andere der beschriebenen Speicheropti- onen oder Ausgleichsmöglichkeiten bietet ein ähnlich großes Speicherpotenzial. Anstatt das erzeugte Gas wieder rückzuverstromen, könnte es auch im Verkehrssektor eingesetzt werden, um dort den Anteil fossiler Energien zu reduzieren. Bei dieser Nutzungsart sind die Verluste geringer und die 3

77 Wirtschaftlichkeit dürfte früher erreicht werden. Hier- bei handelt es sich dann allerdings nicht um eine voll- ständige Stromspeicherung. Die Nutzung für Mobilität könnte aber die Einführung der Technologie erleich- tern. Maßnahmen zur Förderung der Technik bzw. zum Abbau der Hemmnisse Die Technik wird in den nächsten zwei bis drei Jahr- zehnten nicht benötigt. Sie kommt sinnvollerweise erst zum Einsatz, wenn die Stromversorgung fast ausschließlich auf Erneuerbaren Energien basiert. Ausnahmen kann es geben im Fall von Netzengpäs- sen, die sich aus Akzeptanzgründen nicht beseitigen lassen. Insofern ist eine Förderung zur Markteinfüh- rung der Technik aus heutiger Sicht noch nicht erfor- derlich und sinnvoll. Gleichwohl könnten die Rahmen- bedingungen im Hinblick auf die Weiterentwicklung und Erprobung der Technik verbessert werden. Es besteht bereits die Möglichkeit einer zweckgebun- denen Befreiung der Elektrolyse von der Stromsteuer (§ 9a StromStG), den Gas- und Stromnetzentgelten (§ 118 EnWG) sowie für ein pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten (§ 20a GasNEV). SNG, das unter Nutzung von biogenem CO 2 erzeugt wurde, kann als EE-Gas (gemäß dem EEG) in das Erdgasnetz eingespeist werden. Dadurch gewinnt es an Wertigkeit gegenüber Erdgas, da die Verstromung dieses Gases durch das EEG gefördert wird. Eine Besserstellung der Power to Gas Technologie würde erreicht, wenn das erzeugte SNG generell als EE-Gas anerkannt würde, unabhängig davon, wo das verwendete CO 2 herkommt. Dies lässt sich damit begründen, dass durch die Speicherung kein zusätz- liches CO 2 entsteht. CO 2 , das ohnehin schon da ist, wird der Umwelt entnommen und bei der Rückver- stromung wieder emittiert. Der Anreiz, überschüssige Energie zu nutzen, könnte langfristig auch dadurch erhöht werden, dass abge- regelter Strom nicht mehr wie bisher nach EEG ver- gütet wird. Eine solche Regelung müsste aber in ein insgesamt neues Marktdesign integriert werden. Den Betreibern von Windkraftanlagen dürfen keine Min- dererlöse aufgrund nicht ausreichenden Netzausbaus entstehen. 3.5 Zusammenfassung Speicher Das Speichern von Strom ist grundsätzlich eine teure und je nach Technik auch verlustreiche Flexibilitätsop- tion. Daher sollten zunächst andere, kostengünstigere Optionen genutzt werden, um den Bedarf für Spei- cher zu minimieren. Überschüsse aus Erneuerbaren Energien können vermieden werden durch Lastma- nagement, strombedarfsgerechten Einsatz von Bio- gas- und KWK-Anlagen, durch Nutzung des Stroms im Wärmemarkt oder für Elektromobilität. Wenn diese Optionen ausgeschöpft sind, ist abzuwägen zwischen der Speicherung und der Abregelung der Überschüs- se. Der Bau von Überkapazitäten von EE-Anlagen und deren zeitweise Abregelung ist bis zu einem gewissen Grad kostengünstiger als die Speicherung. In Abbildung 37 sind wesentliche Kenngrößen von unterschiedlichen Speichern dargestellt, in Klammern jeweils die in der Literatur angegebenen Bandbreiten, die einzelne Zahl die für eigene Modellrechnungen verwendete. Mit diesen Daten wurden für verschie- dene Anwendungsfälle die Kosten in €/MWh ausge- speicherter Strom berechnet. Zum einen wurde der Fall einer täglichen Verlagerung der Stromerzeugung von den Mittags- in die Abendstunden betrachtet (typischer Verlauf bei PV-Anlagen), zum anderen der Fall einer zweiwöchigen Windflaute im Anschluss an eine zweiwöchige Starkwindperiode. Dabei wurden die Speicherverluste pauschal mit 100 €/MWh be- wertet. Dieser Wert stellt eine grobe Abschätzung der zusätzlichen Erzeugungskosten in einem Mix aus EE- Anlagen dar. Für den ersten Anwendungsfall (siehe Abbildung 38) wird deutlich, dass Pumpspeicher in Deutschland die günstigste Speicher-Variante darstellen, Druck- luftspeicher und Batterien unter Berücksichtigung künftiger Kostensenkungspotenziale bereits erheblich 3

78 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Abbildung 37: Eigenschaften und Kosten von Stromspeichertechnologien 0 100 200 300 400 500 600 €/MWh Verlagerung  von  Mittag  auf  Abend heutige  Kosten Kostenschätzung  2030 Abbildung 38: Kosten kurzfristiger Stromspeicherung ) zum Vergleich 3

79 teurer sind und Power to Gas die teuerste Option ist. Zum Vergleich wurde in der Abbildung die Erbringung derselben Flexibilität durch eine flexible KWK- oder Biogasanlage aufgenommen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Residuallast noch im positiven Bereich bleibt, da KWK-Anlagen im Gegensatz zu Speichern keine Überschüsse speichern können. Sie können aber vermeiden, dass diese entstehen. Für den zweiten Anwendungsfall ergibt sich ein an- deres Bild (Abbildung 39): Auch hier stellen Pump- speicher die kostengünstigste Option dar. Da aber für eine Langzeitspeicherung die Pumpspeicherpo- tenziale in Deutschland bei weitem nicht ausreichen, müssen zusätzlich andere Optionen zum Einsatz kommen. Es zeigt sich, dass die Power to Gas Tech- nologie nun deutlich günstiger ist als Druckluftspei- cher und Batterien. Dies liegt an der unterschiedlichen Kostenstruktur der Speicher. Während bei allen an- deren Speichern vor allem die Speicherkapazität ko- stenbestimmend ist, ist es bei Power to Gas die Ein- speicherleistung. Sowohl aufgrund der Kosten als auch aufgrund der Potenziale ist Power to Gas unumgänglich, wenn man Strom über mehrere Wochen oder länger spei- chern will. Es stellt sich jedoch die Frage, (ab) wann man Strom über mehrere Wochen speichern muss. Dies wird erst dann erforderlich, wenn der Anteil der Erneuerbaren Energien nahe 100 % liegt. Solange dies nicht der Fall ist, gibt es kostengünstigere Mög- lichkeiten, die Erzeugungslücken mit konventionellen Kraftwerken und KWK-Anlagen zu füllen. Aus technischer und wirtschaftlicher Sicht sind für die Langzeitspeicherung Pumpspeicher und Power to Gas geeignet, eventuell auch Redox-Flow-Batte- rien, die sich jedoch noch in einem frühen Entwick- lungsstadium befinden. Die einzige Technik, mit der ausreichende Speichervolumina für die saisonale Verlagerung größerer Strommengen realisiert werden können, ist Power to Gas, da hierbei das vorhandene Erdgasnetz als Speicher genutzt werden kann. Da das Potenzial für Pumpspeicher zumindest inner- halb Deutschlands sehr begrenzt ist, wird es langfristig 0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600 1.800 2.000 €/MWh 2  Wochen  Starkwind,  2  Wochen  Flaute heutige  Kosten Kostenschätzung  2030 Abbildung 39: Kosten langfristiger Stromspeicherung 3

80 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien voraussichtlich erforderlich, für die Kurzzeitspeiche- rung über mehrere Stunden auch auf teurere Spei- chertechniken zurück zu greifen. Sowohl Batterien als auch Druckluftspeicher oder ausländische Pump- speicher können die Pumpspeicher in Deutschland sinnvoll ergänzen. Batterien und Druckluftspeicher werden insbesondere im Fall von Netzengpässen, die sich nicht in vertretbarer Zeit beseitigen lassen, sinn- voll sein. Da der Ausbau des Netzes, wie von BET in ande- ren Projekten ermittelt wurde, in der Regel kosten- günstiger ist als das Speichern des Stroms, wird der Einsatz von Batterien und Druckluftspeichern unter Kostengesichtspunkten erst gegen Ende des 3. Jahr- zehnts, wenn es bundesweit zu nennenswerten EE- Überschüssen kommt, sinnvoll werden. 3

81 4 Interdependenzen mit anderen Modulen Es bestehen Interdependenzen mit allen anderen in der BEE Plattform Systemtransformation betrachte- ten Modulen: • Wärmemarkt, • Mobilität, • Netzinfrastruktur und • Marktdesign, die hier kurz qualitativ beschrieben werden. Wärmemarkt Abhängigkeiten zwischen Strom- und Wärmemarkt bestehen insbesondere durch KWK-Anlagen, die gleichzeitig beide Produkte herstellen, die aber nicht immer zeitgleich benötigt werden. Solange immer eine Grundlast konventioneller Kraftwerke in Betrieb ist, kann wärmegeführte KWK jederzeit Kondensations- strom ersetzen und damit die Effizienz des Systems verbessern. In Stunden mit Überschüssen an Erneu- erbaren Energien führt wärmegeführte KWK jedoch zu deren Abregelung. Daher müssen KWK-Anlagen künftig mit Wärmespeichern ausgestattet werden, um die zeitliche Entkopplung von Strom- und Wär- meerzeugung zu ermöglichen. KWK-Strom aus fossi- len Energien darf künftig nicht EE-Strom verdrängen, sondern muss dann erzeugt werden, wenn Erneuer- bare nicht verfügbar sind (siehe auch Kapitel 3.3.4. „stromgeführte KWK“). Bei zunehmenden Anteilen Erneuerbarer Energien für die Stromerzeugung wird es interesssanter und ökologisch vorteilhafter, Strom für die Erzeugung von Wärme zu verwenden. Dies gilt insbesondere für den Fall, wenn Überschüsse aus Erneuerbaren Energien auftreten, die ansonsten entweder abgeregelt oder sehr aufwändig gespeichert werden müssten (siehe auch Kapitel 3.1.3 „Überschussstrom zu Wärme“). Die Umwandlung in Wärme stellt eine kostengünstige Option dar, den Strom ohne weitere Verluste zu nut- zen und fossile Energien für die Wärmeerzeugung ein- zusparen. Abbildung 40: Übersicht der Module und Querschnittsfragen [Quelle: BEE] Stand: 06.03.2013 I IN ARBEIT BEE  Pla'orm  Systemtransforma2on   Ziele,  Module  und  Planung   1 1 Übersicht  der  Module  und  Querschni2sfragen   Wärme   Speicher   Power-­‐to-­‐Gas   (Netz  Gas)   Mobilität   Nutzungspfade   BiokraEstoffe   Ausbau     E-­‐Mobilität   EE-­‐Prognose  2030   Potenziale   Marktdesign   Bedarfsdeckung?   Netzstabilität?   Kosten?   Interdependenzen?   Regionalität?   Akzeptanz?   Ausbau  EE-­‐Wärme   Gebäudeeffizienz   Preisbildung   bedarfsgerechte     EE-­‐Stromerzeugung   Börse   OTC   Rechtsrahmen   Zwischenwirken  /     Überschneidungen   Umweltbilanzen   Umbau   Förderstruktur   Kapazitäts   markt   Ausgleich   Flexibilitätsreserven  aus     dem  Wärmemarkt     Bedarf     konv  KW   EE-­‐Alloka[on   Lastmgt.   europäische  Ebene   fluktuierende/steuerbare  EE   Legende: grün = Querschnittsfragen , blau = modulare Fragenkomplexe , grau = Teilmodule bzw. Denkanstösse Übergang   Regionale  Verteilung   DSM   Eigentümerstruktur   Netzinfrastruktur   Um-­‐  und  Ausbau   Netz-­‐  /  Systemdienstleistungen   Flexibilitätsreserven  aus     dem  Mobilitätsbereich     4

82 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Des Weiteren bestehen große Potenziale für den Ein- satz von elektrischen Wärmepumpen. Wärmepum- pen nutzen den Strom durch zusätzliche Nutzung der Umweltwärme sehr effizient. Durch Einbindung in das Lastmanagement können sie gut für kurzfristige Lastverlagerungen eingesetzt werden, insbesondere wenn sie in Kombination mit einem Wärmespeicher betrieben werden. Je höher der Anteil der Erneuer- baren Energien im Gesamtsystem ist, desto größer wird der ökologische Vorteil der Wärmepumpe. Mobilität Die Elektromobilität bietet eine weitere Möglichkeit zum Lastmanagement. Die Ladezeiten der Elektroau- tos können unter Berücksichtigung der Restriktionen durch die Nutzung der Fahrzeuge in Zeiten hohen EE- Angebots bzw. von EE-Überschüssen gelegt werden. Denkbar ist auch eine Nutzung als Speicher, indem die Batterien bei Bedarf auch wieder entladen wer- den. Dadurch stünde eine kostengünstige Speicher- möglichkeit zur Verfügung, da die Investitionskosten für den Speicher nicht dem Stromsystem zuzurech- nen sind. Dies erfordert jedoch eine komplexe Steu- erung und ein entsprechendes Vergütungsmodell. Es muss sichergestellt werden, dass die Speicher nicht stärker entladen werden als der Fahrzeugnutzer dies zulässt. Auch muss der zusätzliche Lebensdauerver- zehr durch die häufigeren Ladezyklen durch die Ver- gütung des ausgespeicherten Stroms kompensiert werden. Unter der Annahme von 6 Mio. Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 (gemäß Zielsetzung der Bundesregierung) besteht dann eine gesamte Speicherkapazität von ca. 90 GWh. Bei einem vorsichtig angenommenen Gleichzeitigkeitsfaktor von 5 % ergibt sich eine nutz- bare Speicherkapazität von 4,5 GWh bei einer Lade- leistung von maximal 12 GW (bei Schnellaufladung) und einer Entladeleistung von maximal 15 GW. Die- se Leistungen können nur kurzfristig für maximal 20 Minuten und somit als Regelenergie zur Verfügung gestellt werden. Für Lastverlagerungen über längere Dauer sinkt die nutzbare Leistung entsprechend. Eine weitere Interdependenz zum Mobilitätssektor besteht durch Nutzung von synthetisch hergestelltem Gas (vgl. Kapitel 3.4.5 „Power to Gas“) im Verkehr. Netzinfrastruktur In der vorliegenden Untersuchung wurde ein voll- ständiger Netzausbau unterstellt, so dass jede er- zeugte kWh in das Stromnetz eingespeist und zu den Verbrauchern transportiert werden kann. In ver- schiedenen Studien wurde der Netzausbau als i. d. R. kostengünstigste Option identifiziert um die Ab- regelung von Erneuerbaren Energien weitgehend zu vermeiden. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Netzausbau aufgrund langer Genehmigungs- und Bauzeiten sowie aufgrund von Akzeptanzproblemen bei der Bevölkerung nicht überall rechtzeitig im erfor- derlichen Umfang erfolgen wird. Bereits heute treten insbesondere in Schleswig-Holstein häufig Situati- onen auf, in denen der Windstrom nicht vollständig im Netz aufgenommen werden kann und abgeregelt werden muss. Auch ist ein Netzausbau zur Integration „der letzten kWh“ aus EE nicht immer sinnvoll. Insofern besteht ein direkter Zusammenhang zwi- schen der Netzsituation und den hier betrachteten Flexibilitätsoptionen. In Gebieten mit Netzengpässen tritt die Situation negativer Residuallasten teilweise heute schon auf. Da der Netzengpass aus den o. g. Gründen oftmals nicht kurzfristig beseitigt werden kann, können die hier betrachteten Flexibilitätsopti- onen deutlich früher sinnvoll eingesetzt werden und zur Entschärfung der Netzsituation beitragen als bei Betrachtung von Deutschland als „Kupferplatte“. Marktdesign Das Marktdesign ist von besonderer Bedeutung für die Umsetzung der beschriebenen Techniken und Maßnahmen. Diese wird nur dann erfolgen, wenn ausreichende wirtschaftliche Anreize bestehen. Im derzeitigen „energy only market“ wird in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage ein Preis für die erzeugte Arbeit gebildet. Dieser entsteht aus den Grenzkosten des letzten für die Lastdeckung benötigten Kraftwerks. Zunehmende Einspeisungen aus Erneuerbaren Ener- 4

83 gien haben einen preissenkenden Effekt führen daher zu einer weiteren Dämpfung des Großhandelspreises. Derzeit sind die Strompreise an der Börse auf einem so niedrigen Niveau, dass Investitionen in neue Stro- merzeugungsanlagen durch die Erlöse am Strom- markt nicht refinanziert werden können. Auch sind die Spreads zwischen Hoch- und Niedrigpreisen relativ klein. Daher bestehen Anreize, in Speichertechniken zu investieren, nur in Ausnahmefällen. Untersuchungen zum Marktdesign waren nicht Ge- genstand dieser Studie. Es ist aber davon auszuge- hen, dass mit den heute vorhandenen Märkten keine ausreichenden Anreize zur Investition in Techniken zur Flexibilisierung des Stromversorgungssystems bestehen, sondern nur Maßnahmen, die keine nen- nenswerten Investitionen erfordern, realisiert werden können. Zusätzlich zum energy only market erscheint es not- wendig, einen Marktmechanismus zu schaffen, in dem die Bereitstellung von Leistung honoriert wird. Hierfür spricht auch die lange Vorlaufzeit vieler Tech- nologien. Planung und Bau eines Kraftwerks dauern ca. 4 bis 6 Jahre, bei Pumpspeichern sind es bis zu 10 Jahre. Wenn abgewartet wird, dass durch Knapp- heit von Kapazitäten die Preise in Bereiche steigen, die einen Investitionsanreiz darstellen könnten, wird es zu Versorgungslücken kommen, da das System nicht schnell genug auf die Preissignale reagieren kann. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien führt im derzeitigen Marktdesign zu einer weiteren Dämp- fung der Preise, da die Erneuerbaren mit Grenzkosten von nahe Null oder durch das EEG-Vergütungsmodell mit festen Einspeisevergütungen sogar mit negativen Grenzkosten auch unabhängig vom Einspeisevorrang konventionelle Kraftwerke verdrängen. Somit wird es immer häufiger zu Stunden mit sehr niedrigen oder negativen Preisen kommen. 4

84 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien 5 Zusammenfassung und Fazit In dieser Studie wurden die Möglichkeiten zum Aus- gleich der zunehmenden fluktuierenden Stromerzeu- gung aus Erneuerbaren Energien dargestellt und hin- sichtlich ihrer Bedeutung und zeitlichen Einordnung im Rahmen der Umsetzung der Energiewende bewertet. Bei der Ermittlung der Zeitpunkte, in denen die einzel- nen Technologien zum Einsatz kommen sollen, wurde vereinfachend davon ausgegangen, dass das Strom- netz keine Restriktion darstellt, sondern nach den Erfordernissen der EE-Erzeugung weitgehend ausge- baut wird. In anderen Untersuchungen, unter ande- rem auch in Projekten der BET wurde der Netzausbau als i. d. R. kostengünstigste Option zur Vermeidung der Abregelung von EE-Anlagen identifiziert. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Netzaus- bau aufgrund langer Genehmigungs- und Bauzeiten sowie aufgrund von Akzeptanzproblemen bei der Be- völkerung nicht überall rechtzeitig im erforderlichen Umfang erfolgen wird. In diesen Fällen ist der Einsatz von einigen der hier dargestellten Ausgleichsmöglich- keiten im Zeitverlauf auch deutlich früher sinnvoll. Da Netzengpässe heute schon bestehen und voraus- sichtlich eher zunehmen werden, können die in dieser Studie dargestellten Flexibilitätsmaßnahmen Lastma- nagement, Überschussstrom zu Wärme oder auch Stromspeicher bei Einsatz in den Engpassgebieten bereits heute sinnvoller sein als die sonst unvermeid- bare Abregelung der EE-Anlagen. Eine Flexibilitätsoption, die im Rahmen dieser Studie nicht untersucht wurde, ist der Stromaustausch mit dem Ausland. Je größer das Gebiet, innerhalb des- sen Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden können, desto größer sind Ausgleicheffekte, die allein durch unterschiedliche Wind- und Einstrahlungsver- hältnisse in den verschiedenen Gebieten entstehen. Voraussetzung für den internationalen Ausgleich sind ausreichende Kuppelkapazitäten. Derzeit wird der Stromaustausch mit dem Ausland durch die begrenz- ten Kuppelkapazitäten eingeschränkt. Ein Ausbau erscheint sinnvoll, um zu relativ niedrigen volkswirt- schaftlichen Kosten den Bedarf für teurere Ausgleichs- möglichkeiten zu senken. Um den sinnvollen Umfang des Ausbaus der Kuppelkapazitäten zu ermitteln sind weitere Untersuchungen erforderlich. Derzeit wird die Flexibilität im System fast ausschließ- lich von Wärmekraftwerken und Pumpspeicherkraft- werken bereitgestellt, in (noch zu) geringem Maße auch von KWK-Anlagen. Dies wird bis zu einem EE- Anteil von nahezu 50 % auch weiterhin funktionieren. Somit werden zusätzliche Flexibilitäten erst nach 2020 benötigt. Flexibilität bedeutet: 1. Bereitstellung ausreichender Leistung bzw. Re- duktion der Verbrauchslast für Wetterlagen mit wenig Wind und Sonne 2. Bereitstellung dieser Leistung über definierte Zeitspannen (Extremfall: mehrwöchige Windf- laute) 3. Nutzung von EE-Überschüssen 4. Schnelle Regelfähigkeit zum Ausgleich hoher Gradienten der Residuallast Es stehen eine Reihe von Technologien für die Be- reitstellung von Flexibilität zur Verfügung, wobei die Beiträge zur Flexibilisierung sehr unterschiedlich sind. Einige Techniken können Leistung für kurze oder län- gere Zeiträume zur Verfügung stellen, andere können negative Leistung liefern, indem Stromüberschüsse genutzt oder gespeichert werden, einige sind schnell, andere weniger schnell regelbar und eignen sich so- mit unterschiedlich gut zum Nachfahren von steilen Gradienten der Residuallast. In Tabelle 1 (vgl. Seiten 9 und 85) ist eine Über- sicht über die Flexibilitätsoptionen mit ihren wesent- lichen Eigenschaften dargestellt. In Abbildung 41 ist dargestellt, wann die Technologien im Zeitverlauf sinn- vollerweise zum Einsatz kommen sollten, Abbildung 42 gibt eine Einschätzung über die Systemrelevanz, wobei die Kriterien Potenzial, technische Reife und Kosteneffizienz eingeflossen sind. 5

85 Geschätztes Potenzial 1) Dauer Schnellig- keit in % / min. Bemerkungen Demand Side Management (DSM) DSM Industrie +2 / -0,7 GW [DENA]; +0,5 / -4,4 GW [VDE]; kurzfristig 1 bis 4 Stunden 20-100% kurzfristig und kostengünstig nutzbares Potenzial; höheres Potenzial für Abschaltun- gen im Minutenbereich bzw. zu hohen Kosten DSM Haushalte ca. +0,6 GW / -2,3 GW bis 2030 einige Stunden 100% (ohne Wärmepumpen) DSM Haushalte – elektrische Wärmepumpen max. +0,45 GW (Winter) / -2,2 GW (Sommer) bis 2030 ca. 2 Stunden 100% Quelle: ecofys, prognos, 2011; Dauer mit Wärmespeicher auch länger Überschussstrom zu Wärme mehr als -10 GW; kurzfristig unbegrenzt 20-100% nur negative Leistung, abh. vom Wärmebedarf Erneuerbare Energien Einspeisemanagement Wind & PV „unbegrenzt“ unbegrenzt 100% nur negative Leistung; bei gedrosselter Fahrweise auch positive Regelleistung möglich Strombedarfsorientier- ter Einsatz Biogas und feste Biomasse max. +/ - 16 GW bis 2030 4 bis 12 Stunden 5-20% Strombedarfsorientier- ter Einsatz Biomethan Wochen bis Monate bei Einspeisung ins Erdgasnetz Kraftwerke und KWK Stromgeführter Einsatz KWK max. +/ - 25 GW bis 2020 4 bis 12 Stunden 5-20% auf Basis 20%-Ziel der Bundesregierung; davon ca. +9/-4,5 GW bereits flexibel eingesetzt Nutzung bestehender Kraftwerke heute ca. 80 GW unbegrenzt 1-2% Leistung abnehmend gemäß „Sterbelinie“ Retrofit bestehender Kraftwerke ca. +3 GW Delta zw. Pmin und Pmax bis 2020 unbegrenzt 4-8% Entscheidung für Retrofit nur wenn wirtschaftlich Neubau flexibler Kraftwerke unbegrenzt unbegrenzt 4-10% abh. von Technik, Gasturbinen auch schneller Nutzung Netzersatzanlagen geschätzt 5-8 GW bis 2020 einige Stunden 20-100% nur positive Leistung Stromspeicher Pumpspeicher (Deutschland) ca. 10 GW und 78 GWh bis 2020; langfristig bis zu 2 TWh Stunden bis Tage 50-100% geringe Energiedichte, einzige bewährte und kostengünstige Speichertechnologie , technisch auch als Langzeitspeicher geeignet, aber kein ausreichendes Potenzial Druckluftspeicher („CAES“) beliebig groß, ca. 0,8 – 2,5 TWh Bis 2030 Stunden bis Tage 20% adiabate CAES (Wirkungsgrad ca. 60-70%) noch in der Entwicklungsphase, rel. kostengünstig, weniger effizient und teurer als Pumpspeicher Batteriespeicher unbegrenzt Stunden bis Tage 100% teure Option, hohes Entwicklungs- und Kostensenkungspotenzial Power to Gas unbegrenzt Wochen bis Monate Nicht relevant aus heutiger Sicht einzige Langfristspeicher- option mit ausreichendem Potenzial, niedriger Wirkungsgrad (Strom zu Strom 30-45%), früherer Einsatz für Gaserzeugung für Verkehr Tabelle 1: Übersicht der Flexibilitätsoptionen (vgl. Seite 9) 5 1) Potenzial positiv = Bereitstellung zusätzlicher Erzeugungsleistung bzw. Abschaltung von Lasten Potenzial negativ = Abschalten von Erzeugungsleistung bzw. Zuschaltung von Lasten

86 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das BEE-Szena- rio umsetzbar ist und auch bei sehr hohen Anteilen Erneuerbarer Energien ausreichende Flexibilitäten mobilisiert werden können, um die Systemstabilität zu gewährleisten. Lastmanagement Lastmanagement ist eine Option, mit der durch rege- lungstechnische Maßnahmen ohne hohe Investitionen Flexibilität bereitgestellt werden kann. Viele industriel- le Prozesse sind grundsätzlich in gewissem Rahmen zeitlich verschiebbar, meist jedoch nur für relativ kurze Zeiträume von wenigen Minuten bis maximal einigen Stunden. Manche Lastverlagerungen verursachen nur geringe, andere jedoch auch hohe Kosten. Dies hängt davon ab, wie stark der Produktionsprozess durch die Maßnahme beeinflusst wird. In vielen Fällen ist die Lagerung von Zwischenprodukten erforderlich, was zusätzliche Kosten verursacht. In geringem Maße wird Lastmanagement in der Industrie bereits prakti- ziert durch Teilnahme an den Regelenergiemärkten, vorrangig durch das Angebot von Minutenreserve. In der Zukunft wird das Lastmanagement in der In- dustrie eine zunehmende Bedeutung erlangen, insbe- sondere für kurzfristige Lastverlagerungen. Auch im Lastmanagement in Haushalten und Gewer- be liegen erhebliche Potenziale zur Lastverlagerung. Deren Erschließung ist jedoch im Vergleich zur Indus- trie mit einem deutlich höheren regelungstechnischen Aufwand verbunden, da viele kleine Einzelleistungen unter Berücksichtigung der nutzerseitigen Restrikti- onen zentral gesteuert werden müssen. Auch erfor- Abbildung 41: Einsatz der Flexibilitätsoptionen auf der Zeitschiene nach den Kriterien Bedarf und Kosteneffizienz (ohne Berücksichtigung von Netzrestriktionen) 5 2010 2020 2030 2040 2050 DSM Industrie Überschussstrom zu Wärme DSM Haushalte, Gewerbe Pumpspeicher Einspeisemanagement Wind & PV Strombedarfsorientierter Einsatz Biogas und feste Biomasse Nutzung bestehender Kraftwerke Neue flexible Kraftwerke Nutzung Netzersatzanlagen Druckluftspeicher (?) Power to Gas (H 2 ) Batteriespeicher Flexibilitätssteigerung bestehender Kraftwerk e durch Retrofit Power to Gas (CH 4 ) EE-Erzeugung 1) 22% 47% 79% ca. 100% ca. 120% 1) % des Verbrauchs; die nutzbare EE-Erzeugung ist kleiner wegen Speicherverlusten. Strombedarfsorientierter Einsatz Biomethan (Einspeisung ins Erdgasnetz) Stromgeführte KWK

87 dert die Umstellung auf Geräte mit entsprechenden intelligenten Steuerungen eine lange Vorlaufzeit. Da- mit für die Nutzer ein finanzieller Anreiz besteht, müs- sen zeitvariable Tarife eingeführt werden. Daher wird der Einsatz dieser Flexibilitätsoption später gesehen als in der Industrie. Durch die zunehmende Installation von Smart Metern werden jedoch heute bereits die Grundlagen für die Nutzung der Technik geschaffen. Elektrische Wärmepumpen eignen sich besonders gut zum Lastmanagement und werden bereits heu- te in begrenztem Umfang mittels Sperrzeiten hierfür eingesetzt. Überschussstrom zu Wärme Eine interessante und kostengünstige Möglichkeit, Stromüberschüsse zu nutzen, ist die Umwandlung dieses Stroms in Nutzwärme. Hierdurch wird der Einsatz fossiler Energie im Wärmesektor vermieden. Der eingesparte Brennstoff kann zu einem späteren Zeitpunkt in einer Strommangelsituation in GuD- oder KWK-Anlagen zur Stromerzeugung verwendet wer- den. Dadurch entsteht ein indirekter Stromspeicher- effekt. Die Potenziale sind groß und sollten soweit möglich genutzt werden, bevor Strom in großem Um- fang direkt gespeichert wird, was deutlich teurer und verlustreicher ist. Eingeschränkt wird das nutzbare Potenzial durch den Wärmebedarf, der nicht immer mit den EE-Überschüssen korreliert. Die Nutzung von Überschussstrom zur Wärmeerzeu- gung kann im Falle von Netzengpässen bereits heute die Abregelung von EE-Anlagen vermeiden. Bisher fehlen jedoch finanzielle Anreize für Investoren in elek- Abbildung 42: Systemrelevanz der Ausgleichsoptionen; Bewertungskriterien: Kosteneffizienz, Potenzial, technische Reife 2013 Ist 2013 Soll 2020 2030 2040 2050 Lastmanagement Industrie gering gering mittel mittel mittel mittel Lastmanagement Haushalte, Gewerbe null null gering gering mittel mittel Lastmanagement Wärmepumpen null gering gering mittel mittel mittel Überschussstrom zu Wärme null gering 1) gering 1) gering mittel mittel Einspeisemanagement Wind & PV gering 1) gering 1) gering mittel hoch hoch Strombedarfsorientierter Einsatz Biomasse gering hoch hoch hoch hoch hoch Strombedarfsorientierter Einsatz Biomethan gering hoch hoch hoch hoch hoch Nutzung bestehender Kraftwerke hoch hoch hoch mittel gering null Flexibilitätssteigerung durch Retrofit mittel mittel mittel gering gering gering Neue flexible Kraftwerke null null hoch hoch mittel mittel Stromgeführte KWK gering hoch hoch hoch hoch hoch Nutzung Netzersatzanlagen gering gering mittel mittel mittel mittel Pumpspeicher hoch hoch hoch hoch hoch hoch Druckluftspeicher null null null gering (mittel)? (mittel)? Batteriespeicher null null gering mittel mittel mittel Power to Gas (H2) null null null gering hoch hoch Power to Gas (CH4) null null null gering mittel hoch 1)  nur  im  Fall  von  Netzengpässen 5

88 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien trische Heizsysteme und Regelungen, die den Zugriff des Netzbetreibers auf die Elektrokessel im Bedarfs- fall ermöglichen. Einspeisemanagement Wenn Überschussstrom nicht genutzt werden kann, bleibt nur die Abregelung der Anlagen (in §11 des EEG als Einspeisemanagement bezeichnet). Da der Netzausbau oft nicht schnell genug erfolgt um die Stromerzeugung aus neuen Windkraft- oder PV-Anla- gen aufzunehmen, nehmen die abgeregelten Mengen derzeit stark zu. Grundsätzlich sollte aber das Netz ausgebaut werden, um die Abregelungen weitgehend zu vermeiden, weil dies geringere Kosten verursacht als das Abregeln und der damit verbundene Redis- patch. Geringe Abregelmengen von ca. 1 % der Er- zeugung sind tolerierbar und können auch volkswirt- schaftlich vorteilhaft sein gegenüber einem perfekten Netzausbau bis zur letzten kWh. Langfristig (nach 2030 bei hohen EE-Überschüssen) wird die Abregelung an Bedeutung gewinnen, da der gezielte Bau von Windüberkapazitäten und deren zeitweise Abregelung in gewissem Rahmen deutlich kostengünstiger sein kann als die Speicherung des Stroms. Durch eine angedrosselte Fahrweise von Windkraft- anlagen könnten diese in der Zukunft auch positive Regelenergie liefern und somit die Must run Leistung konventioneller Kraftwerke reduzieren und langfristig vollständig überflüssig machen. Bestehende fossile Kraftwerke Bisher wurde die benötigte Flexibilität vorrangig durch die bestehenden fossilen Kraftwerke bereitgestellt. Wesentlicher Vorteil von Kraftwerken ist die Bereit- stellung von Leistung über beliebig lange Zeit. In einem System, in dem der Strom überwiegend aus Kraftwerken kommt, können diese in Kombination mit den vorhandenen Pumpspeichern auch ausreichend Regelenergie liefern, da immer genügend Kraftwerke am Netz sind. Die Laständerungsgeschwindigkeiten älterer Stein- und Braunkohlekraftwerke sind zwar gering, bis zu einem Anteil von ca. 40-50 % Erneuer- barer Energien aber ausreichend, um die Gradienten der Residuallast abzufahren. Bei noch höheren EE- Anteilen führen mehrere Effekte dazu, dass nicht mehr ausreichend Flexibilität vorhanden ist: • Die Gradienten der Residuallast steigen. • Aufgrund von Stilllegungen stehen weniger Kraftwerke zur Verfügung. • Die Kraftwerke laufen weniger und stehen da- her nur zeitweise als kurzfristige Flexibilität zur Verfügung. Damit trotzdem ausreichend kurzfristige Flexibilität vorhanden ist, müssen einige Kraftwerke auch bei ho- hem EE-Angebot durchlaufen („Must run Leistung“). Dadurch entstehen EE-Überschüsse bereits bei ei- gentlich positiver Residuallast. Derzeit wird die Must run Leistung auf ca. 20 GW geschätzt. Um diese zu reduzieren, ist es von Bedeutung, dass die Mindest- leistungen der Kraftwerke abgesenkt werden. Dies kann im Rahmen eines Retrofits erfolgen. Hierbei han- delt es sich um eine umfassende Erneuerung wesent- licher Kraftwerkskomponenten. Ein solches Retrofit wird dann durchgeführt, wenn durch die Maßnahme die Lebensdauer des Kraftwerks verlängert werden kann und durch die technischen Verbesserungen ein wirtschaftlicher Betrieb über die nächsten 10 bis 20 Jahre erwartet wird. Neben der Absenkung der Mindestlast kann auch eine Erhöhung der Lastände- rungsgeschwindigkeit erreicht werden. Das Potenzial für solche Retrofits ist jedoch begrenzt, da sich bei alten Kraftwerken die erforderlichen Investitionen oft nicht mehr lohnen. Neubau fossiler Kraftwerke Nach 2020 werden durch Stilllegung der letzten deut- schen Kernkraftwerke in Kombination mit der Still- legung alter Stein- und Braunkohlekraftwerke neue Kraftwerkskapazitäten benötigt. Da die Vollbenut- zungsstunden dieser neu zu errichtenden Anlagen aber wegen der Erneuerbaren Energien niedrig sein werden, werden sich nur noch Anlagen mit niedrigen Investitionskosten lohnen. Dies sind vor allem Gas- 5

89 turbinen (open cycle), eventuell in geringem Umfang GuD-Kraftwerke. Wahrscheinlich sind letztere aber bereits zu teuer für die geringe Auslastung. Gastur- binen können zu relativ niedrigen Kosten Leistung zur Verfügung stellen, um „dunkle Windflauten“ zu überbrücken. Als kurzfristige Flexibilität sind sie nur bedingt geeignet, da das Hochfahren zwar schnell ist im Vergleich zu Dampfkraftwerken, aber nicht schnell genug für die Erbringung von Primär- oder Sekundär- regelleistung. Kleine Gasturbinen sind hier schneller als große, dafür ist deren Wirkungsgrad schlechter. Da zu Zeiten hoher EE-Erzeugung immer weniger konventionelle Kraftwerke am Netz sind, ist es von großer Bedeutung, dass Regelenergie in der Zukunft auch von KWK-Anlagen und von den Erneuerbaren Energien selbst bereitgestellt wird, was technisch kein Problem darstellen sollte. Um positive Regelleistung erbringen zu können, muss ein Teil der Anlagen ge- drosselt fahren. Strombedarfsorientierte Fahrweise von KWK- und Biomasseanlagen Eine kurzfristig zu relativ niedrigen Kosten umsetz- bare Flexibilitätsoption ist die strombedarfsorientierte Fahrweise von KWK-Anlagen und Biomasseanlagen. Um die heute meist wärme- bzw. brennstoffgeführt betriebenen Anlagen entsprechend dem Strombe- darf im System fahren zu können, ist die Installation eines Wärmespeichers und die Leistungserhöhung der Anlage erforderlich, da dieselbe Wärmemenge nun in kürzerer Zeit erzeugt werden muss. KWK- und insbesondere Biomasseanlagen sollten daher künftig grundsätzlich für eine strombedarfsgerechte Fahrwei- se ausgelegt werden. Bestehende Anlagen sollten nach Möglichkeit in den nächsten Jahren nachgerü- stet werden. Bei Biomethaneinspeisung in das Erd- gasnetz lässt sich die Stromerzeugung nicht nur über wenige Stunden, sondern auch über lange Zeiträume verlagern. Stromspeicher für den Ausgleich über mehrere Stunden Bei zunehmenden negativen Residuallasten gewin- nen Stromspeicher immer mehr an Bedeutung. Un- umgänglich werden sie dann, wenn die Stromver- sorgung fast vollständig aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden soll. Vorher ist prinzipiell auch die Abregelung der überschüssigen EE möglich und die Überbrückung der „dunklen Flauten“ mit konventio- nellen Kraftwerken. Grundsätzlich ist die Stromspei- cherung eine teure Ausgleichsoption insbesondere für längere Speicherdauern. Pumpspeicher sind die einzige heute zu relativ nied- rigen Kosten verfügbare Speichertechnologie. Sie wird seit Jahren eingesetzt, um Ungleichgewichte zwischen geplanter Erzeugung und aktueller Nachfra- ge auszugleichen. Prinzipiell können Pumpspeicher auch als Langzeitspeicher eingesetzt werden. Die in Deutschland sehr begrenzten Potenziale machen dies jedoch unmöglich. Als Langfristspeicher könnten perspektivisch Pump- speicher in Norwegen dienen. Aufgrund der Topologie und der geringen Besiedelungsdichte besteht hier ein großes Potenzial. Die Kosten der Speicherung lägen wegen der zu verlegenden Seekabel und der Trans- portverluste ca. doppelt so hoch wie bei deutschen Pumpspeichern. Voraussetzung für die Nutzung die- ser Option ist das Interesse Norwegens, neue Pump- speicher für den europäischen Markt zu bauen. Druckluftspeicher haben ein großes Potenzial, da es in Norddeutschland große Salzkavernen gibt, in de- nen die Druckluft gespeichert werden kann. Adiaba- te Druckluftspeicher weisen geringere Verluste auf als nicht adiabate, befinden sich aber noch im Ent- wicklungsstadium. Aufgrund relativ hoher Verluste des Wärmespeichers eignet sich die Technologie nur bedingt für die Langzeitspeicherung. Für Kurzzeit- speicherung konkurriert sie vor allem mit Batterien. Es hängt von den Fortschritten bei der Entwicklung der Technik in Relation zu den Fortschritten bei der Batterietechnik ab, ob ein großtechnischer Einsatz in Zukunft sinnvoll sein wird. Batterien sind hinsichtlich des Potenzials nicht be- grenzt, sind aber heute noch eine sehr teure Flexi- bilitätsoption. Im Zusammenhang mit PV-Anlagen 5

90 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien werden sie bereits zunehmend zur Erhöhung des Eigenverbrauchs eingesetzt. Bei heutigen Kosten für Batteriesysteme entstehen dadurch Mehrkosten für die Allgemeinheit, die aber durch den netzdien- lichen Einsatz der Speicher gemildert werden kön- nen. In einer Studie des Fraunhofer ISE wurde durch Lastflussrechnungen gezeigt, dass ein netzdienlicher Photovoltaik-Batteriebetrieb die Einspeisespitze um ca. 40 % reduziert. In der Zukunft (ca. ab 2025) können Batterien ggf. die kurzfristigen Speichermöglichkeiten in Pumpspei- chern in größerem Umfang ergänzen. Für den Fall von nicht behebbaren Engpässen in Verteilnetzen, z. B. wegen langer Genehmigungs- und Bauzeiten oder öffentlichem Widerstand, kann der Einsatz von Batterien heute bereits sinnvoll sein. Insbesondere die Li-Ionen-Technik verspricht noch ein erhebliches Entwicklungspotenzial hinsichtlich Lebensdauer und Kostensenkung. Dennoch wird die Technologie für die Langzeitspeicherung viel zu teuer bleiben. Interes- sant erscheint die Kopplung mit der Elektromobilität, da die Speicherkosten dann nicht dem Stromversor- gungssystem zugerechnet werden müssen. Pumpspeicher in Deutschland, Druckluftspeicher und Batterien eignen sich aufgrund ihrer Kostenstruktur ausschließlich für die Kurzzeitspeicherung über meh- rere Stunden. Damit konkurrieren diese Technologien mit Lastmanagement und flexibler KWK, die die glei- che Flexibilität im Rahmen der vorhandenen Potenzi- ale i. d. R. kostengünstiger liefern können. Darüber hinaus können Stromspeicher hervorragend zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen wie Spannungshaltung (Bereitstellung von Blindleistung), Schwarzstartfähigkeit, Kurzschlussleistung und ex- trem schnelle Netzausregelung eingesetzt werden. Stromspeicher für den Ausgleich über mehrere Wochen Bis zu einem EE-Anteil von 75-80 % steht bei der Aus- wahl geeigneter Speichermöglichkeiten vor allem die sinnvolle Nutzung der Überschüsse im Vordergrund, d. h. Ziel der Speicherung ist die weitgehende Nutzung des EE-Stromangebots (anstelle von Abregelung). Erhöht sich der EE-Anteil weiter in Richtung Vollver- sorgung (100 % EE), kommt neben der Nutzung der (wachsenden) Überschüsse die Notwendigkeit der Lastdeckung zu allen Stunden des Jahres über EE als zusätzliche Anforderung hinzu. Bei einem sehr hohen Anteil an EE-Strom von nahezu 100 % sind Langzeit- speicher daher unverzichtbar, um auch längere Wind- flauten überbrücken zu können. Als Langzeitspeicher stehen ausschließlich die Erzeugung von Biomethan aus Biomasse und Power to Gas (Wasserstoff oder Methan) zur Verfügung. Da das Potenzial der Biomas- senutzung begrenzt ist, führt langfristig an der Nut- zung von Power to Gas (Wasserstoffelektrolyse) kein Weg vorbei. Großer Vorteil dieser Technologie ist das nahezu un- begrenzte Speichervolumen im Erdgasnetz. Zum Einstieg kann zunächst Wasserstoff in das Gasnetz eingespeist werden, was derzeit bis zu einem Volu- menanteil von 5 % zulässig ist. Bei weiter steigendem Bedarf muss der Prozessschritt der Methanisierung ergänzt werden. Dies hat jedoch zusätzliche Verluste zur Folge, so dass der Speicherwirkungsgrad bei Rückverstromung in einem GuD-Kraftwerk bei nur 30 bis 35 % liegt. Deutlich geringere Verluste treten auf, wenn das er- zeugte Gas nicht rückverstromt wird, sondern z. B. im Verkehrssektor verwendet wird. Bei dieser Nutzung dürfte die Wirtschaftlichkeit früher erreicht werden. Hierbei handelt es sich dann allerdings nicht um eine vollständige Stromspeicherung. Umsetzungshemmnisse Bei der Bewertung der Ausgleichsmöglichkeiten wur- den die Potenziale, die technischen Möglichkeiten und die Kosten einbezogen. Für die Umsetzung ist je- doch von Bedeutung, welche wirtschaftlichen Anreize für den Einsatz der Technologien bestehen oder noch geschaffen werden müssen. Bis auf wenige Ausnah- men bietet das derzeitige Marktdesign mit den heu- tigen Strompreisen kaum Anreize für Investitionen. 5

91 Durch das EEG werden die Erneuerbaren Energien bisher über feste Einspeisevergütungen gefördert. Dieses Modell war und ist äußerst erfolgreich im Sinne eines schnellen Wachstums der Erneuerbaren Ener- gien. Es fehlen aber die Anreize zur Umsetzung der für die Systemstabilität begleitend erforderlichen Fle- xibilitätstechnologien. Die Strompreise an der EEX und die Regelenergie- preise geben die derzeitige Angebot- und Nach- fragesituation wieder. Derzeit besteht sowohl ein Überangebot an Kraftwerkskapazität als auch für Regelleistung, was sich in niedrigen Spot- und Re- gelenergiepreisen und einer geringen Volatilität der Preise widerspiegelt. Daher besteht derzeit kein An- reiz für Investitionen in Kraftwerke inkl. Retrofits und Speichertechnologien. Wenn die entsprechenden Preissignale aufgrund akuter Verknappung auftreten, wird das System aber wegen der langen Vorlaufzeiten voraussichtlich nicht schnell genug darauf reagieren können. Daher erscheint eine Anpassung des Markt- designs, in dem auch die Bereitstellung von Leistung einen Wert bekommt, sinnvoll. Diese Anpassung wird von einer zunehmenden Anzahl von Marktteilnehmern gefordert. Kurzfristige Maßnahmen In der kurzen Frist sollten von den genannten Flexibi- litätsoptionen die folgenden mit Priorität verfolgt bzw. politisch gefördert werden: • Die am Strombedarf orientierte Fahrweise von KWK-Anlagen und Biomasseanlagen sollte stär- ker gefördert werden, so dass die erforderlichen Zusatzinvestitionen refinanziert werden können, z. B. durch die Erhöhung der Flexibilitätsprämie oder durch eine strombörsenpreisabhängig dif- ferenzierte KWK- bzw. EEG-Förderung • Die Erschließung der Lastmanagementpoten- ziale in der Industrie sollte unterstützt werden, damit diese im Bedarfsfall bei entsprechenden Preissignalen schnell einsetzbar sind. • Beim Smart Meter Rollout sollten neben Haus- halten mit hohem Stromverbrauch auch Haus- halte mit elektrischen Wärmepumpen einbezo- gen werden. • Wegen der langen Vorlaufzeiten bei Planung und Errichtung von Kraftwerken und Strom- speichern sollte möglichst bald ein Konzept entwickelt werden, durch das mit dem entspre- chenden zeitlichen Vorlauf Investitionsanreize für die Bereitstellung von Leistung entstehen. • Die Umweltauflagen in den wasserrechtlichen Vorschriften sollten im Hinblick auf die Nutzung der vorhandenen Wasserkraftpotenziale und die tatsächlichen ökologischen Folgen einge- schränkt wechselnder Wasserstände überprüft werden. • Regelungen, die in besonderem Maße die Um- setzung der Maßnahmen behindern, sollten hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit überprüft wer- den. Dies sind z. B.: • Befreiung von Netzentgelten bei hohem Ver- brauch und hohen Vollbenutzungsstunden (NetzentgeltVO §19) • Belastung von Stromverbrauchern, die Überschussstrom nutzen oder speichern, mit Netzentgelten und Umlagen • Mangelnde Zugangsmöglichkeiten für Er- neuerbare Energien und Lastmanagement- maßnahmen zum Regelenergiemarkt (um Must run Leistung zu reduzieren) • Forschung und Entwicklung im Bereich der Speichertechnologien sollten intensiv gefördert werden. 5

92 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien 6 Literatur [1] Ernst, B., Amprion GmbH, Windprognoseverfahren, 2009 [2] Deutsche Energie-Agentur GmbH (Hg.): Dena- Netzstudie II - Integration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015 - 2020 mit Ausblick 2025, 2010 [3] VDE-Studie: Ein notwendiger Baustein in der Ener- giewende: Demand Side Integration, VDE/ETG 06/2010 [4] Roon, S. von, Gobmaier, T., Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V: Demand Response in der In- dustrie – Status und Potenziale in Deutschland, 2010 [5] Capgemini Consulting Österreich AG: Analyse der Kosten-Nutzen einer österreichweiten Smart Meter Einführung für Verband der Elektrizitätsunternehmen Österreich (VEÖ), Wien, 2010 [6] Roon, S. von, Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V.: Lastmanagementpotenziale bei Haushalten und Gewerbe, 2012 [7] Ecofys Germany GmbH, Prognos AG: Potenziale der Wärmepumpe zum Lastmangement im Strommarkt und zur Netzintegration erneuerbarer Energien, im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, BMWi Vorhaben Nr. 50/10, Oktober 2011 [8] Ecofys Germany GmbH, Becker Büttner Held, EnCT: Ökonomische und technische Aspekte eines flä- chendeckenden Rollouts intelligenter Zähler, im Auf- trag der Bundesnetzagentur (BNetzA), 2009 [9] Frontier Economics: Ökonomisches Potenzial für In- telligente Stromzähler in Deutschland, Januar 2011 [10] Prognos AG: Beitrag von Wärmespeichern zur Integ- ration erneuerbarer Energien, im Auftrag des AGFW, 2011 [11] Weinhard, Paul: Speicherbedarfe regenerativer Ener- gien, Bachelorarbeit Fachhochschule Aachen 2011 [12] Mayer, O. et al., Wasser marsch bei Flaute, Erneuer- bare Energien 9/2010 [13] BMU-Leitstudie 2011: Langfristszenarien und Stra- tegien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global [14] Berger, K.: Kostenermittlung der notwendigen tech- nischen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Strome- inspeisung aus Biogasanlagen, Masterarbeit Hoch- schule Mannheim, 2010 [15] VDE-Studie „Erneuerbare Energie braucht flexible Kraftwerke – Szenarien bis 2020“, April 2012 [16] Görner, K.: Energiewende – Anforderungen an einen flexiblen Kraftwerksbetrieb, Workshop Kraftwerks- komponenten des FDBR e.V. mit dem Netzwerk Kraftwerkstechnik NRW, 25.09.2012, Gelsenkirchen [17] Consentec, IAEW, FGH: Ermittlung der technischen Mindesterzeugung des konventionellen Kraftwerk- sparks zur Gewährleistung der Systemstabilität in den deutschen Übertragungsnetzen bei hoher Ein- speisung aus erneuerbaren Energien, Studie im Auf- trag der deutschen Übertragungsnetzbetreiber, 2012 [18] Ess, F. et al., Prognos AG: Bedeutung der internatio- nalen Wasserkraft-Speicherung für die Energiewen- de, Studie im Auftrag des Weltenergierat Deutsch- land e.V., Okt. 2012 [19] Guss, H. (2011): Die Rolle der KWK in einem System mit hohem Anteil fluktuierender Stromerzeugung. www.izes.de/cms/upload/pdf/BET_2011_Guss.pdf (13.6.2012) [20] Mauch, W., FfE: Marktfähigkeit hocheffizienter KWK- Anlagen, April 2012 [21] Umweltbundesamt (UBA), Materialbestand der Re- chenzentren in Deutschland; Eine Bestandsaufnah- me zur Ermittlung von Ressourcen- und Energieein- satz, Dessau-Roßlau, 2010. [22] Umweltbundesamt: Umstrukturierung der Stromver- sorgung in Deutschland, 2011 [23] Grünwald, R. et al.: Regenerative Energieträger zur Sicherung der Grundlast in der Stromversorgung. Endbericht zum Monitoring. Arbeitsbericht Nr. 147. Hg. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deut- schen Bundestag (TAB), 2012 [24] Schlenkhoff, A.; Bergische Universität Wuppertal: Ein Blick auf die öffentliche Debatte über Energie- speicher und das Potenzial von Pumpspeicher in Deutschland; 34. Dresdner Wasserbaukolloquium 2011 [25] Pehnt, M., Höpfner, U.: Wasserstoff- und Stromspei- cher in einem Energiesystem mit hohen Anteilen er- neuerbarer Energien; ifeu im Auftrag des BMU, 2009 6

93 [26] Fieger, C., Ffe: Energiewirtschaftliche und techni- sche Anforderungen an Speichersysteme für den stationären und mobilen Einsatz [27] Mahnke, Eva; Mühlenhoff, Jörg: Strom speichern; Renews Spezial, Ausgabe 57 / Februar 2012 [28] Hartmann, N. et al., Universität Stuttgart: Stromspei- cherpotenziale für Deutschland, 2012 [29] FAZ-Artikel „Stromaustausch mit Norwegen“, 21.06.2012 [30] Sterner, M., Jentsch, M.: Energiewirtschaftliche und ökologische Bewertung eines Windgas-Angebo- tes. Gutachten für Greenpeace Energy. Fraunhofer IWES, Kassel, 2011 [31] Younicos AG, Informationen der Internetseite des Unternehmens (Stand: 14.02.2013): http://www. younicos.com/de/loesungen/batterieparks/index. html [32] Solartechnik Bayern, Informationen der Internetseite http://de.wikipedia.org/wiki/Ladeverfahren (Stand: 15.01.2013) [33] VDE-Studie: Energiespeicher für die Energiewende, 2012 [34] Krause, H., Nitzsche, J., DBI Gas- und Umwelttech- nik GmbH: Potenzialanalyse zur Erweiterung der Ini- tiative, Teil: Elektrolyse, Wasserstoff und Methanisie- rung, interner Workshop, 2012 [35] Smolinka, T. et. al., Fraunhofer ISE: Stand und Ent- wicklungspotenzial der Wasserelektrolyse zur Her- stellung von Wasserstoff aus regenerativen Ener- gien, 2011 [36] Hey, B.: Power-to-Gas als Möglichkeit zur Speiche- rung eines Energieüberangebots und als Bestandteil eines flexiblen Demand Side Managements, 2012 [37] Bajohr, S. et. al., Engler-Bunte-Institut: Speicherung von regenerativ erzeugter elektrischer Energie in der Erdgasinfrastruktur, Fachbeitrag in gwf-Gas 04/2011 [38] Deutsche Fernleitungsnetzbetreiber: Netzentwick- lungsplan Gas 2012, 2012 [39] Auer, J. et. al., DB Research: Moderne Stromspei- cher, Unverzichtbare Bausteine der Energiewende, 2012 [40] Twele, J. et. al., Reiner Lemoine Institut GmbH: Teil- studie: Stromversorgung der Region Brandenburg- Berlin auf Basis Erneuerbarer Energien, 2012 [41] Franke, P.: Strom- und Gasnetze: Zwei ungleiche Partner auf gemeinsamen Weg?, Präsentation im Rahmen der dena Konferenz der Strategieplattform Power to Gas, 2012 Außerdem verwendete Literatur Lastmanagement BDEW: BDEW-Roadmap – Realistische Schritte zur Um- setzung von Smart Grids in Deutschland, Feb. 2013 BDH, bwp, ehpa, VdZ, Zentralverband Sanitär Heizung Kli- ma: Positionspapier Smart Grid und Smart Market – Der Beitrag der Wärmepumpe zur Netzstabilisierung und optimierten Strombeschaffung, 3. Auflage Juli 2012 Consentec, r2b (Consulting für Energiewirtschaft und -tech- nik GmbH, r2b Energy Consulting GmbH): Voraus- setzungen einer optimalen Integration erneuerbarer Energien in das Stromversorgungssystem. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi), 2010 Dena: Vergleich der Kosten-Nutzen-Analysen europäischer Mitgliedsstaaten zum flächen-deckenden Rollout von intelligenten Zählern, August 2012 Hanke. P.: Stromspeicherpotential durch zeitliche Verlage- rung der Warmwasserbereitung für Ein- und Mehr- familienhaushalte in Deutschland als Variante des Lastmanagements, Bachelorarbeit BET Leipzig, 06/2011 Klobasa, M.: Dynamische Simulation eines Lastmanage- ments und Integration von Windenergie in ein Elek- trizitätsnetz auf Landesebene unter regelungstech- nischen und Kostengesichtspunkten, Dissertation, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsfor- schung, ETH, Zürich, 2007 Roon, S. von: Demand Side Management in Haushalten – Methoden zur Potenzialanalyse und Kostenabschät- zung, Beitrag im Rahmen des Projekts „Windener- gie-Ausgleich der Prognosefehler“, FFE, 2010 6

94 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Schlomann et al.: Der Einfluss moderner Gerätegeneratio- nen der Informations- und Kommunikationstechnik auf den Energieverbrauch in Deutschland bis zum Jahr 2010 – Möglichkeiten zur Erhöhung der Ener- gieeffizienz und zur Energieeinsparung in diesen Be- reichen, 2003 Stadler, I.: Demand Response – Nicht elektrische Speicher für Elektrizitätsversorgungssysteme mit hohem An- teil erneuerbarer Energien, Habilitation Universität Kassel, 2005 Erneuerbare Energien MT-Energie Biogas-Technologie: Neue Biogasanlagenkon- zepte im EEG 2012, Oktober 2012 Bömer, J. ecofys: Abschätzung der Bedeutung des Ein- speisemanagements nach EEG 2009 – Auswirkun- gen auf die Windenergieerzeugung in den Jahren 2009 und 2010; 2011 Bömer, J. et al., ecofys: Einspeisemanagement in Schles- wig-Holstein, Dez. 2012 B2B Solarsysteme: Sonnenstrom lohnt sich – Profitieren Sie von jeder Dachausrichtung Consentec: Auswirkungen der Teilnahme von EEG-Anla- gen aus der festen Einspeisevergütung auf die Re- gelenergiemärkte, 05.07.2007 Consentec / R2b: Förderung der Direktvermarktung und der bedarfsgerechten Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien, 23.06.2012 MT-Energie Biogas-Technologie: Neue Biogasanlagenkon- zepte im EEG 2012, Oktober 2012 Wenzel, B., Futterlieb, M. (IfnE): Selbstversorgung mit Solarstrom und Solarwärme – Stand und Ausblick 2020, Mai 2012 Wirth, H., Fraunhofer ISE: Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland, Feb. 2012 Witt, J. et al., DBFZ: Monitoring zur Wirkung des Erneu- erbare-Energien-Gesetz auf die Entwicklung der Stromerzeugung aus Biomasse, DBFZ-Report Nr. 12, März 2012 KWK AGFW Hauptbericht 2010, 09/2011 BDEW: Flexibilisierungsoptionen für KWK und Fernwärme im Hinblick auf die Integration Erneuerbarer Ener- gien, 04/2011 BET: KWK und Fernwärmepakt 2025 - Optionen für den Ausbau der Fernwärmeerzeugung und der KWK in Deutschland, 13.12.2010 Consentec/ IAEW: Bewertung der Flexibilitäten von Strom- erzeugungs- und KWK-Anlagen, 5.10.2011 Gores, S.: Kraft-Wärme-Kopplung in Deutschland – Ent- wicklung im Zeitraum 2003-2010 und mögliche Ausbaupfade 2020/2030, Öko-Institut e.V. Berlin, 11/2011 Ziesing, H.-J.: KWK-Potenziale in Deutschland und ihre Er- schließung, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 58. Jg. (2008) Heft 3 Kraftwerke Rech et al.: Neue Regelungsstrategien erlauben eine Erhö- hung der Leistungsdynamik von Kraftwerksblöcken um über 30 %, VGB Power Tech 1/2, 2009 TeraJoule Energy: Virtuelles Kraftwerk – Zusatzerträge durch Regelenergie aus Notstromaggregaten Stromspeicher Dena: Thesenpapier: Neue Pumpspeicher für die Strom- versorgung in Deutschland, 04/2012 ISEA RWTH Aachen: Technologie Overview on Electricity Storage, 06/2012 Janzing, B.: Kraft auf Vorrat, Neue Energie 07/2010 Nölke, Marcus: Compressed Air Energy Storage (CAES) – eine sinnvolle Ergänzung zur Energieversorgung? Promotionsvortrag 2006 Ehlers, U.: Windenergie und Druckluftspeicher, FH Flensburg, 2005 Prognos: Bedeutung der internationalen Wasserkraftspei- cherung für die Energiewende, 09.10.2012 Sauer, U., ISEA, RWTH Aachen: Dezentrale Energiespei- cherung zur Steigerung des Eigenverbrauchs bei netzgekoppelten PV-Anlagen, Juli 2011 Stadler, I.: Ein gigantisches Speicherpotenzial, Solarzeital- ter 01/2008 6

95 Vardag, S. et al.: Druckluftspeicherkraftwerke und ihr Po- tenzial, IUP Heidelberg, 2011 Themenübergreifend Agora Energiewende: 12 Thesen zur Energiewende, 2012 Bruns, E. et al.: Netze als Rückgrat der Energiewende – Hemmnisse für die Integration erneuerbarer Ener- gien in Strom-, Gas- und Wärmenetze, Okt. 2012 Gottstein, M., RAP: Müssen wir „beyond capacity markets” denken? Erfahrungen mit US-Kapazitätsmärkten anhand einer Fallstudie, Feb. 2012 Sterner, M., Fraunhofer IWES: Systemkonflikte und -l ö- sungen auf dem Weg in das regenerative Zeitalter – heute bis 2050; Greenpeace Energiekongress Sept. 2010 6

96 BEE Plattform Systemtransformation Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien ISBN-13: 978-3-920328-64-5 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek: Dr.-Ing. Norbert Krzikalla, Siggi Achner, Stefan Brühl (Bearbeitung): Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Studie im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie Eine Studie des Büros für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH (BET) © Ponte Press, Bochum, April 2013 Ponte Press Verlags GmbH, Stockumer Str. 148, D-44892 Bochum www-ponte-press.de Kein Teil dieser Studie darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags als Mikrofilm oder in anderer Weise reproduziert werden. No part of this book may be reproduced in any form by photostat, microfilm, or any other means, without a written permission from the publisher. Umschlag: Martina Kloke, Die Deichgraphen, Hamburg Print: Druckerei POMP, Bottrop Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier, CO 2 -neutraler Druck Printed in Germany

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